Hoffnung für den Libanon.
Eine Analyse von Olaf Tannenberg.
Während zwischen dem 14. und 16. September 2012 in Aschaffenburg der Kongress »Freude am Glauben« stattfindet, bereist das Oberhaupt der katholischen Kirche, Papst Benedikt XVI., den Libanon. Der Heilige Vater wird sich damit in eine Region begeben, die zerrissen ist von polymorphen Konflikten politischer und religiöser Natur, die zudem ständig abrupten Veränderungen unterworfen und deren vermeintlich einzige Sicherheit die gegenwärtige Unsicherheit ist. Wer da meint, der Heilige Vater begäbe sich in ein sicheres Terrain, der würde sich auch in einer Schlangengrube wohlfühlen.
Der Libanon - im Verlauf seiner langen Geschichte einer Provinz des römischen Imperiums zugehörig, einstiges Herrschaftsgebiet der Araber und später Teil der Kreuzfahrer-Grafschaft Tripolis, frühere osmanische Provinz und im I. Weltkrieg unter osmanisch-deutscher Militärverwaltung stehend, danach französisches Mandatsgebiet, anschließend infolge eines blutigen Bürgerkriegs von Syrien besetzt, mit letztgenanntem Land eng verbunden - historisch wie aktuell. Ein typischer Staat im Nahen Osten also.
Überhaupt, Nahost. »Frieden ist möglich! Frieden ist dringend!«, rief vor knapp zwei Jahren Papst Benedikt im Oktober 2010 am Ende der Nahostsynode im Vatikan aus und mahnte zugleich eine umfassende Religions- und Gewissensfreiheit an. Ein fundamentales Menschenrecht. Wahrgenommen wurde dieser Ruf kaum. Denn täglich treffen im Libanon Ströme von Flüchtlingen aus Syrien ein, Verfolgte und Bedrängte eines grausamen Krieges, der mehr und mehr zu einem Glaubenskrieg wird und der seine Opfer unter Schuldlosen sucht.
Doch auch im Libanon selbst ist die sicherheitspolitische Situation äußerst instabil. Zunehmend brechen wieder religiöse Konflikte zwischen den Religionsgemeinschaften aus, besonders zwischen Christen und Muslimen. Rund 39 Prozent der etwa 4,5 Millionen Libanesen sind Christen (Maroniten 21 %, Griechisch-Orthodoxe 8 %, Griechisch-Katholische 5 %, andere Christen 7 % der Gesamtbevölkerung) und fast 60 Prozent Muslime. Die mit Rom unierten Maroniten leben hauptsächlich im Westen und Osten des Libanon, die orthodoxen Christen im Nordosten. Erwähnenswert sind noch die Drusen mit 7 Prozent Bevölkerungsanteil. Bis ins letzte Jahrhundert stellten die Christen mit 52 Prozent die Bevölkerungsmehrheit. Dies änderte sich durch Abwanderung und sinkende Geburtenraten, aber auch durch die Zuwanderung palästinensischer Muslime.
Die Tradition des Christentums im Libanon reicht weit zurück. Das Land, besonders die Berge, die dem Land seinen Namen gaben, stellte seit jeher einen Zufluchtsort für bedrohte Christen aus anderen Ländern des Nahen Ostens dar. Die Katholiken sind die größte christliche Religionsgemeinschaft im Land. Zu den katholischen Kirchen gehören die mit Rom unierten Maroniten, Melkiten, Syrisch-Katholiken sowie Armenisch-Katholiken. Direkt zu Rom gehört die Lateinische Kirche. Ebenfalls katholisch und uniert ist die Chaldäisch-Katholische Kirche. Aufgrund des Bürgerkrieges, des Libanonkrieges 2006 und des wachsenden islamischen Extremismus wandern allerdings immer mehr Christen nach Europa, Amerika und Australien aus.
