Dienstag (I)
Monsignore Lorenzo Farnese goss den frisch aufgebrühten Kaffee in zwei winzige Tassen und stellte die Zuckerdose auf den Tisch.
"Sie tragen einen großen Namen", sinnierte ich.
"Die Farnese haben wirklich überall mitgemischt." Er löffelte sich drei Stück Zucker in den Kaffee und rührte nachlässig um. "Irgendwann haben sie noch in die Medici eingeheiratet, seither können Sie die meisten Farnese-Männer an der ausgeprägten Nase erkennen. Ich verstehe nicht, wie sich sowas fünfhundert Jahre lang halten kann", sagte er kopfschüttelnd, zeigte mir sein Profil und deutete mit verzweifelter Miene auf seine scharf geschnittene, aber durchaus nicht unschöne Nase. "Jedenfalls stamme ich nur aus einem unbedeutenden Seitenzweig der Linie, verarmt, aber redlich. Mein Großonkel macht Wein, sehr guten sogar. Aber Sie sind sicher nicht hergekommen, um sich anzuhören, dass mir meine Nase nicht gefällt und mir der Wein meines Großonkels schmeckt."
In der Tat hätte ich ihm noch stundenlang zuhören können. In der Küche mit dem ochsenblutfarbenen Steinbelag, dem flackernden Feuer im Kamin und den blankgescheuerten Kupferpfannen über dem riesigen Herd war es behaglich. Draußen war der Nebel dichter geworden und die Laternen im Hof warfen milchiggelbe Kreise auf den Kies. Ich räusperte mich. "Es ist, naja, eine längere Geschichte ..."
"Ich habe nichts mehr vor heute Abend. Die Kamineinfassung, an der ich arbeite, kann warten. Außerdem wollte ich mir sowieso gerade etwas zu essen machen. Sie haben bestimmt auch Hunger." Also erzählte ich ihm meine Geschichte, allerdings unter Auslassung des mysteriösen Bildkaufs und der Sache mit der anonymen Email, die mich erst auf die Spur gebracht hatte.
Lorenzo Farnese stand derweil am Herd, röstete einige Weißbrotscheiben und beträufelte sie mit Olivenöl. Nachdem er sie mit einer halbierten Knoblauchzehe eingerieben hatte, belegte er sie mit Tomatenstückchen, Mozarella und frischem Basilikum. Er schenkte uns zwei Gläser Rotwein ein und stellte den Teller mit den bruschette zwischen uns, zusammen mit der Ölflasche und einer Salz- und Pfeffermühle. Die ganze Zeit schwieg er und hörte aufmerksam zu, bis ich geendet hatte.
"Sie stellen da ein paar interessante Zusammenhänge her", bemerkte er anerkennend und biß herzhaft in seine bruschetta. Mit einer wedelnden Handbewegung forderte er mich auf, zuzugreifen. Die bruschette waren die besten meines Lebens.
"Und der Hinweis auf diesen Mythos um Michelangelo ist tatsächlich in einem Drama von Puschkin zu finden?", fragte er kauend. Ich nickte. Wir ließen die Gläser klingen. "Das ist toll! Das wusste ich wirklich nicht. Wie schmeckt Ihnen der Wein? Sie können offen sprechen, es ist kein Farnese-Wein", grinste er.
"Sehr gut, ein kräftiger, aromatischer Landwein wie er sein soll. Sangiovese, und was noch?"
"Merlot-Traube." Er schenkte großzügig nach und legte dann die Hände vor der Brust aneinander. "Glauben Sie wirklich, dass ein solches Genie wie Michelangelo Buonarotti es nötig hatte, von einer menschlichen Vorlage abzumalen?"
"Leonardo da Vinci hat trotz seines Genies Leichen seziert, um den menschlichen Körper so genau wie möglich abbilden zu können!", hielt ich dagegen. In seine dunklen Augen trat ein vergnügtes Funkeln. Und in genau dieser Sekunde durchfuhr mich der Gedanke: Mach, dass du hier wegkommst. Verabschiede dich auf der Stelle und vergiss, dass du jemals hier gewesen bist. Es war die intellektuelle Reaktion auf ein aufsteigendes Gefühl. Ein Gefühl, als ob mir ein zutrauliches Tier seinen schweren warmen Kopf auf die Bauchdecke legte, träge und wie unabsichtlich. Ich richtete mich unwillkürlich kerzengerade auf. Lorenzo bemerkte nichts davon.
