.. stieg ich aus dem Seerosenteich und perlte und glänzte und nahm den größten Stein von allen. Nahm den Stein, und glättete Binsen und suchte eine Pfauenfeder, braute Tinte aus Galläpfeln und schrieb.
Ich schrieb volle neun Monate ohne innezuhalten. Und siehe, was ich geschrieben hatte war wie die Seerose, es wurzelte im Schlamm und Dunkel, doch erhob es sein Haupt über die Wasser und blühte und schimmerte.
Unten aber, bei den Wurzeln gärte der Schlamm und ich versuchte, den Blick oben zu behalten und mich an dem Schein des Blütenkelches zu erfreuen, aber er welkte und fiel. Nun schaute ich zu lange nach unten, und vom Blicken in die Finsternis wurden meine Augen stumpf und rot.
Ein Hirte kam und flocht mir Kornblumen ins Haar und schenkte mir Häute von Tieren, dass ich darauf schriebe. Auch Blut von jungen Widdern, damit ich Tinte hätte, und Milch und Fleisch, damit er mir gefiele.
Und also blieb ich bei ihm und wir erfreuten einander. Wenn ich schrieb mit Blut auf Haut, dann sah ich seine Schatten. Ich schrieb seine Schatten zu Lotosblüten und unser Dunkel zur hellsten Nacht. Doch die Häute verfaulten und Maden wimmelten auf der fetten Tinte.
Und immer versuchte ich, nicht nach unten zu schauen, damit ich nicht erblinden würde. Und so konnte ich auch nicht sehen, dass die Wurzeln meiner Seele anfingen brüchig zu werden und gelb.
Nur einmal bin ich hinabgetaucht, bin durch das Gewirr geschwommen, habe den alten Wels verjagt, der dort stand und versucht, sie mit einem Messerchen zu schneiden.
Aber die Luft ging mir aus, wie am Ende das Schreiben.
Ich zahlte, gab ein Trinkgeld, nahm meinen Mantel und ging.

ElsaLaska - 15. Feb, 22:40
du bist wie eine blüte aus schwarzem samt
ich will dir den duft der frangipani schenken
und einen safranfarbenen sarong
damit du die tempel betreten darfst
in denen unsere träume leben
vergiss nicht vorher
die glocke zu läuten damit
der gott aufwacht und
zieh deine sandalen an
und schau wie die tigermänner
das meer vertreiben
mit knappen gesten
ich habe einst
neben dem sultan von brunei residiert
meine küsse schmecken
nach kokosfleisch und limonensaft
es gibt einen berggipfel
der hat das gesicht eines herrschers
und die glühwürmchen nennen sie clipclips
die falter sind handtellergross und stahlblau
die flattern dort
wie dein blick auf meinen brüsten
ElsaLaska - 15. Feb, 22:26
Die Purpurinsel ist immer in Sichtweite, aber so weit entfernt, dass man selbst bei Ebbe nicht hinwaten kann. Sie betreten zu wollen wird ein ernsthaftes Unterfangen, deshalb benötigt man ein Boot und einen Bootsführer, der übersetzt; auch den Schein einer beliebigen Behörde, den man erst bekommt, wenn man zu irgendeiner unmöglichen Tageszeit in einem nach Pisse stinkenden Büro mit Alufenstern erschienen ist und eine angemessene Weile gewartet hat. Während des Wartens kann man die Aktenordner betrachten, die sich stapeln, betreffend aller möglichen Dinge, die bereits geregelt worden sind. Ein Stapel auf dem Schreibtisch des Amtsinhabers bezeugt diejenige Menge der Sachverhalte, die noch geregelt werden sollte. Es ist schlechterdings unmöglich, den begehrten Schein zu erhalten und am gleichen Tag noch die Insel zu betreten, dafür ist gesorgt. Sofern man seine Ungeduld nicht allzu offensichtlich zeigt, erhält man um die Mittagsstunde seines Besuchs eine zierliche Porzellantasse mit gewürztem Mokka angeboten, während der Scheinaussteller zu Tisch geht. Auch das dauert seine Zeit. Als Antragsteller durchläuft man während dessen bestimmte und festgelegte Gemütszustände, die vorgegeben sind, wann immer man sich in der Situation befindet, einen Antrag stellen zu müssen.
Man hatte das Büro zuversichtlich betreten, sicher würde es nicht allzu lange dauern, schon bald würde man das begehrte Papier in der Hand halten und es bei einem Omelette mit Oliven und Tomatensalat begutachten können.
Es ist eine sinnvolle Einrichtung, auf diese Art dafür zu sorgen, dass nicht Hinz und Kunz die Insel betreten darf, die, seit sie nicht mehr als Gefängnis dient, unbewohnt ist und deshalb Lebensgebiet für seltene Tierarten geworden ist. Zufrieden öffnet man Portemonnaie oder Handtasche, um zu überprüfen, ob man auch wirklich alle geforderten Unterlagen für die Antragstellung dabei hat. Es wäre ärgerlich an dieser Stelle der Prozedur zu merken, dass man etwa ein wichtiges Dokument vergessen hat. Manchmal scheint es, als ob tatsächlich etwas fehlen würde, dann blättert man hektischer als sonst durch die Papiere, obzwar man sie schon zu Hause geprüft hatte. Immer erweist sich dann, dass etwa das dringend benötigte Passbild nur unter einem anderen Dokument versteckt war. Nie fehlt es. Deshalb lehnt man sich zufrieden zurück. Es war auch niemand vor einem da, so dass man weiterhin zuversichtlich sein kann, was das Vorankommen in dieser Angelegenheit betrifft.
