Von kollektiven Gedächtnissen
In den letzten Tagen war ich sowohl in München, wie auch in Passau, wo an den Bahnhöfen einerseits Kolonnen von Flüchtlingen wie auch hochgestimmte junge Menschen in Lederhose und Edeldirndl unterwegs waren - die einen in Richtung einer vielleicht vermeintlich besseren Zukunft, die anderen in Richtung Oktoberfest. Es schloss sich eine Schifffahrt auf der Donau nach Wien und Budapest an. Budapest ist noch nicht so lange Hauptstadt von Ungarn - vorher war es eine Stadt namens Esztergom. In Esztergom steht auch die größte und wichtigste Kirche Ungarns, die "mater et magistra" der ungarischen Kirche. Ihre Errichtung geht auf den heiligen König Stephan zurück. 1543 wurde die nach einem Brand wiedererrichtete Kirche nach dem Einfall der Osmanen völlig zerstört. Deren Herrschaft prägte das Land. Sie ist tief verankert im kollektiven Gedächtnis des ungarischen Volkes. So tief, wie bei uns Deutschen der Krieg 1870/71 gegen die Franzosen, der erste Weltkrieg, die Naziherrschaft und der zweite Weltkrieg. Diese Begebenheiten haben unsere Kultur geprägt. Für viele Ungarn aber war vielmehr als alles andere prägend die osmanische Herrschaft, unter der sie zu leiden hatten, und die sie nur nach großen Bemühungen abschütteln konnten.
Die Sankt-Albert-Kathedrale in Esztergom wurde endlich wieder aufgebaut. Wenn man von oben, - sie steht auf einer Anhöhe - , nach unten auf die Donau blickt, kann man am Ufer des Flusses noch die Ruinen eines Minarettes aus der Osmanenzeit sehen.
Weder haben wir über Flüchtlinge gesprochen noch über Muslime, sondern ausschließlich über Geschichte.
Und ich habe daraus einiges gelernt. Wir im Westen haben in unserem kollektiven Gedächtnis völlig andere Dinge verankert, als die Menschen "weiter drüben" im Osten Europas. Ob Orban nun "europäische Gesetze" konsequent umsetzt oder nicht - Westeuropa sollte bitteschön auch einmal sich mit ungarischer Geschichte beschäftigen und sich klar machen, was unter osmanischer Herrschaft dort passiert ist und woher die Ressentiments resultieren.
Es stört mich mehr und mehr, dass Europa eine Veranstaltung von Deutschland und Frankreich war und bleibt - zur Geschichte Europas gehören eben auch die Türkenherrschaft und die Türkenkriege, von denen wir im Westen wenig mitbekommen haben bzw. heute nichts mehr mitbekommen wollen. Wenn die Geschichte eines Volkes eben geprägt wurde durch eine jahrhundertelange repressive Herrschaft von Muslimen auf dem eigenen Territorium, dann kann man dieses Volk sicherlich darin auch verstehen können, wenn keinerlei Interesse daran besteht, eine muslimische Mehrheit in der eigenen Gesellschaft zu etablieren. Und ich meine, das sollte auch das gute Recht dieses Volkes sein. Die Deutschen sind ja mittlerweile "Allesversteher" und "Allestolerierer", sie verstehen alles und jeden, nur nicht Russland und eben Ungarn, aber sonst die ganze Welt und vor allem komischerweise die palästinensische Hammas und manchmal sogar die Taliban.
Die Sankt-Albert-Kathedrale in Esztergom wurde endlich wieder aufgebaut. Wenn man von oben, - sie steht auf einer Anhöhe - , nach unten auf die Donau blickt, kann man am Ufer des Flusses noch die Ruinen eines Minarettes aus der Osmanenzeit sehen.
Weder haben wir über Flüchtlinge gesprochen noch über Muslime, sondern ausschließlich über Geschichte.
Und ich habe daraus einiges gelernt. Wir im Westen haben in unserem kollektiven Gedächtnis völlig andere Dinge verankert, als die Menschen "weiter drüben" im Osten Europas. Ob Orban nun "europäische Gesetze" konsequent umsetzt oder nicht - Westeuropa sollte bitteschön auch einmal sich mit ungarischer Geschichte beschäftigen und sich klar machen, was unter osmanischer Herrschaft dort passiert ist und woher die Ressentiments resultieren.
