Freitag (I)
Lorenzo starrte mich mit schmalen Augen an. „Ich hole Ihnen eine Aspirin.“
„Das brauchen Sie nicht, ich habe keine Kopfschmerzen, ich wundere mich nur über Ihren Bücherschrank. Alles Werke, die für Katholiken auf dem Index stehen, oder nicht?“
Er hatte mir bereits ein Glas Wasser mit einer Brausetablette hin gestellt, die munter vor sich hin sprudelte..
„Sie sind nicht sehr gut informiert. Trinken Sie das.“
„Nicht sehr gut informiert ist, sagen wir, harmlos formuliert. Ich tappe bereits seit Tagen im Dunkeln.“
„Den index librorum prohibitorum gibt es in dieser Form seit den 60er Jahren nicht mehr. Was Sie oben gesehen haben, ist meine Arbeit. Irgend jemand muss lesen und Einschätzungen abgeben – in diesem Fall bin das ich. Das Lesen ist der erfreuliche, die Beurteilung der unerfreuliche Teil, mein Kollege im Amt sieht das allerdings genau umgekehrt. Hinzu kommt, dass seit 1998 die Archive der Indexkongregation, das war die Behörde, die tatsächlich Bücher verbieten konnte, sie wurde 1917 aufgelöst, geöffnet sind. Auch damit habe ich zu tun, staubtrockene Bibliothekarsarbeit, das Archiv der Indexkongregation ist zusammen mit dem Archiv der römischen Inquisition der heutigen Kongregation für Glaubenslehre unterstellt worden. Das ist eigentlich schon alles.“
„Jetzt habe ich wirklich Kopfschmerzen“, murmelte ich kleinlaut und schüttete die seifige Flüssigkeit in meinem Glas auf einen Zug hinunter.
„Geschieht Ihnen ganz Recht“, lächelte er.
„Diese Snuff Filme, von denen Sie gestern erzählten, befinden die sich auch in den geöffneten Archiven?“ Das Lächeln verschwand ganz plötzlich. „Nein, die sind nicht zugänglich, ich darf darüber eigentlich nicht sprechen, es ist ein geheimes Archiv, ein Giftschrank, angefüllt mit allen möglichen Monstrositäten der Kunstgeschichte. Ich bin der Einzige, der Zugang dazu hat, außer dem Heiligen Vater natürlich. Deshalb auch mein zweifelhafter Ruf als Kunstexperte.“ Er nahm sich einen Apfel aus der Obstschale.
„Also haben Sie sie mit eigenen Augen angesehen? Filme, in denen Menschen tatsächlich abgeschlachtet wurden?“
„Ich wünschte wirklich, ich könnte diese Frage verneinen ...“ Er machte eine Pause und legte den Apfel wieder zur Seite. „Ich wünschte, ich hätte eine nette Trattoria in Urbino, nichts großes, zehn Tische vielleicht, keine Speisekarte, nur zwei Tagesgerichte, die aber von exzellenter Qualität. Ein paar Freunde zum Fußball spielen oder Motorrad fahren, einen Fernseher und einen Hund.“
„Eine Frau? Familie? Kinder?“
Er war aufgesprungen. Für einen Moment hatte ich tatsächlich geglaubt, er würde mich schlagen, aber er klopfte mir lediglich anerkennend auf die Schulter und meinte: „ Brava! Sie hätten einen guten Inquisitor abgegeben! Ich gehe Holz herein holen, kommen Sie mit, ich zeige Ihnen den Garten!“
<[13]
>[15]
„Das brauchen Sie nicht, ich habe keine Kopfschmerzen, ich wundere mich nur über Ihren Bücherschrank. Alles Werke, die für Katholiken auf dem Index stehen, oder nicht?“
Er hatte mir bereits ein Glas Wasser mit einer Brausetablette hin gestellt, die munter vor sich hin sprudelte..
„Sie sind nicht sehr gut informiert. Trinken Sie das.“
„Nicht sehr gut informiert ist, sagen wir, harmlos formuliert. Ich tappe bereits seit Tagen im Dunkeln.“
„Den index librorum prohibitorum gibt es in dieser Form seit den 60er Jahren nicht mehr. Was Sie oben gesehen haben, ist meine Arbeit. Irgend jemand muss lesen und Einschätzungen abgeben – in diesem Fall bin das ich. Das Lesen ist der erfreuliche, die Beurteilung der unerfreuliche Teil, mein Kollege im Amt sieht das allerdings genau umgekehrt. Hinzu kommt, dass seit 1998 die Archive der Indexkongregation, das war die Behörde, die tatsächlich Bücher verbieten konnte, sie wurde 1917 aufgelöst, geöffnet sind. Auch damit habe ich zu tun, staubtrockene Bibliothekarsarbeit, das Archiv der Indexkongregation ist zusammen mit dem Archiv der römischen Inquisition der heutigen Kongregation für Glaubenslehre unterstellt worden. Das ist eigentlich schon alles.“
„Jetzt habe ich wirklich Kopfschmerzen“, murmelte ich kleinlaut und schüttete die seifige Flüssigkeit in meinem Glas auf einen Zug hinunter.
„Geschieht Ihnen ganz Recht“, lächelte er.
„Diese Snuff Filme, von denen Sie gestern erzählten, befinden die sich auch in den geöffneten Archiven?“ Das Lächeln verschwand ganz plötzlich. „Nein, die sind nicht zugänglich, ich darf darüber eigentlich nicht sprechen, es ist ein geheimes Archiv, ein Giftschrank, angefüllt mit allen möglichen Monstrositäten der Kunstgeschichte. Ich bin der Einzige, der Zugang dazu hat, außer dem Heiligen Vater natürlich. Deshalb auch mein zweifelhafter Ruf als Kunstexperte.“ Er nahm sich einen Apfel aus der Obstschale.
„Also haben Sie sie mit eigenen Augen angesehen? Filme, in denen Menschen tatsächlich abgeschlachtet wurden?“
„Ich wünschte wirklich, ich könnte diese Frage verneinen ...“ Er machte eine Pause und legte den Apfel wieder zur Seite. „Ich wünschte, ich hätte eine nette Trattoria in Urbino, nichts großes, zehn Tische vielleicht, keine Speisekarte, nur zwei Tagesgerichte, die aber von exzellenter Qualität. Ein paar Freunde zum Fußball spielen oder Motorrad fahren, einen Fernseher und einen Hund.“
„Eine Frau? Familie? Kinder?“
Er war aufgesprungen. Für einen Moment hatte ich tatsächlich geglaubt, er würde mich schlagen, aber er klopfte mir lediglich anerkennend auf die Schulter und meinte: „ Brava! Sie hätten einen guten Inquisitor abgegeben! Ich gehe Holz herein holen, kommen Sie mit, ich zeige Ihnen den Garten!“
<[13]
>[15]
ElsaLaska - 10. Feb, 00:11
Trackback URL:
https://elsalaska.twoday.net/stories/1540293/modTrackback