Mittwoch
Seit Jahren steckt dieser leere Bilderhaken in der Wand über meinem Kamin. Er war schon da, als ich das Haus kaufte, aber ich habe nie ein passendes Bild gefunden, um es aufzuhängen. Manchmal stört mich die freie Stelle dort oben, manchmal nicht. Vor drei Tagen war es wieder so weit. Der Mond stieg schief im Fenster und brachte den leeren Fleck an der Wand zum Schimmern. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, beschloss ich, mich endlich nach einem passenden Bild umzusehen. Ich fuhr in die Altstadt, zum Platz vorm Turm, wo, wie ich wusste, zwei größere Galerien ihren Sitz hatten. Doch weder in der einen noch der anderen wurde ich fündig. Es musste ein Porträt eines Renaissancefürsten sein, im Hintergrund eine ideale Landschaft, mit feinen Konturen und alten Farben gemalt, nicht mit diesem flächigen Auftrag und den überbordenden Umrissen der Bilder, die dort ausgestellt waren. Der Platz über dem Kamin würde ewig leer bleiben, dachte ich und schlenderte durch eine winkelschiefe Gasse zur nächsten Bar, um mir einen Espresso zu gönnen. Da entdeckte ich eine fast blinde Schaufensterscheibe mit alten Stichen und Gemälden. Ich trat ohne zu zögern über die niedrige Schwelle des Ladens, den ich vorher an dieser Stelle nie bemerkt hatte.
"Buona sera!", rief ich aufs Geratewohl in den düsteren Verkaufsraum hinein.
"Sie wünschen?", kam es mit zittriger Stimme aus einer Ecke, in der ein abgeschossener Ohrensessel stand. Das Männchen schlurfte mir entgegen, um mich in Augenschein zu nehmen.
"Ich bin auf der Suche nach einem Bild."
"Sind Sie nicht", antwortete das Männchen mit Pergament in der Stimme.
"Sie haben hier einige Gemälde, die würde ich mir gerne ansehen", beharrte ich, doch der Verkäufer hatte sich bereits wieder von mir abgewandt und strebte zurück zu seinem Sessel.
"Es ist nichts Passendes für Sie dabei."
"Woher wollen Sie das wissen?", entgegnete ich. Mein Blick fiel auf ein wunderschön gemaltes Porträt einer Edelfrau mit Perlenschnüren im Haar und einem Hündchen auf dem Schoß.
"Das ist das falsche. Sie sind sehr ungeduldig. Kommen Sie morgen um diese Zeit wieder, dann habe ich Ihres. Gehen Sie jetzt Kaffee trinken", seufzte er und schloss nachdrücklich die Augen, um seinem Wort mehr Gewicht zu verleihen. Also ging ich. Zu Hause machte ich ein schönes Feuer und setzte mich mit einem guten Buch und einem Glas Rotwein davor, um zu lesen. Aber ich konnte mich nicht konzentrieren. Der Haken an der Wand irritierte mich mehr als sonst und ich ärgerte mich. Morgen würde ich einen Spiegel kaufen, oder einfach einen leeren Rahmen, und den dort aufhängen. Zufrieden lächelnd lehnte ich mich zurück. Ich muss wohl eingeschlafen sein, denn als ich die Augen wieder aufschlug, war das Feuer fast heruntergebrannt. Verwirrt griff ich nach meinem Glas - mir war das Bild der Dame mit den Perlenschnüren im Haar wieder eingefallen, ich hatte davon geträumt - oder nein, ich rieb mir angestrengt die Stirn, es war mir so, als sei ich die Frau gewesen, als hätte ich ihr smaragdgrünes Kleid getragen, ein Hündchen im Schoß gehalten, geredet. Gelacht. Zärtlich geflüstert. Geliebt. Der Name Lorenzo war mit dieser Erinnerung verbunden, die Farbe Rot, ein Olivenbaum.
Heute Morgen machte ich mich widerwillig auf den Weg in die Stadt. Ich redete mir ein, dass ich eigentlich nur vorhätte, einen Strandspaziergang zu machen und bei Da Michele eine Seezunge zu essen. Aber natürlich landete ich wieder in der krummen Gasse vor dem schäbigen Laden. Der winzige Greis erwartete mich bereits händereibend in der Aussicht auf ein gutes Geschäft.
"Kommen Sie, kommen Sie, ich habe Ihr Bild dort hinten, Verehrteste." An eine Staffelei gelehnt das Gemälde eines Fürsten mit edler Hakennase, in lässiger Pose und leuchtend rotem Ornat - im Hintergrund ein Olivenbäumchen und eine italienische Landschaft.
"Das ist es wirklich!", rief ich erfreut. "Aber wer ist das?" Der Verkäufer lächelte fein.
"Das ist Lorenzo de Medici, genannt Il Magnifico. Geboren 1449 in Florenz, gestorben 1492, eben dort. Ich packe es Ihnen ein." Lorenzo also. Und woher hatte der alte Fuchs von meinem Traum gewusst? Ich schaute mich nach einer Sitzgelegenheit um, mir war nicht wohl in meiner Haut.
"Sagen Sie, wo ist denn das Bild mit der Dame und dem Hündchen? Ich würde es mir gerne nochmal ansehen", wollte ich schließlich wissen. Wieder dieses feine Lächeln.
