Dienstag (II)
"Leonardo da Vinci hat den Körper studiert, nicht die Qual und das Martyrium, Ihr Einwand greift also nicht." Er nahm noch einen Schluck Wein.
"Sie streiten also ab, dass im Namen der Kunst möglicherweise, ich sage möglicherweise, Folter und Mord stattgefunden haben?"
"Ich bin der advocatus diaboli, wenn Sie wollen." Er musste lachen.
"Mehr als das. Sie sind der Kunstexperte. Pasolini hat Sie mir empfohlen. Ihr Wort hat also Gewicht", erinnerte ich ihn.
"Sagen wir, ich bin der Auffassung, dass ein wirklich begabter Künstler es nie nötig hätte, zu solch drastischen Mitteln zu greifen."
"Das hört sich sehr rational an. Für einen katholischen Kleriker." Es klang barscher, als ich beabsichtigt hatte.
Er stand abrupt auf, um Holz nachzulegen. Das Feuer loderte mit frischer Kraft empor. Lorenzo stellte mit ernstem Gesicht eine Auswahl Käse auf den Tisch und griff nach einer Birne, um sie für mich zu schälen. Etwas hatte sich verändert.
Er setzte neu an: "Bevor die Darstellung von körperlicher Qual und Folter profaniert wurde, benutzte man sie, um religiöse Inhalte zu transportieren - die Passion Christi, das Martyrium heiligmäßiger Männer und Frauen, die Vorbildcharakter hatten. Sie kennen sicherlich die anregenden Geschichten von Frauen wie der Heiligen Agatha, der man die Brüste abgeschnitten hat oder die vom Heiligen Vincentius, der bei lebendigem Leib auf einen glühenden Rost gelegt wurde." Ich nickte und nahm lächelnd einen Birnenschnitz entgegen.
"Und jetzt vergessen Sie bitte, dass ich Geistlicher bin." Nichts lieber als das, dachte ich. "Das alles ist natürlich die schiere Pornografie. Nichts anderes. Die absolute Trennung von Körper und Geist. Pornografie negiert sowohl Geist als auch Seele, das Martyrium der Heiligen den Körper. Und beide, sagen wir, Genres, tun das bis zur Ekstase. Deshalb hat mich der Zusammenhang mit Snuff-Filmen, den Sie herstellen, so begeistert. Der mechanisch abgefilmte Tod verneint die Existenz der Seele. Der Zusammenhang ist übrigens nicht so neu. Darf ich mir eine Zigarette von Ihnen nehmen?"
Ich begann mich langsam zu fragen, was ein Mann wie er eigentlich im Vatikan verloren hatte. Lorenzo kippte lässig auf seinem Stuhl nach hinten und fuhr fort: "Die Kulturwissenschaftlerin Gabriele Sorgo hat in einer Studie die alten Heiligenlegenden als Vorläufer der Snuff-Filme bezeichnet. Was sagen Sie jetzt?"
"Dass der Käse sehr lecker ist und ich gerne noch einen Schluck Wein hätte."
Sich jetzt zu verabschieden wäre äußerst unhöflich gewesen. Redete ich mir jedenfalls ein.
<[7]
>[9]
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Quelle zu Lorenzos Ausführungen: Freitag.de "Die Narbe macht den Körper schön " von Andrea Roedig
"Sie streiten also ab, dass im Namen der Kunst möglicherweise, ich sage möglicherweise, Folter und Mord stattgefunden haben?"
"Ich bin der advocatus diaboli, wenn Sie wollen." Er musste lachen.
"Mehr als das. Sie sind der Kunstexperte. Pasolini hat Sie mir empfohlen. Ihr Wort hat also Gewicht", erinnerte ich ihn.
"Sagen wir, ich bin der Auffassung, dass ein wirklich begabter Künstler es nie nötig hätte, zu solch drastischen Mitteln zu greifen."
"Das hört sich sehr rational an. Für einen katholischen Kleriker." Es klang barscher, als ich beabsichtigt hatte.
Er stand abrupt auf, um Holz nachzulegen. Das Feuer loderte mit frischer Kraft empor. Lorenzo stellte mit ernstem Gesicht eine Auswahl Käse auf den Tisch und griff nach einer Birne, um sie für mich zu schälen. Etwas hatte sich verändert.
Er setzte neu an: "Bevor die Darstellung von körperlicher Qual und Folter profaniert wurde, benutzte man sie, um religiöse Inhalte zu transportieren - die Passion Christi, das Martyrium heiligmäßiger Männer und Frauen, die Vorbildcharakter hatten. Sie kennen sicherlich die anregenden Geschichten von Frauen wie der Heiligen Agatha, der man die Brüste abgeschnitten hat oder die vom Heiligen Vincentius, der bei lebendigem Leib auf einen glühenden Rost gelegt wurde." Ich nickte und nahm lächelnd einen Birnenschnitz entgegen.
"Und jetzt vergessen Sie bitte, dass ich Geistlicher bin." Nichts lieber als das, dachte ich. "Das alles ist natürlich die schiere Pornografie. Nichts anderes. Die absolute Trennung von Körper und Geist. Pornografie negiert sowohl Geist als auch Seele, das Martyrium der Heiligen den Körper. Und beide, sagen wir, Genres, tun das bis zur Ekstase. Deshalb hat mich der Zusammenhang mit Snuff-Filmen, den Sie herstellen, so begeistert. Der mechanisch abgefilmte Tod verneint die Existenz der Seele. Der Zusammenhang ist übrigens nicht so neu. Darf ich mir eine Zigarette von Ihnen nehmen?"
Ich begann mich langsam zu fragen, was ein Mann wie er eigentlich im Vatikan verloren hatte. Lorenzo kippte lässig auf seinem Stuhl nach hinten und fuhr fort: "Die Kulturwissenschaftlerin Gabriele Sorgo hat in einer Studie die alten Heiligenlegenden als Vorläufer der Snuff-Filme bezeichnet. Was sagen Sie jetzt?"
"Dass der Käse sehr lecker ist und ich gerne noch einen Schluck Wein hätte."
Sich jetzt zu verabschieden wäre äußerst unhöflich gewesen. Redete ich mir jedenfalls ein.
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Quelle zu Lorenzos Ausführungen: Freitag.de "Die Narbe macht den Körper schön " von Andrea Roedig
ElsaLaska - 7. Feb, 01:13
himmel, ich muss mich ablenken, bis hier endlich der nächste teil steht...