Es stört mich mehr und mehr, dass Europa eine Veranstaltung von Deutschland und Frankreich war und bleibt - zur Geschichte Europas gehören eben auch die Türkenherrschaft und die Türkenkriege, von denen wir im Westen wenig mitbekommen haben bzw. heute nichts mehr mitbekommen wollen. Wenn die Geschichte eines Volkes eben geprägt wurde durch eine jahrhundertelange repressive Herrschaft von Muslimen auf dem eigenen Territorium, dann kann man dieses Volk sicherlich darin auch verstehen können, wenn keinerlei Interesse daran besteht, eine muslimische Mehrheit in der eigenen Gesellschaft zu etablieren. Und ich meine, das sollte auch das gute Recht dieses Volkes sein. Die Deutschen sind ja mittlerweile "Allesversteher" und "Allestolerierer", sie verstehen alles und jeden, nur nicht Russland und eben Ungarn, aber sonst die ganze Welt und vor allem komischerweise die palästinensische Hammas und manchmal sogar die Taliban.
ElsaLaska - 30. Sep, 21:07
Die Partei von Orban ist einfach eine nationalkonservative Partei. Ausserdem sitzt Orban noch die Partei "Jobbik" im Nacken, die ihm bei der letzten Wahl schon viele "rechte" Wähler abgenommen hat.
Bei der letzten Parlamentswahl haben zusammen genommen 66% der Ungarn "rechts" gewählt. Ich schreibe das wertfrei.
Die Ungarn wollen halt einfach nicht überfremdet werden mit einer grossen Masse von Menschen, die aus einer ganz anderen, fremden Kultur stammen. Das kann man doch gut verstehen, denke ich. Bei uns traut sich das nur keiner zu sagen, weil man dann sofort "Nazi" ist.
Bei uns gibt es ja auch gar keine Partei die irgendwie noch "rechts" der Mitte ist, vergleichbar mit Orbans Partei.
Eine Anmerkung noch zu Taliban:
Die haben jetzt innerhalb von 24 Stunden 10 Jahre Bundeswehreinsatz in Kundus zu nichte gemacht. Genau das, was alle Kritiker des Einsatzes schon 2002 vorhergesagt haben.
@fidelis
Und das ist eben der historische Grund für aktuelle politische Verwerfungen.
Zu Kunduz: Ja, verdammt. Aber hätten sie den Einsatz deswegen nicht machen sollen?
Aber man sollte hier mal langsam aufhören, Nebelkerzen von Kundus nach Ungarn zu werfen. So funktioniert ein vernünftiger Gedankenaustauch nun mal nicht.
Der Islam spielt doch in der ungarischen Politik auch keine grosse Rolle, weil Ungarn auch kaum Muslime hat. Da sind sogar die Roma schon ein grösseres innenpolitisches Thema in Ungarn.
@Taras
Die anderen Armeen hatten auch erheblich höhere Opferzahlen in Afghanistan. Die Deutschen waren eh schon seit Jahren in grosser Mehrheit gegen den Bundeswehreinsatz dort. Die Stimmung wäre noch heftiger gekippt in Deutschland, wenn die Bundeswehr genauso viele Soldaten in Särgen nach Hause gebracht hätte wie die Amis oder die Briten. Die deutsche Politik hat uns den Einsatz ja auch jahrelang als brunnenbohrendes Pfadfinderlager verkauft. Das wäre dann wohl auch nicht mehr möglich gewesen.
Davon abgesehen sind die Taliban ja auch im Osten und Südosten Afghanistans keineswegs besiegt, sondern haben dort bis heute grösseres Territorium unter Kontrolle und sich auch in den 10 Jahren immer wieder weiter vorgerückt.
Die deutsche Politik hat sogar noch mehr getan. Sie hat die Situation nicht nur als ‹Pfadfinderlager› verkauft, sondern in der Tat ‹Pfadfinder› und ‹Brunnenbauer› in einen Krieg geschickt, für den diese weder vorbereitet noch geeignet waren.
