Koptischer Weihnachtsgottesdienst in Stuttgart
vom 6. Januar 2011.
Jutta Wettstein, eine engaierte Katholikin, war zum ersten Mal bei einer koptischen Gemeinde zu Gast und schildert ihre Eindrücke:
>>Wir trafen eine halbe Stunde vor Beginn des Gottesdienstes in der koptischen St. Georg-Kirche in Stuttgart-Degerloch ein. Drei freundliche, schwarzhaarige Männer begrüßten meine Freundin, ihren Mann und ich mich und boten uns einen Platz in den vorderen Reihen an, die für Gäste reserviert waren. Pater Ghali befand sich im Gespräch mit einer Journalistin, das Fernsehen war ebenfalls mit einem Team hier.
Diakon Mekhaiel setzte sich zu uns und erklärte, dass der Gottesdienst in zwei Teilen aufgeteilt sei, eine Art „Vorgottesdienst“ und dann folgt der Hauptteil. Die Texte würden an die Wand projiziert, in arabischer und deutscher Sprache, damit wir sie verstehen. Er reichte uns Bücher, die die Liturgie enthielten, von ihm selbst zusammengestellt in koptischer, arabischer und deutscher Sprache. Der Gottesdienst würde ca. drei Stunden gehen, auf die Festlichkeiten im Anschluss habe man dieses Jahr verzichtet.
Ich betrachtete den schlichten Raum. Er teilte sich in drei Teile: Den Altarraum, dann den größten Teil, in dem die Kirchenbänke standen und den hinteren Teil, verglast mit einer Wand, indem sich die Frauen mit den Kindern aufhalten und spielen konnten, falls sie unruhig würden.
Die verzierte Holzwand des Altarraumes, rechts und links mit jeweils einer Tür versehen, war geschmückt mit Ikonenmalereien. In der Mitte oberhalb des Altares, der sich noch hinter einem Vorhang befand, war ein großes Kreuz, daneben Maria und der Apostel Johannes. Darunter ein Bild, dass das Abendmahl darstellte, 11 Apostel hatten Jesus Christus in ihrer Mitte, nur Judas stand am Rande, als kleine, dunkle Gestalt mit dem Rücken zu den anderen.
Die Bänke waren aus stabilem Holz und hatten keine Kniebänke, wie bei uns in der katholischen Kirche üblich. Später sah ich, dass sich die Gläubigen statt einer Kniebeuge verneigten bis ihre Stirn die Vorderbank berührte oder man setzte sich und beugte sich in demütiger Haltung vor.
Pater Johannes Ghali zog mit seinen Diakonen ein. Er war blass, in sich gekehrt und sichtlich von den schrecklichen Ereignissen gezeichnet. Die Augen waren dunkel und ernst. Mich beeindruckte seine demütige Haltung mit der er vor den Altar trat, mit dem Rücken zur Gemeinde.
Der Altar wurde feierlich mit Weihrauch gesegnet, temperamentvoll wirbelte er das Gefäß vielfach herum. Die Diakone und Patres begleiteten mit ihrem - für uns ungewohnten - arabischen Gesang die Liturgie, ein melodiöses Auf und Ab, in Schleifen gesungen, wobei die Texte häufig auch in deutscher Sprache gesungen wurden.
Im Raum war eine große Demut und Andacht, jedoch keine Starrheit oder unnötige Spannung. Frauen tragen mit ihren Kindern später ein, gingen auch wieder, wenn die Kleinen zu unruhig wurden. Alles erfolgte in Ruhe und ohne irgendwie störend zu sein. Die Kinder in den Bänken beschäftigten sich mit kleinen Spielen, lächelten sich untereinander an und wagten auch kleine Klettertouren und immer mit strahlenden Gesichtchen.
Der Ablauf des Gottesdienstes ähnelte dem der katholischen Kirche: Wortgottes- und Eucharistierfeier. Mit Beginn der Eucharistiefeier kleideten sich die Geistlichen in ihre schönen liturgischen Gewänder, weiße Alben mit einer z.T. auf dem Rücken gekreuzten, roten Stola. Pater Ghali trug über seinen verhüllten Haaren die Mitra. Beim Einzug wurde feierlich das Brot zur Segnung hereingebracht. Sehr sympathisch war, dass auch ein kleiner Junge in die Liturgie eingebunden wurde, der gut vorbereitet, laut und deutlich seine Worte sprach.
Alles verlief viel schneller als bei uns. Als der Friedensgruß folgte, verneigten sich die Menschen mit wie zum Gebet geschlossen Händen, mit denen sie die der Nachbarn umfassten.
Dann folgte die Predigt von Pater Johannes. Er sprach arabisch.
