[Zum Tag des hl. Petrus Damiani]
Fonte Avellana am Hang des Monte Catria – steinerne Trutzburg des Glaubens gegen die Brandung der Zeiten
Wer von Corinaldo nach Pergola fährt und auf der Straße zwischen Pergola und Sassoferrato auf halber Strecke rechts einbiegt, der erreicht den Monte Catria, so hoch „dass unter ihm die Donner dröhnen“, wie Dante Alighieri in seiner Divina Commedia schreibt. Die Gegend wird zunehmen einsamer, bewaldeter und urwüchsiger. Tatsächlich ist der Monte Catria mit 1.700 Metern einer der höchsten Gipfel des italienischen Zentral-Appenin, übertroffen wird er nur noch von den Monti Sibillini weiter südlich.
An seiner Ostflanke hütet dieser Berg einen architektonischen und spirituellen Schatz. Wie von einer unsichtbaren Zeitkapsel umschlossen – fast unberührt vom Fortgang von eintausend Jahren, erhebt sich zwischen Steineichen, Buchen, Zypressen und Haselnussträuchern das Kloster der Kamaldulenser von Fonte Avellana. Eine spröde romanische Schönheit wie eine Trutzburg des Glaubens gegen die Brandung der Zeiten, errichtet in dem hellgrauen fossiliendurchzogenen Gestein seiner natürlichen Umgebung. Als sei die Strenge und die Einfachheit des mönchischen Lebens in ihm zu einer Außenhaut geronnen, die sich in perfekter Harmonie mit der majestätischen Umgebung befindet und gleichzeitig sich selbst genug ist. Überragt vom massiven viereckigen Pfeiler des Glockenturms ordnen sich die einzelnen Bauteile zu einem schnörkellosen Ensemble von architektonischer Klarheit, dessen Bogengänge und Fenster sich dem Tal und dem Tageslicht öffnen wie Blüten der Sonne.
Am Eindrucksvollsten zeigt sich dieses Prinzip verwirklicht im Scriptorium von Fonte Avellana aus dem 12. Jahrhundert. Von den insgesamt vierzehn einbogigen Fenstern der oberen Reihe weisen sechs nach Osten, eines nach Süden und sieben nach Westen, so konnten sie die Kopisten mit dem Maximum an Tageslicht für ihre anstrengende Arbeit versorgen. Gleichzeitig diente die Anordnung der Oberlichter auch als Sonnenuhr und Jahreskalender, welcher die Sonnenwenden im Juni und Dezember zuverlässig anzeigt. Am 21. Juni etwa fallen die Strahlen des Sonnenaufgangs durch das erste Ostfenster, die Strahlen bei ihrem Untergang durch das letzte Westfenster in den Raum.
Aus dem 12. Jahrhundert stammt auch der Kapitelsaal, der ebenso wie das Scriptorium im Rahmen einer kleinen Führung zu besichtigen ist. Im Kapitelsaal versammelten sich die Mönche, dort wurden Angelegenheiten der Gemeinschaft vorgetragen, besprochen und entschieden. Der Raum besitzt eine eigene Atmosphäre und eine besondere Akustik, unterstützt durch das Tonnengewölbe der Decke. Drei schmale Fenster zeigen Richtung Osten, zum Ursprung des Lichts.
Ältester erhaltener Bauteil des Klosters stellt die Krypta aus dem 10. Jahrhundert dar, sie war die ursprüngliche Kirche der ersten Mönche und ist zum Teil direkt in den Fels des Catria hineingehauen. Durch ihre eigentümliche Form, ein griechisches Kreuz, das durch spätere Baumaßnahmen verstümmelt wurde, die fast zwei Meter dicken romanischen Mauern, die sich in der Apsis niedrig krümmen und von lediglich zwei winzigen Fenstern Richtung Osten durchbrochen werden, entsteht der Eindruck einer Raumkapsel mit zwei Bullaugen.
Generationen von Mönchen haben in ihr die Stundengebete gesungen, an dem tausendjährigen Altar die Hl. Messe gefeiert; diesem timeshuttle der Gottesverehrung entstiegen an die fünfzig Bischöfe und eine beeindruckende Zahl von Seligen und Heiligen der katholischen Kirche.