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"Sie tragen einen großen Namen", sinnierte ich.
"Die Farnese haben wirklich überall mitgemischt." Er löffelte sich drei Stück Zucker in den Kaffee und rührte nachlässig um. "Irgendwann haben sie noch in die Medici eingeheiratet, seither können Sie die meisten Farnese-Männer an der ausgeprägten Nase erkennen. Ich verstehe nicht, wie sich sowas fünfhundert Jahre lang halten kann", sagte er kopfschüttelnd, zeigte mir sein Profil und deutete mit verzweifelter Miene auf seine scharf geschnittene, aber durchaus nicht unschöne Nase. "Jedenfalls stamme ich nur aus einem unbedeutenden Seitenzweig der Linie, verarmt, aber redlich. Mein Großonkel macht Wein, sehr guten sogar. Aber Sie sind sicher nicht hergekommen, um sich anzuhören, dass mir meine Nase nicht gefällt und mir der Wein meines Großonkels schmeckt."
In der Tat hätte ich ihm noch stundenlang zuhören können. In der Küche mit dem ochsenblutfarbenen Steinbelag, dem flackernden Feuer im Kamin und den blankgescheuerten Kupferpfannen über dem riesigen Herd war es behaglich. Draußen war der Nebel dichter geworden und die Laternen im Hof warfen milchiggelbe Kreise auf den Kies. Ich räusperte mich. "Es ist, naja, eine längere Geschichte ..."
"Ich habe nichts mehr vor heute Abend. Die Kamineinfassung, an der ich arbeite, kann warten. Außerdem wollte ich mir sowieso gerade etwas zu essen machen. Sie haben bestimmt auch Hunger." Also erzählte ich ihm meine Geschichte, allerdings unter Auslassung des mysteriösen Bildkaufs und der Sache mit der anonymen Email, die mich erst auf die Spur gebracht hatte.
Lorenzo Farnese stand derweil am Herd, röstete einige Weißbrotscheiben und beträufelte sie mit Olivenöl. Nachdem er sie mit einer halbierten Knoblauchzehe eingerieben hatte, belegte er sie mit Tomatenstückchen, Mozarella und frischem Basilikum. Er schenkte uns zwei Gläser Rotwein ein und stellte den Teller mit den bruschette zwischen uns, zusammen mit der Ölflasche und einer Salz- und Pfeffermühle. Die ganze Zeit schwieg er und hörte aufmerksam zu, bis ich geendet hatte.
"Sie stellen da ein paar interessante Zusammenhänge her", bemerkte er anerkennend und biß herzhaft in seine bruschetta. Mit einer wedelnden Handbewegung forderte er mich auf, zuzugreifen. Die bruschette waren die besten meines Lebens.
"Und der Hinweis auf diesen Mythos um Michelangelo ist tatsächlich in einem Drama von Puschkin zu finden?", fragte er kauend. Ich nickte. Wir ließen die Gläser klingen. "Das ist toll! Das wusste ich wirklich nicht. Wie schmeckt Ihnen der Wein? Sie können offen sprechen, es ist kein Farnese-Wein", grinste er.
"Sehr gut, ein kräftiger, aromatischer Landwein wie er sein soll. Sangiovese, und was noch?"
"Merlot-Traube." Er schenkte großzügig nach und legte dann die Hände vor der Brust aneinander. "Glauben Sie wirklich, dass ein solches Genie wie Michelangelo Buonarotti es nötig hatte, von einer menschlichen Vorlage abzumalen?"
"Leonardo da Vinci hat trotz seines Genies Leichen seziert, um den menschlichen Körper so genau wie möglich abbilden zu können!", hielt ich dagegen. In seine dunklen Augen trat ein vergnügtes Funkeln. Und in genau dieser Sekunde durchfuhr mich der Gedanke: Mach, dass du hier wegkommst. Verabschiede dich auf der Stelle und vergiss, dass du jemals hier gewesen bist. Es war die intellektuelle Reaktion auf ein aufsteigendes Gefühl. Ein Gefühl, als ob mir ein zutrauliches Tier seinen schweren warmen Kopf auf die Bauchdecke legte, träge und wie unabsichtlich. Ich richtete mich unwillkürlich kerzengerade auf. Lorenzo bemerkte nichts davon.
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ElsaLaska - 7. Feb, 00:10