Die libanesischen Christen sind im Vergleich zu anderen Christen im Nahen Osten sehr autonom und kaum Repressalien ausgesetzt. Doch die Libanonkrise 1958 und der Bürgerkrieg 1970 bis 1990 beendete die bis dahin guten Beziehungen zwischen Christen und Muslimen. Im Bürgerkrieg, der von allen Beteiligten mit brutaler Härte geführt wurde, starben 90.000 Menschen, 115.000 wurden verletzt, 800.000 flohen ins Ausland. Libanon wurde bis 2005 praktisch zum Protektorat der Besatzungsmacht Syrien. Seit dem Abkommen von Taif 1990 gilt der Bürgerkrieg als beendet, seither gibt es im Libanon die konfessionelle Parität, die ein politisches Gleichgewicht zwischen Christen und Muslimen garantieren soll. Auch die höchsten Ämter sind konfessionell aufgeteilt, sodass der Staatspräsident und der Oberbefehlshaber der Armee immer Christen sind.
Allerdings wird die politische Arbeit und die öffentliche Diskussion für Christen durch Drohungen und Einschüchterungen von muslimischer Seite schwieriger. Auch gibt es zunehmend Übergriffe von Muslimen auf Christen und deren Eigentum. So werden in manchen Regionen Alkohol verkaufende Geschäfte attackiert. Muslime erwerben immer häufiger Grundstücke in christlichen Siedlungsgebieten, 2006 kam es zu mehreren Übergriffen von Muslimen auf Kirchen und Dörfer, 2001 wurde in einem Vorort von Beirut eine Nonne ermordet, 2005 und 2006 kamen mehrere christliche Journalisten und Politiker durch Attentate ums Leben, im Süden des Landes beherrscht die schiitische Miliz der Hisbollah ganze außerhalb der staatlichen Kontrolle geratene Gebiete und führt von dort aus ihren Terrorkrieg gegen Israel. Dass im Januar 2011 die Regierung scheiterte und es zu Protesten und blutigen Auseinandersetzungen kam, die bis Mai 2012 anhielten, kann ebenfalls nicht beruhigen.
In diesen Staat Libanon wird also am kommenden Wochenende der Heilige Vater reisen. Stationen seiner Reise sind neben Beirut und anderen Orten die bedeutende Pilgerstätte Harissa. In seinem Gepäck findet sich ein postsynodales Schreiben. Papst Benedikt XVI. begibt sich in ein Land, in dem die Sicherheitslage sehr vage und der Friede brüchig ist, in das dieser Tage zusätzlich der syrische Bürgerkrieg hineingetragen wird und in dem sich seit der Nahostsynode 2010 die Situation der Christen dramatisch verschlechtert hat.
»Das Gebet des Elenden verstummt nicht, bis Gott eingreift und Recht schafft«, sagte der Heilige Vater während der Abschlussmesse der Synode 2010. »Der Schrei des Armen und des Unterdrückten findet sein unmittelbares Echo bei Gott, der eingreifen will, um einen Ausgang zu zeigen, um eine Zukunft der Freiheit, einen Horizont der Hoffnung zu eröffnen.«
Als Botschafter des Friedens wird der Papst in ein von Kriegen erschüttertes, von Hass und Gewalt geprägtes Land reisen, um den Christen die Hoffnung zu bringen, mit einem klaren Bekenntnis zu Gewaltverzicht und Versöhnung, zu Dialog und Verständigung, zum Miteinander der Religionen, wohl wissend, dass gerade der Libanon alle Voraussetzungen bieten kann, ein Licht des Friedens in einer Region der Kriege und des Terrors zu werden.
Beten wir für einen sicheren Aufenthalt und eine glückliche Heimkehr dieses wunderbaren, bescheidenen und mutigen Heiligen Vaters, bitten wir Gott um offene Ohren aller Menschen im Libanon, im benachbarten Syrien, im ganzen Nahen Osten, bitten wir um Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit. Mögen die Worte des Heiligen Vaters endlich erhört und beherzigt werden - im Libanon und überall auf dieser Welt!
»Der Gerechte wird sprossen wie der Palmbaum, wie eine Zeder auf dem Libanon wird er emporwachsen.« (Psalm 92,12)
ElsaLaska - 9. Sep, 21:39
Chaldäer nicht uniert?