Der heilige Petrus Damiani und sein Kampf gegen den dekadenten Klerus seiner Zeit
Auch die beiden Eremitenmönche, denen ein gewisser Petrus Damiani, ein erfolgreicher Rhetoriklehrer zu Ravenna, auf einer Reise nach Parma begegnete. In einer Welt, in der es recht wüst zugegangen sein muss, an den Universitäten wurde nicht nur gelernt und gelehrt, sondern auch gehurt und gesoffen, gespielt und um Geld gewettet, beeindruckte den Gelehrten ganz besonders die Demut, Bescheidenheit und Anspruchslosigkeit dieser Mönche. So stark, dass er ihnen nach Fonte Avellana folgte und 1039 in das Kloster eintrat. Dort entfalteten sich sämtliche Talente dieses großartigen Gelehrten, der sich nicht nur in seiner persönlichen Lebensweise in strengste Zucht nahm, sondern auch seine Mitbrüder anhielt, sich Übungen in Selbstgeißelung zu unterziehen. Petrus Damiani stellte die wirtschaftliche Grundlage des Klosters auf solide Beine, er ließ eine Kirche bauen und gründete eine Bibliothek, denn natürlich wollte er auch als Eremit weiterhin seine Studien treiben. Auch das beeindruckende Skriptorium entstammt seinen Ideen, obwohl er seine Fertigstellung nicht mehr erlebt hat. Von seinem Felsenhorst aus führte er einen regen Schriftverkehr mit Bischöfen, Äbten und Päpsten. Sein Wort und seine Gedanken hatten Gewicht, seine persönliche Lebensführung überzeugte, und so wurde der heilige Petrus Damiani zu einer der wichtigsten Gestalten innerhalb der kirchlichen Reformbewegung des 11. Jahrhunderts.
Das Liber gomorrhianus wider die sexuellen Verfehlungen von Priestern und Mönchen
Petrus Damiani kämpfte mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen, gegen den Verfall im Klerus an. Da waren vor allem die Waffen seines scharfen Geistes und seiner hervorragenden Bildung. Doch diese alleine hätten ihm nicht genutzt, wenn er nicht von einer vorbildlichen persönlichen Frömmigkeit gewesen wäre, und er seine Schritte nicht vollständig an die Schritte Jesu Christi angepasst hätte. Mit der Schrift Liber gratissimus sagte er dem verbreitetsten Übel seiner Zeit, dem Ämterhandel den Kampf an, mit dem Liber gomorrhianus, dem Buch von Gomorrha beschrieb er mit akribischer Genauigkeit die sexuellen Versuchungen und Sünden, denen sich Mönche und Kleriker ausgesetzt sahen, getreu dem Motto: Nur, wer den Feind kennt, kann ihn besiegen.
Unter aktuellen Bezügen betrachtet wird schnell klar, dass die Herabwürdigung der wahren und gottgewollten sexuellen Natur des Menschen ein Zeit, Ort und Kulturen überschreitendes Phänomen darstellt, gegen das die Kirche von Beginn an und praktisch immer gekämpft hat.
Eventuell besaß Petrus Damiani schon hervorragende charakterliche Anlagen, denn ein lauer Weichling wird sich vornherein nicht vom harten Mönchsleben in Fonte Avellana angezogen gefühlt haben. Sicher jedoch ist, dass ihn auch das karge, völlig auf Gott ausgerichtete Leben der Asketenmönche schliff wie eine gute Waffe, so dass seine Fähigkeiten im Kampf gegen die Sünde und das Böse aufleuchteten wie polierter Stahl im Einsatz für das Licht der Welt.
Vielleicht wäre ja sogar ein möglicher Beitrag zur Lösung der aktuellen Probleme in der Kirche, wieder vermehrt Eremitenbischöfe und – kardinäle zu ernennen. Diese könnte man dann auch schwerlich beim „Schachspielen in einer Spelunke“ ertappen, wie es dem Bischof von Florenz geschah. Entehrung Gottes durch Befleckung mit schändlicher Kurzweil – lautete die Diagnose, die Spielsucht war im Klerus weit verbreitet. Petrus Damiani hielt eisern dagegen.
