Montag
Eine kühle Brise war aufgekommen und hatte eine große Wolke vor die Sonne geschoben. Unter unseren Füßen raschelte es, wenn hin und wieder eine Eidechse aufschreckte. Aurel räusperte sich.
„Lorenzos Eltern, müssen Sie wissen, liebten sich sehr. Sein Vater hatte Maria gegen den Willen der Familie geheiratet. Besonders sein Bruder, Estefanio, der damals noch nicht Kardinal war, sprach sich gegen diese Verbindung aus. Er gab Maria die Schuld daran, dass sein Bruder nicht die priesterliche Laufbahn einschlug.“ Er blieb stehen, um eine Weinranke hochzubinden, die sich gelöst hatte.
„Und, war sie Schuld?“
Aurel schüttelte den Kopf. „Die Ehe blieb zunächst kinderlos, obwohl sich beide nichts sehnlicher als einen Sohn wünschten. Estefanio nannte das die Strafe Gottes. Nun, es dauerte ein paar Jahre, aber dann bekamen die beiden Giulia, Lorenzos Schwester. Ein tüchtiges Mädchen. Sie ist heute Rechtsanwältin und besucht ihn oft. Sie würden sie mögen.“ Also hatte ich Giulias Sachen im Gästebad gesehen, folgerte ich. Er war stehen geblieben und wies mich auf die Artischocken hin, die üppig wucherten und bereits Knospen ausbildeten.
„Als Giulia zwei Jahre alt war, wurde Lorenzos Vater nach Sardinien versetzt. Er arbeitete als Wirtschaftsprüfer. Maria und Giulia blieben in Urbino, er kam an jedem Wochenende nach Hause. Unter der Woche schaute Estefanio nach dem Rechten, er misstraute Maria, ja er hasste sie, und kam oft unangekündigt vorbei. Sie war sehr unglücklich in dieser Zeit. Sie magerte ab, wurde immer stiller. Einmal, als sie unter der Woche, es war im September jenes Jahres, mit einem blauen Auge bei uns auftauchte, erzählte sie meiner Mutter, sie sei gestürzt. Meine Eltern redeten damals auf Lorenzos Vater ein, er solle sich wieder versetzen lassen. Es klappte auch, zum Jahresanfang konnte er eine Stelle in Pescara antreten. Im Juni des darauffolgenden Jahres wurde Lorenzo geboren. Sein Vater war außer sich vor Freude, aber Maria ist nie wieder ganz die Alte geworden. Estefanio drang auf die beiden ein, sie sollten Lorenzo auf eine Klosterschule schicken, er gehöre der Kirche und sie stünden in Gottes Schuld, weil er ihnen gewährt habe, was sie ersehnt hatten.“
Unten im Tal hörte man die Sirenen eines Krankenwagens aufheulen und wieder verebben. Ich war mir nicht sicher, ob ich die Geschichte zu Ende hören wollte.
„Estefanio hat sich mit der Klosterschule durchgesetzt“, sagte ich fröstelnd. Ich wollte die Sache abkürzen. Er lachte freudlos und schüttelte den Kopf. Als Lorenzo gerade 17 war, fuhr Aurel fort, erlitt sein Vater einen Schlaganfall. Maria war verzweifelt. Estefanio überhäufte sie mit Vorwürfen: Alles sei ihre Schuld. Er musste ihr sehr zugesetzt haben, denn sie legte das Gelübde ab, dass Lorenzo Theologie studieren solle, wenn ihr Mann wieder gesund würde. Er fügte sich und schrieb sich an der Jesuitenhochschule in Rom ein. Sein Vater erholte sich tatsächlich.
„Und Maria?“
„Ist vor zehn Jahren bei Fano ins Meer hinaus geschwommen und nicht mehr zurückgekehrt.“
„Das ist die schrecklichste Familiengeschichte, die ich je gehört habe“, murmelte ich. Aurel sah mich eindringlich an.
„Hüten Sie sich vor Estefanio.“ Er legte mir die Hand auf die Schulter und wollte noch etwas sagen, aber vom Haus her rief Lorenzo und schimpfte, das Essen werde kalt. Als wir zum Vorplatz zurückkehrten, stand über den Türmen von Urbino ein gespenstisch bleicher Tagmond.