Die NATO hat der Bundeswehr dann auch einen Abschnitt anvertraut, der anfangs als sicher galt. Während man im Norden also Schulen baute und Brunnen bohrte (hätte auch das THW tun können), spielten sich im Süden und Osten Afghanistans die Kämpfe anderer Armeen mit den Taliban ab. Letztere wurden nach Norden abgedrängt, wo sie nur auf geringe ‹militärische Aufmerksamkeit› stießen und sich somit reorganisieren konnten. Diese Möglichkeit der Reorganisation führte schließlich zum Wiedererstarken der Taliban.
Lange Zeit hatte der Gouverneur von Kundus den Deutschen Zaghaftigkeit und sogar Feigheit vorgeworfen, weil sie nach seiner Ansicht nichts zum Kampf gegen die Taliban beitrugen. Dann kam es zur Katastrophe mit den beiden Tanklastzügen. Sie war das grausige Resultat des auf das deutsche Kommando ausgeübten Drucks durch einheimische Politiker, die keine Schulen und Brunnen wollten, sondern einen Vernichtungsfeldzug gegen die Taliban - koste es was es wolle.
Dass die Zustimmung der deutschen Bevölkerung bei größeren Verlusten noch tiefer in den Keller gesunken wäre, ist natürlich richtig. Aber es gibt keinen Krieg ohne Verluste, das ist leider so. Deutschland hat also zwei Möglichkeiten:
1 - Man hält sich komplett heraus, da man nun mal keine Halb- oder Viertelkriege führen kann.
2 - Man beteiligt sich mit allen Lasten.
Dazwischen gibt es nichts.
Zu Traumata: Denkst du, die Deutschen hätten sich von einer Militärnation zur Pazifistennation gewandelt, wenn es die Erinnerung an die beiden Weltkriege nicht gäbe? Es ist ganz einfach so, dass, je weiter man in den Osten kommt, die Geschichtsbezogenheit und Kollektiverinnerung der Menschen rapide zunimmt. @Elsa als Slawistin weiß das genauso gut wie ich.
Bspw. besteht die gegenseitige Feindseligkeit zwischen Polen und Russen nicht erst seit dem 2. Weltkrieg, sondern seit dem 16. Jahrhundert. Mindestens. Auch die Ungarn sind sehr geschichtsbezogen. Die heutigen Bundesdeutschen tun hingegen meist so, als ob die Deutschen erst 1949 vom Himmel geregnet kamen und daher keinerlei Vergangenheit haben ;-)
@Taras
Hätte die Politik mit offenen Karten gespielt und klar gesagt, dass es sich dort um einen knallharten Krieg handelt, mit dem Ziel die Machtverhältnisse in Afghanistan zu ändern und eine bestimmte Gruppe zu "vernichten", mit der Konsequenz, dass dann vielleicht nicht 50, sondern 500 oder 1000 deutsche Soldaten im Sarg zurückgekehrt wären, dann wäre so ein Krieg für die deutsche Bevölkerung, die schon den "Pfadfindereinsatz" immer abgelehnt hat, nicht vermittelbar gewesen.
Aber ich bezweifle auch, dass man die Taliban mit einer "knallharten" Kriegsführung "vernichten" könnte. Die haben ja ihren Rückzugsraum in Pakistan. Und wie gesagt, beherrschen die Taliban ja schon seit Jahren einiges an Territorium in Afghanistan.
Zu Ungarn:
Ja ich finde es verständlich, wenn Ressentiments bestehen aufgrund von historischen Erfahrungen, die noch nicht so lange zurückliegen.
In Deutschland zum Beispiel herrschen noch viele Ressentiments gegen Russen, da die Kriegsgeneration noch lebt und die mittlere Generation in Westdeutschland im kalten Krieg mit "dem Russen" als "dem Bösen" aufgewachsen ist.
Aber wenn die Ungarn anno 2015 deshalb Ressentiments gegen Muslime haben, weil vor 400 Jahren mal ein Türkenkrieg stattfand, fände ich das schon schräg.
Genauso, als wenn die Süddeutschen immer noch Angst vor den Schweden hätten wegen des 30jährigen Krieges im 17. Jahrhundert. ;-D