Donnerstag (I)
Die Kerzen waren so gut wie herunter gebrannt, das Wachs floss in Strömen auf die fast schwarze Tischplatte. Er hatte sich rittlings auf einen Stuhl gesetzt und sich eine Zigarette angezündet. Ich ließ mir Feuer geben.
„Haben Sie schon einmal daran gedacht, eine Trattoria aufzumachen? Schauen Sie mich nicht so an, ich meine es ernst!“
„Dottore Pasolini hat Ihnen meine Adresse gegeben. War er der einzige, der wusste, dass Sie nach Madonnina unterwegs waren?“
Ich nickte. „Signore Aurel glaubt, dass es ein Jäger war ... Bestimmt ist er Kommunist, Sie kennen sich seit Ihrer Kindheit und er besucht jede Woche brav die Messe, stimmt’s?“ Der Grappa war wirklich gut. „Ich meine natürlich, dass Signore Aurel Kommunist ist, nicht der Jäger.“
„Nein, der Jäger ist gewiss kein Kommunist“, erwiderte er zerstreut.
„Entschuldigung, was haben Sie gerade gesagt?“
Er teilte den Rest des Grappas gerecht zwischen uns auf, stellte die leere Flasche unter den Tisch und stieß mit mir an.
„Sie trinken mit einem Häretiker, passen Sie auf Ihre unsterbliche Seele auf.“
„Das ist ein sehr guter Trinkspruch, er gefällt mir. Was ist ein Häretiker?“
"haereticus est, qui se ab unitate ecclesiae separat*“, zitierte er, während er sich angelegentlich damit beschäftigte, einen See aus Wachs einzudämmen.
„Wer entscheidet darüber?“
„Das Sanctum Officium. Angehörige des Adels sind übrigens von der Folter ausgenommen. Ich hatte Glück, in diesem Fall.“
„Sie sind betrunken“, lachte ich. Er fing meinen Blick auf.
„Na ja, das waren früher die Regeln. Angehörige des Adels durften nicht gefoltert werden, wer jünger als 14 und älter als 65 war, auch nicht. Klingt doch vernünftig, eigentlich.“
„Gar nicht, aber ich möchte mich nicht mit Ihnen streiten. Ich werde jetzt meine unsterbliche Seele weiter gefährden, in dem ich ein zweites Mal mit Ihnen anstoße, diesen herrlichen Grappa leer trinke und dann einfach schlafen gehe.“ Draußen schrie ein Käuzchen.
„Wer bewacht die Wächter“, hörte ich ihn murmeln. Ich griff mir an die Stirn. Es war alles glasklar, ich brauchte nur Eins und Eins zusammen zu zählen. Leider war das in meinem Zustand nicht mehr ganz so einfach.
„Kommen Sie, ich zeige Ihnen Ihr Zimmer.“ Er führte mich die Treppe hoch, über einen langgestreckten Gang in ein Zimmer mit einem opulenten Himmelbett. Er blieb im Türrahmen stehen und vergewisserte sich, dass ich alles hatte, was ich brauchte.
„Das Sanctum Officium, die Kongregation ...“, setzte ich zögernd an und verlor dann den Faden.
„Steht in der direkten Nachfolge der Heiligen Inquisition. Seit fast 500 Jahren bis heute haben Mitglieder der Familie Farnese einen Sitz in dieser Organisation. Schlafen Sie gut“. Er zog die Tür hinter sich zu. Ich ließ mich auf das Himmelbett fallen, schlief sofort ein und wachte erst wieder auf, als mir die Sonne bereits ins Gesicht schien. Benommen richtete ich mich auf und der erste Gegenstand, der in mein Blickfeld geriet, war das vertraute Bild der Dame mit den Perlenschnüren und dem Hündchen an der Wand gegenüber.
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*"Häretiker ist, wer sich von der Einheit der Kirche abspaltet" Prospero Farinacci in " Tractatus de haeresi"
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„Haben Sie schon einmal daran gedacht, eine Trattoria aufzumachen? Schauen Sie mich nicht so an, ich meine es ernst!“
„Dottore Pasolini hat Ihnen meine Adresse gegeben. War er der einzige, der wusste, dass Sie nach Madonnina unterwegs waren?“
Ich nickte. „Signore Aurel glaubt, dass es ein Jäger war ... Bestimmt ist er Kommunist, Sie kennen sich seit Ihrer Kindheit und er besucht jede Woche brav die Messe, stimmt’s?“ Der Grappa war wirklich gut. „Ich meine natürlich, dass Signore Aurel Kommunist ist, nicht der Jäger.“
„Nein, der Jäger ist gewiss kein Kommunist“, erwiderte er zerstreut.
„Entschuldigung, was haben Sie gerade gesagt?“
Er teilte den Rest des Grappas gerecht zwischen uns auf, stellte die leere Flasche unter den Tisch und stieß mit mir an.
„Sie trinken mit einem Häretiker, passen Sie auf Ihre unsterbliche Seele auf.“
„Das ist ein sehr guter Trinkspruch, er gefällt mir. Was ist ein Häretiker?“
"haereticus est, qui se ab unitate ecclesiae separat*“, zitierte er, während er sich angelegentlich damit beschäftigte, einen See aus Wachs einzudämmen.
„Wer entscheidet darüber?“
„Das Sanctum Officium. Angehörige des Adels sind übrigens von der Folter ausgenommen. Ich hatte Glück, in diesem Fall.“
„Sie sind betrunken“, lachte ich. Er fing meinen Blick auf.
„Na ja, das waren früher die Regeln. Angehörige des Adels durften nicht gefoltert werden, wer jünger als 14 und älter als 65 war, auch nicht. Klingt doch vernünftig, eigentlich.“
„Gar nicht, aber ich möchte mich nicht mit Ihnen streiten. Ich werde jetzt meine unsterbliche Seele weiter gefährden, in dem ich ein zweites Mal mit Ihnen anstoße, diesen herrlichen Grappa leer trinke und dann einfach schlafen gehe.“ Draußen schrie ein Käuzchen.
„Wer bewacht die Wächter“, hörte ich ihn murmeln. Ich griff mir an die Stirn. Es war alles glasklar, ich brauchte nur Eins und Eins zusammen zu zählen. Leider war das in meinem Zustand nicht mehr ganz so einfach.
„Kommen Sie, ich zeige Ihnen Ihr Zimmer.“ Er führte mich die Treppe hoch, über einen langgestreckten Gang in ein Zimmer mit einem opulenten Himmelbett. Er blieb im Türrahmen stehen und vergewisserte sich, dass ich alles hatte, was ich brauchte.
„Das Sanctum Officium, die Kongregation ...“, setzte ich zögernd an und verlor dann den Faden.
„Steht in der direkten Nachfolge der Heiligen Inquisition. Seit fast 500 Jahren bis heute haben Mitglieder der Familie Farnese einen Sitz in dieser Organisation. Schlafen Sie gut“. Er zog die Tür hinter sich zu. Ich ließ mich auf das Himmelbett fallen, schlief sofort ein und wachte erst wieder auf, als mir die Sonne bereits ins Gesicht schien. Benommen richtete ich mich auf und der erste Gegenstand, der in mein Blickfeld geriet, war das vertraute Bild der Dame mit den Perlenschnüren und dem Hündchen an der Wand gegenüber.
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*"Häretiker ist, wer sich von der Einheit der Kirche abspaltet" Prospero Farinacci in " Tractatus de haeresi"
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ElsaLaska - 9. Feb, 02:18