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„Lorenzos Eltern, müssen Sie wissen, liebten sich sehr. Sein Vater hatte Maria gegen den Willen der Familie geheiratet. Besonders sein Bruder, Estefanio, der damals noch nicht Kardinal war, sprach sich gegen diese Verbindung aus. Er gab Maria die Schuld daran, dass sein Bruder nicht die priesterliche Laufbahn einschlug.“ Er blieb stehen, um eine Weinranke hochzubinden, die sich gelöst hatte.
„Und, war sie Schuld?“
Aurel schüttelte den Kopf. „Die Ehe blieb zunächst kinderlos, obwohl sich beide nichts sehnlicher als einen Sohn wünschten. Estefanio nannte das die Strafe Gottes. Nun, es dauerte ein paar Jahre, aber dann bekamen die beiden Giulia, Lorenzos Schwester. Ein tüchtiges Mädchen. Sie ist heute Rechtsanwältin und besucht ihn oft. Sie würden sie mögen.“ Also hatte ich Giulias Sachen im Gästebad gesehen, folgerte ich. Er war stehen geblieben und wies mich auf die Artischocken hin, die üppig wucherten und bereits Knospen ausbildeten.
„Als Giulia zwei Jahre alt war, wurde Lorenzos Vater nach Sardinien versetzt. Er arbeitete als Wirtschaftsprüfer. Maria und Giulia blieben in Urbino, er kam an jedem Wochenende nach Hause. Unter der Woche schaute Estefanio nach dem Rechten, er misstraute Maria, ja er hasste sie, und kam oft unangekündigt vorbei. Sie war sehr unglücklich in dieser Zeit. Sie magerte ab, wurde immer stiller. Einmal, als sie unter der Woche, es war im September jenes Jahres, mit einem blauen Auge bei uns auftauchte, erzählte sie meiner Mutter, sie sei gestürzt. Meine Eltern redeten damals auf Lorenzos Vater ein, er solle sich wieder versetzen lassen. Es klappte auch, zum Jahresanfang konnte er eine Stelle in Pescara antreten. Im Juni des darauffolgenden Jahres wurde Lorenzo geboren. Sein Vater war außer sich vor Freude, aber Maria ist nie wieder ganz die Alte geworden. Estefanio drang auf die beiden ein, sie sollten Lorenzo auf eine Klosterschule schicken, er gehöre der Kirche und sie stünden in Gottes Schuld, weil er ihnen gewährt habe, was sie ersehnt hatten.“
Unten im Tal hörte man die Sirenen eines Krankenwagens aufheulen und wieder verebben. Ich war mir nicht sicher, ob ich die Geschichte zu Ende hören wollte.
„Estefanio hat sich mit der Klosterschule durchgesetzt“, sagte ich fröstelnd. Ich wollte die Sache abkürzen. Er lachte freudlos und schüttelte den Kopf. Als Lorenzo gerade 17 war, fuhr Aurel fort, erlitt sein Vater einen Schlaganfall. Maria war verzweifelt. Estefanio überhäufte sie mit Vorwürfen: Alles sei ihre Schuld. Er musste ihr sehr zugesetzt haben, denn sie legte das Gelübde ab, dass Lorenzo Theologie studieren solle, wenn ihr Mann wieder gesund würde. Er fügte sich und schrieb sich an der Jesuitenhochschule in Rom ein. Sein Vater erholte sich tatsächlich.
„Und Maria?“
„Ist vor zehn Jahren bei Fano ins Meer hinaus geschwommen und nicht mehr zurückgekehrt.“
„Das ist die schrecklichste Familiengeschichte, die ich je gehört habe“, murmelte ich. Aurel sah mich eindringlich an.
„Hüten Sie sich vor Estefanio.“ Er legte mir die Hand auf die Schulter und wollte noch etwas sagen, aber vom Haus her rief Lorenzo und schimpfte, das Essen werde kalt. Als wir zum Vorplatz zurückkehrten, stand über den Türmen von Urbino ein gespenstisch bleicher Tagmond.
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ElsaLaska - 14. Feb, 22:49
Ja-Ha!!
(Ist heut nicht Dienstag?...)
:)
*seufz*