Sonntag
Gegen 16 Uhr hatte ich ein Treffen mit dem stellvertretenden Leiter der Pinakothek im Palazzo Ducale in Urbino ausgemacht. Ich brauchte über eine Stunde, schaffte es aber, pünktlich im Café vorm Dom zu sein. Das Wetter war milder geworden und wir nahmen an einem Tisch draußen in der Sonne Platz. Dottore Silvio Pasolini, ein hedonistischer Bud Spencer-Typ in der blonden, oder vielmehr ergrauten Ausführung, schüttelte mir herzhaft die Hand, bestellte für mich Vin Santo und für sich einen Stravecchio.
"Es freut mich, dass Sie es möglich machen konnten, Dottore. Ich recherchiere gerade über italienische Renaissance, und da sind bei mir ein paar Fragen aufgetaucht."
"Ich will Ihnen helfen, so gut ich kann", beteuerte er liebenswürdig und bereitete umständlich eine Zigarre vor.
"Es gibt da das hartnäckige Gerücht, dass Michelangelo Buonarotti für die lebensnahe Gestaltung seiner Kreuzigung einen Mann real ans Kreuz schlagen ließ, um die Todesqualen genauer darstellen zu können", begann ich zögernd. Pasolini nahm schmatzend einen Schluck Stravecchio und zündete sich die Zigarre an, die zwischen seinen dicken Fingern eher wie ein Zigarillo wirkte.
"Das Gerücht ist hartnäckig, da haben Sie ganz Recht. Ich persönlich halte es zwar eher für eine Metapher, die Michelangelos Hingabe an sein Werk transportieren soll, einen Mythos, aber nicht alle Fachleute sind da mit mir einer Meinung." Eine dänische Touristengruppe schwärmte fröhlich lärmend über den Domplatz, vorneweg marschierte eine Führerin mit einem hoch gehaltenen Olivenzweig, statt eines Schirms.
"Sagt Ihnen der Begriff `Snuff' etwas, Dottore?"
"Sie meinen diese Spielfilme, in denen vor laufender Kamera Menschen getötet werden? Man hat noch nicht ein Exemplar davon nachweisen können."
"Es ist dasselbe Prinzip, nicht wahr?" Ich tunkte einen Cantucci in den sattgelben Wein und knabberte daran. Er nickte.
"Ich verstehe den Zusammenhang, den Sie andeuten wollen, den gewaltsamen Tod eines Menschen inszenieren, um Kunst zu schaffen, wenn wir dabei auch von einem sehr weit gefassten Kunstbegriff ausgehen." Er verzog das Gesicht bei dem Gedanken, dass er in seine theoretischen Überlegungen Snuff-Filme unter Kunst einreihen musste.
"Essato! Ich versuche mehr darüber herauszufinden, zwischen Michelangelo Buonarotti und Snuff-Filmen klafft ein Zeitraum von mehreren hundert Jahren."
"Und dieser Zeitraum ist zu groß, als dass der eine oder andere berühmte Künstler es nicht noch einmal hätte versuchen wollen." Er nickte mir zu. Dann legte er seine fleischige Hand an die Stirn und dachte einen Moment lang nach. Ich arbeitete mich durch das nächste Cantucci hindurch, die steinharten Dinger waren wirklich nur in Vino Santo getunkt genießbar. Pasolini erwachte wie aus einer Trance und ließ sich noch einen cafè bringen.
"Sie brauchen einen Kunstexperten für die Darstellung des menschlichen Körpers im Zustand der Qual und des Todes!"
"Das wäre hilfreich!", rief ich erfreut, weil ich seinem Tonfall anmerkte, dass ihm einer eingefallen war, den er mir empfehlen konnte. Pasolini lachte herzlich über meine Begeisterung.
"Kommen Sie mit, kommen Sie, wir brauchen nicht bezahlen, ich lasse hier immer anschreiben. Wir gehen in mein Büro, ich gebe Ihnen Adresse und Telefonnummer des allerbesten Mannes, den ich dafür kenne. Und ich meine damit weltweit."
Ich eilte ihm durch den Eingang des Palazzo Ducale hinterher, hielt kurz den Atem an, als ich den prächtigen Innenhof betrat und folgte ihm dann in sein erstaunlich nüchtern eingerichtetes Büro.
"Wo hab ich sie, momento ...", er flippte seine Visitenkartensammlung durch und wurde fündig. "Hier, das ist er, nehmen Sie die Karte, ich habe ein paar davon. Er heißt Lorenzo Emilio Farnese, eine Koryphäe." Er drückte mir eifrig eine edel gestaltete Karte in die Hand.
"Aber das ist doch-" Ich konnte es nicht glauben. "Eine Adresse im Vatikan!" Ein Geistlicher?
"Ma certo", lachte Pasolini grunzend, "das sind die international besten Experten auf dem Gebiet von Folter und Mord, denken Sie nur an die Heilige Inquisition!" Sein ganzer Körper bebte vor Vergnügen. Er japste, bis ihm die Tränen in die Augen traten. Schließlich klopfte er mir auf die Schulter.
