Franz von Sales: Philothea
Von der Geduld mit sich selbst
Die Sanftmut findet eine gute Anwendung uns selbst gegenüber. Denn wir sollen auch gegen uns selbst nicht heftig und bitter sein. Wenn es auch ganz in Ordnung ist, dass wir uns über unsere Fehler betrüben, so sollen wir doch keine Bitterkeit, keine ärgerliche, verdrießliche Stimmung darüber in uns aufkommen lassen.
Manche, die zornig wurden, entrüsten sich nachher über den Zorn; die ärgerlich waren, ärgern sich über den Ärger; die verdrießlich waren sind über ihren Verdruss verdrossen, und so kommen sie niemals zur Ruhe.
Die Empfindlichkeit gegen sich selbst hat ihren Grund letztlich in Stolz und Eigenliebe, die es nicht leiden kann, dass wir noch unvollkommene Menschen sind. Unser Missfallen an unseren Schwächen soll darum ruhig und vernünftig sein. Der Ärger über uns selbst macht uns unfähig, gegen uns selbst gerecht zu sein; wir beurteilen unsere Fehler nicht nach dem wahren Verhältnis, sondern nach unserer Leidenschaft.
Um Beispiele zu nennen: Wer gar so sehr auf die Keuschheit bedacht ist, ist in Gefahr, den geringsten Verstoß dagegen mit ingrimmiger Schärfe zu behandeln und über die größte Lieblosigkeit mit einem Lächeln hinwegzugehen. Umgekehrt, wer seine bösen Reden mit Stumpf und Stiel vernichten will, zerquält sich vielleicht, wenn ihm ein unfreundliches Wörtlein entschlüpft ist, und vergisst darüber eine grobe Verfehlung gegen die Keuschheit. Und so ist es auch bei anderen Dingen. Der Grund von alldem liegt einfach darin, dass nicht Vernunft das Zepter führt, sondern Leidenschaft.
Wie der Vater bei seinen Kindern mehr durch herzlichen Zuspruch als durch Ausfälle des Zornes erreicht, so ist es auch mit der Behandlung unseres Herzens. Wenn wir einen Fehler begangen haben und machen uns einen sanften, gerechten Vorwurf, indem wir menschlich mit unserer Schwäche rechnen und uns zur Besserung mehr ermutigen als mit Ingrimm hetzen, so wird ein solches Bedauern und solche Reue viel tiefer ins Herz dringen, als es durch heftige Bitterkeit geschehen könnte.
Gesetzt den Fall, ich habe mir vorgenommen, gegen die Regungen der Eitelkeit auf der Hut zu sein, und ich bin nun doch in einen Fehler dagegen gefallen. Nun werde ich nicht mit mir schelten: "Du elender, gemeiner Mensch, jetzt hast du nicht einmal einen so festen Vorsatz gehalten! Oh, dass du vergingest vor Scham und nicht mehr zum Himmel aufblicktest, du Schuft, du Verräter an deinem Gott!" - Ich werde vielmehr mit teilnehmender Einsicht und mit Verstehen sagen: "Nun schau, du armes Herz, nun sind wir wieder gestrauchelt und wollten uns doch so schön in acht nehmen! Aber jetzt soll es mit uns besser werden: wir wollen gleich wieder aufstehen und zum barmherzigen Gott unsere Zuflucht nehmen! Er wird uns helfen, dass wir den Mut nicht sinken lassen und trotz allem vorankommen" - und danach werde ich mich im guten Wollen bestärken und überlegen, wie der Fehler zu überwinden ist.
So meine ich, sollst du es machen, Philothea. Bist du in einen Fehler gefallen, so richte dein Herz mit freundlichem Zuspruch auf, verdemütige dich vor Gott in der Erkenntnis deiner Schwäche und deines Elends und sei nicht verwundert, dass du nicht ohne Fehler bist! Es ist doch schließlich kein Wunder, dass die Schwachheit schwach und das Elend elend ist! Wohl sollst du Missfallen haben an der Beleidigung Gottes, aber mit gutem Mut und Vertrauen sollst du dich Gottes Barmherzigkeit überlassen. So geht alles viel leichter.
