Die ganzen sechs Stockwerke hinauf zu Lorenzos Appartment hatten meiner Wut nichts anhaben können, sondern sie nur noch gesteigert. Ich durchquerte das Kabinett und stapfte schnaubend über die Küchenschwelle. Lorenzo stand, frisch rasiert und in festlicher Kleidung, die lediglich von einer Schürze und seinem Piratenkopftuch in ihrer Eleganz geschmälert wurde, vor der Anrichte und rührte eine Mayonnaise mit frischem Eigelb und Olivenöl an.
„Sie kochen also! Was gibt es denn Feines?“, schleuderte ich ihm mit hohntriefender Stimme entgegen.
„Ich freue mich auch, Sie zu sehen!“, lachte er mit einem vergnügten Funkeln in den Augen. „Ein Gala-Dinner! Und wie ich sehe, tragen Sie auch die passende Frisur für einen festlichen Abend. Bellissimo! Sie sehen bezaubernd aus!“
„Ihr Onkel hat mir bereits ausreichend Komplimente gemacht, Sie brauchen sich nicht mehr persönlich zu bemühen!“
„Dann wissen Sie die Neuigkeit ja schon! Sicher haben Sie sich eingehend mit ihm darüber unterhalten.“ Er schmeckte seine Mayonnaise ab, überlegte einen Moment und gab noch eine Prise Estragon hinein. Ich stemmte die Arme in die Hüften und blitzte ihn an, was er als Aufforderung verstand, endlich die Speisefolge preis zu geben.
„Es wird vitello tonnato geben!“, kündigte er mit großer Geste an, „ ein ebenso einfaches wie exquisites Gericht. Und weil wir einen herrlichen Anlass haben, bereite ich Ihnen ein vitello tonnato zu, wie Sie noch nie eins gegessen haben! Als antipasti ein schönes Glas Ferrari Spumante – er hält mit jedem Champagner Schritt – und ein Dutzend Austern, ich habe wunderbar frische bekommen, ganz delikat, Ihnen werden die Sinne schwinden!“ Er zwinkerte mir
in allerbester Laune zu und kontrollierte den Kalbsbraten in der Röhre. Mir fehlten die Worte.
„Mir fehlen die Worte“, knurrte ich sarkastisch.
„Jetzt schon? Sie wissen doch noch gar nicht, was ich als Hauptgang vorgesehen habe“, freute er sich, schaute in seinen Kühlschrank hinein, schlug ihn geheimnisvoll wieder zu und wandte sich mit ausgebreiteten Armen zu mir hin.
„Ich war in meinem ganzen Leben noch nie so glücklich! Ein Traum ist in Erfüllung gegangen!“, rief er aus, trat auf mich zu, hob mich in die Höhe und schwenkte mich lachend durch die Küche.
„Lassen Sie mich sofort los!“, brüllte ich, was seiner guten Stimmung keinen Abbruch tat.
„Am Liebsten würde ich Sie von oben bis unten abküssen, so erleichtert bin ich“, strahlte er.
„Sind Sie i r r e? Gibt es eine Geisteskrankheit in Ihrer Familie, von der ich noch nichts wusste?“ Ich trat vorsichtshalber ein paar Schritte zurück.
Das Lächeln in seinem Gesicht schwand und wich einem Ausdruck zunehmender Verwirrung.
„Aber Sie sagten doch, Sie waren bei Estefanio ...“
„Der offensichtlich an der selben Geisteskrankheit leidet wie Sie!“, spuckte ich.
Lorenzo ließ sich in einen Stuhl sinken und sah ratlos zu mir auf. „Ich verstehe nicht ... Wie meinen Sie das? Im Gegenteil, Estefanio ist ein glühender Anhänger Berlusconis, deshalb ...“
„Was bitte hat Berlusconi denn damit zu tun!“, schrie ich ihn an.
„Nun, er hat die Wahl verloren, ich dachte, Sie wüssten das bereits?“
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