Die Purpurinsel - am nächsten Morgen sollte es losgehen, sofern das Wetter mitspielte. Ich kann mich noch genau daran entsinnen, wie ich sie das erste Mal sah. Die Sonne ging gerade unter und warf über alles, die Küste, die Stadt und den Strand ein dunkelleuchtendes Gewebe aus altem Licht. Ich saß mit ein paar Freunden in einem dieser Fischlokale am Hafen, um einmal etwas anders zu essen als Omelett oder Oliven. Das Lokal lag auf der gegenüberliegenden Seite des Hafens; bis man es zu Fuß erreicht hatte, mit angehaltenem Atem wegen des Gestanks nach verwesendem Meeresgetiers im ganzen Hafen, war uns der Appetit verloren gegangen. Eine Flasche Weißwein sollte Abhilfe schaffen, das Restaurant hatte glücklicherweise eine Lizenz für den Alkoholausschank, so dass wir den importierten französischen Sancerres nicht aus Teetassen trinken mussten. Die Zugehfrau hatte mir am Nachmittag Hennaornamente auf die Handflächen gemalt und ich langte gierig nach meinem Glas, mit diesen fast afrikanischen Mustern in meiner Hand, die die Farbe von getrocknetem Blut hatten. Es gab fritierten Fisch und es gab gebackenen Fisch, auch Seezunge oder Tintenfisch, und es gab Oliven dazu und Kartoffeln, auch Fladenbrot. Meine Tischgesellschaft war nicht sehr anregend und die Seezunge war fade und fantasielos zubereitet. Einzig der Wein war ein Lichtblick und ich bestellte schnell noch eine zweite Flasche. Was für ein trostloses Land am Meer, in dem man nicht einmal ein leckeres Fischgericht zu stande brachte. Wehmütig dachte ich an die exquisite Küche Malaysias und Indonesiens. Meine Begleiter standen kurz vom Tisch auf, um auf der Holzveranda des Lokals eine Zigarette zu rauchen und da fiel mein Blick auf die vorgelagerte Insel, in Reichweite war sie, wie es schien, und sie war in das purpurrote Licht der Abenddämmerung getaucht, ein dunkelvioletter schwerer Schattenriss vor dem schwarzen Horizont. Ich habe die Inseln immer geliebt. Besonders die in Küstennähe, oder die, die wie mit einem schmalen Haltegurt noch ans Land verankert waren, die Halbinseln, die einen merkwürdigen Status innehatten, zwielichtig, nicht fest und klar, nicht Binnenland, nicht Insel. Die Bewohner solcher Gebilde bewegen sich sehr sicher auf der Welt, aber ihnen fehlt der Stolz. Nicht verloren gehen zu können, ist der Preis, den sie zahlen: die Gewissheit, an der Leine des Binnenlandes zu liegen wie ein verwahrloster Köter auf einem Hinterhof. Da war sie also, die Purpurinsel, und die Herkunft ihres Namens schien mir auf der Hand zu liegen, während mich der Dungduft der einheimischen Zigaretten umhüllte. Niemand konnte mir sagen, was es mit dieser Insel auf sich hatte, nur einer meiner Begleiter, der sympathischste, mit einem goldenen Nasenring - er rauchte Winston-Zigaretten - glaubte zu wissen, dass 1968 Jimi Hendrix hier an diesem von gottvergessenen Ende der Welt, auf der vorgelagerten Felseninsel, ein fulminantes, von Öffentlichkeit unbeachtet gebliebenes Open-Air-Konzert veranstaltet hatte, und ja, das konnte ich mir vorstellen: Der gute alte Jimi auf die Insel, mit seiner Gitarre und einem ziegelgroßen schwarzen Stück Hasch aus dem Rif, wie man es hier bekam, und dann Losjammen dass Allah, Jahwe oder Jesus, oder vielleicht auch die vergessenen Meeresgötter dieser Gegend mit den Fingern snippten und groovten, was das Zeug hielt, und dabei vor lauter Spaß und good vibrations einen purpurfarben lodernden Sonnenuntergang (Jesus verbrennt seine Gitarre!) nach dem anderen hinpinseln würden. Oder auch granatrot, wie den Cabernet, den sie hier anpflanzten und bei diesem Gedanken kehrte ich an den Tisch zurück, um noch eine Flasche Rotwein und einen Mokka zu bestellen.
ElsaLaska - 15. Feb, 22:10
Vom Palas aus kann ich entlang der zerfaserten Küstenlinie sehen und weiß manchmal nicht, den Himmel vom Wasser zu unterscheiden. Nur wenn ein Sonnenstrahl es schafft, den Dunst über der Bucht zu durchdringen, leuchten die Hügel in moosigem Grün und den Bernsteintönen des Whiskys, den die Bediensteten gerne zu sich nehmen, und den auch der Erhabene hin und wieder kostet, auch wenn es die Gesetze seiner Kaste ebenso wie den Tabak verbieten.
Er sagt, an diesem Ort sei der Zugriff des Winters nicht so beißend wie auf dem Kontinent. Er sagt, an diesem Ort gäbe es noch mehr Seher und der kaiserliche Arm reiche nicht bis hierher.
Fern den Städten Mitteleuropas, den Industriegebieten, Autobahnen und Vergnügungszentren ist die Luft sauber, das Wasser frisch und unsere Nahrung authentisch.
Er spricht nicht viel von diesen Dingen, aber ich weiß, dass er daran arbeitet, seine Macht zu bündeln, um den Imperator vom Thron zu stoßen. Würde er einen solch gefährlichen Versuch unternehmen, wenn er nicht gesehen hätte, dass ihm Erfolg beschieden ist?
ElsaLaska - 15. Feb, 11:19