Die Sanftmut findet eine gute Anwendung uns selbst gegenüber. Denn wir sollen auch gegen uns selbst nicht heftig und bitter sein. Wenn es auch ganz in Ordnung ist, dass wir uns über unsere Fehler betrüben, so sollen wir doch keine Bitterkeit, keine ärgerliche, verdrießliche Stimmung darüber in uns aufkommen lassen.
Manche, die zornig wurden, entrüsten sich nachher über den Zorn; die ärgerlich waren, ärgern sich über den Ärger; die verdrießlich waren sind über ihren Verdruss verdrossen, und so kommen sie niemals zur Ruhe.
Die Empfindlichkeit gegen sich selbst hat ihren Grund letztlich in Stolz und Eigenliebe, die es nicht leiden kann, dass wir noch unvollkommene Menschen sind. Unser Missfallen an unseren Schwächen soll darum ruhig und vernünftig sein. Der Ärger über uns selbst macht uns unfähig, gegen uns selbst gerecht zu sein; wir beurteilen unsere Fehler nicht nach dem wahren Verhältnis, sondern nach unserer Leidenschaft.
Um Beispiele zu nennen: Wer gar so sehr auf die Keuschheit bedacht ist, ist in Gefahr, den geringsten Verstoß dagegen mit ingrimmiger Schärfe zu behandeln und über die größte Lieblosigkeit mit einem Lächeln hinwegzugehen. Umgekehrt, wer seine bösen Reden mit Stumpf und Stiel vernichten will, zerquält sich vielleicht, wenn ihm ein unfreundliches Wörtlein entschlüpft ist, und vergisst darüber eine grobe Verfehlung gegen die Keuschheit. Und so ist es auch bei anderen Dingen. Der Grund von alldem liegt einfach darin, dass nicht Vernunft das Zepter führt, sondern Leidenschaft.
Wie der Vater bei seinen Kindern mehr durch herzlichen Zuspruch als durch Ausfälle des Zornes erreicht, so ist es auch mit der Behandlung unseres Herzens. Wenn wir einen Fehler begangen haben und machen uns einen sanften, gerechten Vorwurf, indem wir menschlich mit unserer Schwäche rechnen und uns zur Besserung mehr ermutigen als mit Ingrimm hetzen, so wird ein solches Bedauern und solche Reue viel tiefer ins Herz dringen, als es durch heftige Bitterkeit geschehen könnte.
Gesetzt den Fall, ich habe mir vorgenommen, gegen die Regungen der Eitelkeit auf der Hut zu sein, und ich bin nun doch in einen Fehler dagegen gefallen. Nun werde ich nicht mit mir schelten: "Du elender, gemeiner Mensch, jetzt hast du nicht einmal einen so festen Vorsatz gehalten! Oh, dass du vergingest vor Scham und nicht mehr zum Himmel aufblicktest, du Schuft, du Verräter an deinem Gott!" - Ich werde vielmehr mit teilnehmender Einsicht und mit Verstehen sagen: "Nun schau, du armes Herz, nun sind wir wieder gestrauchelt und wollten uns doch so schön in acht nehmen! Aber jetzt soll es mit uns besser werden: wir wollen gleich wieder aufstehen und zum barmherzigen Gott unsere Zuflucht nehmen! Er wird uns helfen, dass wir den Mut nicht sinken lassen und trotz allem vorankommen" - und danach werde ich mich im guten Wollen bestärken und überlegen, wie der Fehler zu überwinden ist.
So meine ich, sollst du es machen, Philothea. Bist du in einen Fehler gefallen, so richte dein Herz mit freundlichem Zuspruch auf, verdemütige dich vor Gott in der Erkenntnis deiner Schwäche und deines Elends und sei nicht verwundert, dass du nicht ohne Fehler bist! Es ist doch schließlich kein Wunder, dass die Schwachheit schwach und das Elend elend ist! Wohl sollst du Missfallen haben an der Beleidigung Gottes, aber mit gutem Mut und Vertrauen sollst du dich Gottes Barmherzigkeit überlassen. So geht alles viel leichter.
ElsaLaska - 15. Mär, 08:29