"Ich habe nur einen kleinen Scherz gemacht, bitte entschuldigen Sie. Monsignore Farnese ist im Moment bei uns in der Provinz, Sie müssen nicht extra nach Rom fahren, er hat ganz in der Nähe sein Landhaus. Ich schreibe Ihnen die Telefonnummer auf die Rückseite. Noch besser, ich rufe ihn gleich an, dass Sie in zehn Minuten vorbeikommen, d'accordo?"
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"Es freut mich, dass Sie es möglich machen konnten, Dottore. Ich recherchiere gerade über italienische Renaissance, und da sind bei mir ein paar Fragen aufgetaucht."
"Ich will Ihnen helfen, so gut ich kann", beteuerte er liebenswürdig und bereitete umständlich eine Zigarre vor.
"Es gibt da das hartnäckige Gerücht, dass Michelangelo Buonarotti für die lebensnahe Gestaltung seiner Kreuzigung einen Mann real ans Kreuz schlagen ließ, um die Todesqualen genauer darstellen zu können", begann ich zögernd. Pasolini nahm schmatzend einen Schluck Stravecchio und zündete sich die Zigarre an, die zwischen seinen dicken Fingern eher wie ein Zigarillo wirkte.
"Das Gerücht ist hartnäckig, da haben Sie ganz Recht. Ich persönlich halte es zwar eher für eine Metapher, die Michelangelos Hingabe an sein Werk transportieren soll, einen Mythos, aber nicht alle Fachleute sind da mit mir einer Meinung." Eine dänische Touristengruppe schwärmte fröhlich lärmend über den Domplatz, vorneweg marschierte eine Führerin mit einem hoch gehaltenen Olivenzweig, statt eines Schirms.
"Sagt Ihnen der Begriff `Snuff' etwas, Dottore?"
"Sie meinen diese Spielfilme, in denen vor laufender Kamera Menschen getötet werden? Man hat noch nicht ein Exemplar davon nachweisen können."
"Es ist dasselbe Prinzip, nicht wahr?" Ich tunkte einen Cantucci in den sattgelben Wein und knabberte daran. Er nickte.
"Ich verstehe den Zusammenhang, den Sie andeuten wollen, den gewaltsamen Tod eines Menschen inszenieren, um Kunst zu schaffen, wenn wir dabei auch von einem sehr weit gefassten Kunstbegriff ausgehen." Er verzog das Gesicht bei dem Gedanken, dass er in seine theoretischen Überlegungen Snuff-Filme unter Kunst einreihen musste.
"Essato! Ich versuche mehr darüber herauszufinden, zwischen Michelangelo Buonarotti und Snuff-Filmen klafft ein Zeitraum von mehreren hundert Jahren."
"Und dieser Zeitraum ist zu groß, als dass der eine oder andere berühmte Künstler es nicht noch einmal hätte versuchen wollen." Er nickte mir zu. Dann legte er seine fleischige Hand an die Stirn und dachte einen Moment lang nach. Ich arbeitete mich durch das nächste Cantucci hindurch, die steinharten Dinger waren wirklich nur in Vino Santo getunkt genießbar. Pasolini erwachte wie aus einer Trance und ließ sich noch einen cafè bringen.
"Sie brauchen einen Kunstexperten für die Darstellung des menschlichen Körpers im Zustand der Qual und des Todes!"
"Das wäre hilfreich!", rief ich erfreut, weil ich seinem Tonfall anmerkte, dass ihm einer eingefallen war, den er mir empfehlen konnte. Pasolini lachte herzlich über meine Begeisterung.
"Kommen Sie mit, kommen Sie, wir brauchen nicht bezahlen, ich lasse hier immer anschreiben. Wir gehen in mein Büro, ich gebe Ihnen Adresse und Telefonnummer des allerbesten Mannes, den ich dafür kenne. Und ich meine damit weltweit."
Ich eilte ihm durch den Eingang des Palazzo Ducale hinterher, hielt kurz den Atem an, als ich den prächtigen Innenhof betrat und folgte ihm dann in sein erstaunlich nüchtern eingerichtetes Büro.
"Wo hab ich sie, momento ...", er flippte seine Visitenkartensammlung durch und wurde fündig. "Hier, das ist er, nehmen Sie die Karte, ich habe ein paar davon. Er heißt Lorenzo Emilio Farnese, eine Koryphäe." Er drückte mir eifrig eine edel gestaltete Karte in die Hand.
"Aber das ist doch-" Ich konnte es nicht glauben. "Eine Adresse im Vatikan!" Ein Geistlicher?
"Ma certo", lachte Pasolini grunzend, "das sind die international besten Experten auf dem Gebiet von Folter und Mord, denken Sie nur an die Heilige Inquisition!" Sein ganzer Körper bebte vor Vergnügen. Er japste, bis ihm die Tränen in die Augen traten. Schließlich klopfte er mir auf die Schulter.
"Ich habe nur einen kleinen Scherz gemacht, bitte entschuldigen Sie. Monsignore Farnese ist im Moment bei uns in der Provinz, Sie müssen nicht extra nach Rom fahren, er hat ganz in der Nähe sein Landhaus. Ich schreibe Ihnen die Telefonnummer auf die Rückseite. Noch besser, ich rufe ihn gleich an, dass Sie in zehn Minuten vorbeikommen, d'accordo?"
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ElsaLaska - 5. Feb, 23:22