Zum Schluss trat eine Frau vor, die nun in sehr gutem Deutsch übersetzte:
Sie erzählte von den Anschlägen und dem Leid, das den Familie in Ägypten wiederfahren war und von ihrer großen Trauer, sehr oft fehlten die Worte dafür. Wir sahen die Kinder, Toten, Verletzten vor Augen. Sie berichtete von weiteren Anschlagsversuchen, u.a. auch in Oberägypten, die noch vereitelt wurden. Ich sah Tränen in den Augen meiner Freundin neben mir und meine ließen sich auch längst nicht mehr zurückhalten. Pater Ghali hustet mehrfach, die seelische Erschütterung konnte er mit viel Mühe beherrschen. Dennoch wollten die äyptischen Christen nicht aufgeben, nicht ihr Land verlassen: Wir sind Kinder der Märtyrer, gerade jetzt verankern wir uns noch fester in unserem Glauben und gewinnen neuen Halt, ein neues Fundament in Jesus Christus.
Pater Ghali dankte den Gästen sehr für ihr Kommen. Diese Geste hätte ihnen allen geholfen und sie sehr berührt, zeigte sie ihnen auch, dass wir selbst das Risiko auf uns genommen hätten, mit ihnen zu sterben. Das wäre Freundschaft.
Es folgte die Segnung des Brotes. Die Frauen bedeckten ihre Haare mit Spitzenschleiern oder einem Tuch. Die Gemeinde empfing die Hl. Kommunion. Da wir nicht wußten, ob wir ebenfalls teilnehmen dürfen, verzichteten wir darauf. Ohne ausdrückliche Erlaubnis und Rückfrage beim Priester der Gemeinde, kam dies nicht in Frage. Die Ehrfurcht und Würde, die dieses geheimnisvolle Geschehen umgibt, wollten wir nicht leichtfertig und in Unkenntnis stören.
Nach Abschluss des Gottesdienstes las der Dekan für die katholischen und evangelischen Kirchengemeinden von Stuttgart einen Brief vor, der ihrer aller Solidarität versicherte.
Pater Ghali schenkte uns zum Abschied ein Brot. Dann trafen wir Frau Ghali, mit der wir uns noch lange unterhielten. Ich überreichte ihr das Buch „Licht der Welt“. Sie versicherte: „Gut, dass Papst Benedikt gleich nach den Anschlägen das Wort ergriffen hat! Das hätte den koptischen Christen sehr geholfen.“
Die sichtbare Freude und Hoffnung, die in den ernsten Gesichtern unserer Gastgeber aufleuchtete, war das schönste Geschenk, das ich in diesem Jahr zum Weihnachtsfest erhielt.<<
Danke, Jutta, für den Beitrag.
Jutta Wettstein, eine engaierte Katholikin, war zum ersten Mal bei einer koptischen Gemeinde zu Gast und schildert ihre Eindrücke:
>>Wir trafen eine halbe Stunde vor Beginn des Gottesdienstes in der koptischen St. Georg-Kirche in Stuttgart-Degerloch ein. Drei freundliche, schwarzhaarige Männer begrüßten meine Freundin, ihren Mann und ich mich und boten uns einen Platz in den vorderen Reihen an, die für Gäste reserviert waren. Pater Ghali befand sich im Gespräch mit einer Journalistin, das Fernsehen war ebenfalls mit einem Team hier.
Diakon Mekhaiel setzte sich zu uns und erklärte, dass der Gottesdienst in zwei Teilen aufgeteilt sei, eine Art „Vorgottesdienst“ und dann folgt der Hauptteil. Die Texte würden an die Wand projiziert, in arabischer und deutscher Sprache, damit wir sie verstehen. Er reichte uns Bücher, die die Liturgie enthielten, von ihm selbst zusammengestellt in koptischer, arabischer und deutscher Sprache. Der Gottesdienst würde ca. drei Stunden gehen, auf die Festlichkeiten im Anschluss habe man dieses Jahr verzichtet.
Ich betrachtete den schlichten Raum. Er teilte sich in drei Teile: Den Altarraum, dann den größten Teil, in dem die Kirchenbänke standen und den hinteren Teil, verglast mit einer Wand, indem sich die Frauen mit den Kindern aufhalten und spielen konnten, falls sie unruhig würden.
Die verzierte Holzwand des Altarraumes, rechts und links mit jeweils einer Tür versehen, war geschmückt mit Ikonenmalereien. In der Mitte oberhalb des Altares, der sich noch hinter einem Vorhang befand, war ein großes Kreuz, daneben Maria und der Apostel Johannes. Darunter ein Bild, dass das Abendmahl darstellte, 11 Apostel hatten Jesus Christus in ihrer Mitte, nur Judas stand am Rande, als kleine, dunkle Gestalt mit dem Rücken zu den anderen.
Die Bänke waren aus stabilem Holz und hatten keine Kniebänke, wie bei uns in der katholischen Kirche üblich. Später sah ich, dass sich die Gläubigen statt einer Kniebeuge verneigten bis ihre Stirn die Vorderbank berührte oder man setzte sich und beugte sich in demütiger Haltung vor.