"Der Mann, für den es bestimmt war, hat es vor fünf Minuten gekauft und gleich mitgenommen." Ich bezahlte, klemmte mir das Bild unter den Arm und wollte gehen. Aber das Männchen hielt mich am Ellbogen zurück. "Er war ungefähr so groß, auffällige Nase und trug einen extravaganten roten Mantel. Ich glaube, ich habe ihn vorne in die Bar reingehen sehen." Ich schwieg.
"Gehen Sie jetzt Kaffee trinken. Rasch!" sagte er noch, bevor er die Ladentür hinter mir abschloss.
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"Buona sera!", rief ich aufs Geratewohl in den düsteren Verkaufsraum hinein.
"Sie wünschen?", kam es mit zittriger Stimme aus einer Ecke, in der ein abgeschossener Ohrensessel stand. Das Männchen schlurfte mir entgegen, um mich in Augenschein zu nehmen.
"Ich bin auf der Suche nach einem Bild."
"Sind Sie nicht", antwortete das Männchen mit Pergament in der Stimme.
"Sie haben hier einige Gemälde, die würde ich mir gerne ansehen", beharrte ich, doch der Verkäufer hatte sich bereits wieder von mir abgewandt und strebte zurück zu seinem Sessel.
"Es ist nichts Passendes für Sie dabei."
"Woher wollen Sie das wissen?", entgegnete ich. Mein Blick fiel auf ein wunderschön gemaltes Porträt einer Edelfrau mit Perlenschnüren im Haar und einem Hündchen auf dem Schoß.
"Das ist das falsche. Sie sind sehr ungeduldig. Kommen Sie morgen um diese Zeit wieder, dann habe ich Ihres. Gehen Sie jetzt Kaffee trinken", seufzte er und schloss nachdrücklich die Augen, um seinem Wort mehr Gewicht zu verleihen. Also ging ich. Zu Hause machte ich ein schönes Feuer und setzte mich mit einem guten Buch und einem Glas Rotwein davor, um zu lesen. Aber ich konnte mich nicht konzentrieren. Der Haken an der Wand irritierte mich mehr als sonst und ich ärgerte mich. Morgen würde ich einen Spiegel kaufen, oder einfach einen leeren Rahmen, und den dort aufhängen. Zufrieden lächelnd lehnte ich mich zurück. Ich muss wohl eingeschlafen sein, denn als ich die Augen wieder aufschlug, war das Feuer fast heruntergebrannt. Verwirrt griff ich nach meinem Glas - mir war das Bild der Dame mit den Perlenschnüren im Haar wieder eingefallen, ich hatte davon geträumt - oder nein, ich rieb mir angestrengt die Stirn, es war mir so, als sei ich die Frau gewesen, als hätte ich ihr smaragdgrünes Kleid getragen, ein Hündchen im Schoß gehalten, geredet. Gelacht. Zärtlich geflüstert. Geliebt. Der Name Lorenzo war mit dieser Erinnerung verbunden, die Farbe Rot, ein Olivenbaum.
Heute Morgen machte ich mich widerwillig auf den Weg in die Stadt. Ich redete mir ein, dass ich eigentlich nur vorhätte, einen Strandspaziergang zu machen und bei Da Michele eine Seezunge zu essen. Aber natürlich landete ich wieder in der krummen Gasse vor dem schäbigen Laden. Der winzige Greis erwartete mich bereits händereibend in der Aussicht auf ein gutes Geschäft.
"Kommen Sie, kommen Sie, ich habe Ihr Bild dort hinten, Verehrteste." An eine Staffelei gelehnt das Gemälde eines Fürsten mit edler Hakennase, in lässiger Pose und leuchtend rotem Ornat - im Hintergrund ein Olivenbäumchen und eine italienische Landschaft.
"Das ist es wirklich!", rief ich erfreut. "Aber wer ist das?" Der Verkäufer lächelte fein.
"Das ist Lorenzo de Medici, genannt Il Magnifico. Geboren 1449 in Florenz, gestorben 1492, eben dort. Ich packe es Ihnen ein." Lorenzo also. Und woher hatte der alte Fuchs von meinem Traum gewusst? Ich schaute mich nach einer Sitzgelegenheit um, mir war nicht wohl in meiner Haut.
"Sagen Sie, wo ist denn das Bild mit der Dame und dem Hündchen? Ich würde es mir gerne nochmal ansehen", wollte ich schließlich wissen. Wieder dieses feine Lächeln.
"Der Mann, für den es bestimmt war, hat es vor fünf Minuten gekauft und gleich mitgenommen." Ich bezahlte, klemmte mir das Bild unter den Arm und wollte gehen. Aber das Männchen hielt mich am Ellbogen zurück. "Er war ungefähr so groß, auffällige Nase und trug einen extravaganten roten Mantel. Ich glaube, ich habe ihn vorne in die Bar reingehen sehen." Ich schwieg.
"Gehen Sie jetzt Kaffee trinken. Rasch!" sagte er noch, bevor er die Ladentür hinter mir abschloss.
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ElsaLaska - 1. Feb, 22:28
Liebe Grüße
Wenzel