Es war ihm nicht vergönnt, nach einem anstrengenden und kämpferischen Leben für die Heiligung der Kirche in seinem Kloster zu sterben, er starb im Jahr 1072 auf dem Heimweg von Ravenna in Faenza, nur ein paar Tagesreisen entfernt, und wurde dort auch begraben. Doch sein segensreiches Wirken strahlte durch die Jahrhunderte weiter, noch bis heute. Dante Alighieri erwähnt ihn dreihundert Jahre später im 21. Paradiesgesang der Göttlichen Komödie. Ein Mann also wie ein Leuchtfeuer durch die Jahrhunderte gegen Simonie und Korruption. Überhaupt gibt es Anhaltspunkte dafür, dass Dante Alighieri auch seine Einsiedelei bei den Quellen und den Haselnussbäumen kannte. Ein Besuch in Fonte Avellana selbst ist zwar nicht durch einen Chronikeintrag dokumentiert, dafür aber im benachbarten Kloster von Gubbio für das Jahr 1318. Man geht also davon aus, dass er bei dieser Gelegenheit auch die Einsiedelei besichtigt hat. Dante schreibt, und lässt dabei Petrus Damiani selbst zu Wort kommen:
„Inmitten von Italiens beiden Ufern
Erheben, unfern deiner Heimat, Felsen
So hoch sich, dass die Donner tiefer rollen.
Den Höcker, den sie bilden, nennt man Catria;
Ein Eremitenkloster liegt darunter,
Bestimmt nur zu andächtiger Betrachtung.“
Kurz darauf, im Jahre 1325 wurde die Einsiedelei zu einer Abtei. Die Mönche folgten den Regeln des Hl. Romuald von Camaldoli aus benediktinischer Tradition - auch heute noch. Der Klausurbereich ist deshalb für Besichtigungen nicht freigegeben. Leider gehört dazu auch die alte Klosterbibliothek, deren Bestand etwa 25.000 Bücher aus den Anfängen des Buchdrucks und der Zeit bis zum 19. Jahrhundert umfasst. Dafür entschädigt der ungewöhnliche und imponierende Kreuzgang aus dem 11. Jahrhundert, die statio der Mönche, die sich hier, von der Feldarbeit kommend, auf den Gottesdienst vorbereiteten, sich am Brunnen waschen und versammeln konnten. Die Gewölbebögen sind romanisch und phönizisch inspiriert.
Obwohl der Klausurbereich selbst nicht zugänglich ist, nehmen die Kamaldulenser des Klosters zum Heiligen Kreuz gerne Gäste für Exerzitientage oder Unterweisungen in der lectio divina auf und ermöglichen ihnen, die Liturgie mitzufeiern. Außerdem bieten sie ein Veranstaltungsprogramm künstlerischer, musikalischer und wissenschaftlicher Natur an. Es gibt ein eigenes kleines Forschungszentrum, das Studien zur avellanischen Geschichte und Theologie betreibt.
Nach alter Kamaldulensertradition findet sich in Fonte Avellana auch eine Klosterapotheke, in der Salben, Schokolade, Teemischungen und Honig verkauft werden.
Wer dem Straßenverlauf den Berg hinauf weiter folgt, erhält noch beeindruckende Ansichten der gesamten baulichen Schönheit des Kloster und einen guten Eindruck von der Harmonie, mit der sich Fonte Avellana in die Berglandschaft eingefügt. Folgt man der Straße in Richtung Norden, gelangt man zu dem mittelalterlichen Städtchen Frontone mit seinem eindrucksvollen kleinen castello, das als gutes Beispiel für die militärische Architektur des 11. Jahrhunderts gilt. Von Frontones Mauern aus hat man einen herrlichen Panoramablick, die Gässchen bieten reizvolle Einblicke. Wer in Frotone einkehren möchte, die Spezialitäten der Region sind vor allem tagliatelle mit Steinpilzen oder Entenragout und „la crescia“, ein typisches Fladenbrot, das mit verschiedenen Gewürzen und Füllungen im Holzofen gebacken wird.
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Aus einem älteren Eintrag hier im Blog:
Das Kloster wurde am Osthang des Monte Catria im Jahre 980 gegründet. Der Hl. Petrus Damiani war von 1043 bis 1072 hier Prior und 1318 hielt sich Dante dort auf, er beschreibt Fonte Avellana in seinem 21. Gesang des Paradieses.
Seine Architektur ist von beeindruckender schlichter Schönheit, seine Lage im Vorgebirge traumhaft.
Quelle: marcheworldwide.com
Quelle: http://www.turismoitinerante.com
Das ehemalige Skriptorium des Klosters
Quelle: http://scuole.provincia.ps.it/ic.pergola/Avellana/SCRIPTO.jpg