Pater Johannes Ghali zog mit seinen Diakonen ein. Er war blass, in sich gekehrt und sichtlich von den schrecklichen Ereignissen gezeichnet. Die Augen waren dunkel und ernst. Mich beeindruckte seine demütige Haltung mit der er vor den Altar trat, mit dem Rücken zur Gemeinde.
Der Altar wurde feierlich mit Weihrauch gesegnet, temperamentvoll wirbelte er das Gefäß vielfach herum. Die Diakone und Patres begleiteten mit ihrem - für uns ungewohnten - arabischen Gesang die Liturgie, ein melodiöses Auf und Ab, in Schleifen gesungen, wobei die Texte häufig auch in deutscher Sprache gesungen wurden.
Im Raum war eine große Demut und Andacht, jedoch keine Starrheit oder unnötige Spannung. Frauen tragen mit ihren Kindern später ein, gingen auch wieder, wenn die Kleinen zu unruhig wurden. Alles erfolgte in Ruhe und ohne irgendwie störend zu sein. Die Kinder in den Bänken beschäftigten sich mit kleinen Spielen, lächelten sich untereinander an und wagten auch kleine Klettertouren und immer mit strahlenden Gesichtchen.
Der Ablauf des Gottesdienstes ähnelte dem der katholischen Kirche: Wortgottes- und Eucharistierfeier. Mit Beginn der Eucharistiefeier kleideten sich die Geistlichen in ihre schönen liturgischen Gewänder, weiße Alben mit einer z.T. auf dem Rücken gekreuzten, roten Stola. Pater Ghali trug über seinen verhüllten Haaren die Mitra. Beim Einzug wurde feierlich das Brot zur Segnung hereingebracht. Sehr sympathisch war, dass auch ein kleiner Junge in die Liturgie eingebunden wurde, der gut vorbereitet, laut und deutlich seine Worte sprach.
Alles verlief viel schneller als bei uns. Als der Friedensgruß folgte, verneigten sich die Menschen mit wie zum Gebet geschlossen Händen, mit denen sie die der Nachbarn umfassten.
Dann folgte die Predigt von Pater Johannes. Er sprach arabisch.
Zum Schluss trat eine Frau vor, die nun in sehr gutem Deutsch übersetzte:
Sie erzählte von den Anschlägen und dem Leid, das den Familie in Ägypten wiederfahren war und von ihrer großen Trauer, sehr oft fehlten die Worte dafür. Wir sahen die Kinder, Toten, Verletzten vor Augen. Sie berichtete von weiteren Anschlagsversuchen, u.a. auch in Oberägypten, die noch vereitelt wurden. Ich sah Tränen in den Augen meiner Freundin neben mir und meine ließen sich auch längst nicht mehr zurückhalten. Pater Ghali hustet mehrfach, die seelische Erschütterung konnte er mit viel Mühe beherrschen. Dennoch wollten die äyptischen Christen nicht aufgeben, nicht ihr Land verlassen: Wir sind Kinder der Märtyrer, gerade jetzt verankern wir uns noch fester in unserem Glauben und gewinnen neuen Halt, ein neues Fundament in Jesus Christus.
Pater Ghali dankte den Gästen sehr für ihr Kommen. Diese Geste hätte ihnen allen geholfen und sie sehr berührt, zeigte sie ihnen auch, dass wir selbst das Risiko auf uns genommen hätten, mit ihnen zu sterben. Das wäre Freundschaft.
Es folgte die Segnung des Brotes. Die Frauen bedeckten ihre Haare mit Spitzenschleiern oder einem Tuch. Die Gemeinde empfing die Hl. Kommunion. Da wir nicht wußten, ob wir ebenfalls teilnehmen dürfen, verzichteten wir darauf. Ohne ausdrückliche Erlaubnis und Rückfrage beim Priester der Gemeinde, kam dies nicht in Frage. Die Ehrfurcht und Würde, die dieses geheimnisvolle Geschehen umgibt, wollten wir nicht leichtfertig und in Unkenntnis stören.
Nach Abschluss des Gottesdienstes las der Dekan für die katholischen und evangelischen Kirchengemeinden von Stuttgart einen Brief vor, der ihrer aller Solidarität versicherte.
Pater Ghali schenkte uns zum Abschied ein Brot. Dann trafen wir Frau Ghali, mit der wir uns noch lange unterhielten. Ich überreichte ihr das Buch „Licht der Welt“. Sie versicherte: „Gut, dass Papst Benedikt gleich nach den Anschlägen das Wort ergriffen hat! Das hätte den koptischen Christen sehr geholfen.“
Die sichtbare Freude und Hoffnung, die in den ernsten Gesichtern unserer Gastgeber aufleuchtete, war das schönste Geschenk, das ich in diesem Jahr zum Weihnachtsfest erhielt.<<
Danke, Jutta, für den Beitrag.
ElsaLaska - 9. Jan, 12:22
Schön!