Sonntag
Während Lorenzo gewürfelte Zwiebeln anschwitzen ließ und zwei große Handvoll Spinat fein hackte, rekapitulierte ich in Gedanken die Ereignisse der letzten Wochen. Zuerst war da der Bilderkauf, der uns auf rätselhafte Weise miteinander und gleichzeitig mit seiner Familie verband; Odoardo Farnese hatte im Jahre 1628 eine Medici geheiratet.
Die anonyme Mail mit dem Hinweis auf Michelangelo Buonarotti, der mit Lorenzo de Medici befreundet gewesen war: Ich traf mich mit dem falschen Pasolini, der mir Lorenzos Adresse gab, man schoss auf mich, Zenos Auto flog in die Luft und schließlich wurden beide Bilder aus unseren Häusern gestohlen. Eine zweite Mail setzte Lorenzo auf die Spuren irgendeines mysteriösen Dokumentes in seinen Archiven, über das er partout noch nicht sprechen wollte.
Und jetzt saß ich hier, trank einen ausgezeichneten Falerio und beobachtete hingerissen meinen Gastgeber, wie er in einen großen Topf mit siedendem Wasser und einem Schuss balsamico bianco so geschickt zwei Eier hineinschlug, dass sie ohne zu zerfließen, das Eigelb sauber innenliegend, gar zogen. Auf zwei vorgewärmte Teller gab er je einen Löffel des mit Sahne verfeinerten Spinats, setzte ein pochiertes Ei oben auf und garnierte mit einer paar Löffeln undefinierbarer Substanz aus einem unbeschrifteten Glas mit Schraubverschluss. Sofort durchzog ein durchdringender und unverkennbarer Geruch die Küche.
„Wie kommen Sie zu dieser Jahreszeit an frischen Trüffel?“ Ich beugte mich über meinen Teller und schnupperte begeistert das feine Aroma echter weißer Trüffel.
„Sie haben sich eigentlich keine Antwort verdient nach dieser Frechheit von eben ... Im Dezember hacke ich ein, zwei klein und lege die Stücke mit ein wenig Salz und Olivenöl ein, das hält fast bis zur nächsten Saison. Möchten Sie lieber Rotwein dazu?“
Er hielt prüfend die Flasche Falerio gegen das Licht. Ich schüttelte den Kopf und er teilte den Rest zwischen uns auf. Die folgenden Minuten verbrachte ich damit, die zarte Konsistenz des Eis, den cremigen Spinat, das perfekt dazu harmonierende Trüffelaroma im Speziellen und Lorenzos Kochbegabung im Allgemeinen zu loben. Am Ende wischte ich noch ganz unmanierlich den Teller mit einem Stück Brot aus und leckte mir zufrieden die Lippen.
Lorenzo schien wieder in versöhnlicher Stimmung, also erzählte ich ihm meine Zusammenfassung der Ereignisse, wie sie mir vorher durch den Kopf gegangen war. Bei der Puschkin-Mail hakte er ein und wir diskutierten noch einmal über den Wahrheitsgehalt dieses Gerüchtes.
„Ich glaube nach wie vor, dass etwas daran ist. Ein Menschenleben war schließlich nicht viel wert, und den Ehrgeiz eines genialen Künstlers würde ich auch nicht unterschätzen. Wenn Buonarotti eine authentische Kreuzigung Jesu malen wollte, warum sollte er nicht ein bisschen experimentiert haben?“, erläuterte ich.
„Der Mythos bezieht sich aber auf seine Kreuzigung des Petrus“, korrigierte er und räumte die Teller ab.
„Die Kreuzigung des Petrus? Das ist ein ungewöhnliches Motiv!“
„Da haben Sie allerdings Recht. Es gibt nicht viele Darstellungen dieses Ereignisses und die Maler, die sie gestaltet haben, hatten nicht unbedingt die Glorifizierung seines Märtyrertodes im Sinn.“
„Nicht?“, wunderte ich mich und nickte zustimmend, als er vorschlug, mit dem Hauptgericht noch etwas zu warten.
„Nein, man könnte es eher als eine versteckte Stellungnahme bezeichnen, nach allem, was wir heute darüber wissen.“
Er widmete sich konzentriert der Aufgabe, den 98er Brunello di Montalcino vonVasco Sassetti in eine Glaskaraffe umzufüllen.
„Das müssen Sie mir jetzt schon erklären“, drängte ich.
„Petrus gilt als erster Apostel und Augenzeuge der Auferstehung, Gründer der ersten Gemeinde Roms, somit als derjenige, auf den sich das Primat, der Machtanspruch der römisch-katholischen Kirche zurückführen lässt. Nur, dass es sich de facto völlig anders verhielt, wenn wir sämtlichen vorliegenden Quellen glauben wollen.“
„Ich weiß, worauf Sie hinauswollen“, unterbrach ich ihn eifrig. „Maria Magdalena war die erste Augenzeugin der Auferstehung, sie stand eigentlich in der rechtmäßigen Nachfolge von Jesus Christus, nicht Petrus, der ihn verleugnet hat.“
„Sehr gut!" Seine Augen blitzten. "Seit zwei Jahrtausenden gibt es eine verschworene Gemeinschaft von Menschen, vor allem Intellektuelle und Künstler, die um dieses Privileg der Maria Magdalena wussten, die an ihren hohen Rang als eigentliche Nachfolgerin Jesu glaubten – und natürlich auch daran, dass sie ihm nicht nur Lieblingsjüngerin, sondern auch Geliebte und Frau gewesen sei.“
Ich verschluckte mich an meinem Wein und musste husten.
„Die Bruderschaft von Sion? Sie wollen mir doch jetzt nicht erzählen, dass Dan Brown voll ins Schwarze getroffen hat?“
Er sprang mit einem Schreckensschrei auf und stürzte zum Backofen hinüber, um den Auberginenauflauf aus dem Rohr zu reißen.
„Santa pazienza! Das war knapp!“, seufzte er und begann, die parmigiana di melanzane zu servieren.
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Die anonyme Mail mit dem Hinweis auf Michelangelo Buonarotti, der mit Lorenzo de Medici befreundet gewesen war: Ich traf mich mit dem falschen Pasolini, der mir Lorenzos Adresse gab, man schoss auf mich, Zenos Auto flog in die Luft und schließlich wurden beide Bilder aus unseren Häusern gestohlen. Eine zweite Mail setzte Lorenzo auf die Spuren irgendeines mysteriösen Dokumentes in seinen Archiven, über das er partout noch nicht sprechen wollte.
Und jetzt saß ich hier, trank einen ausgezeichneten Falerio und beobachtete hingerissen meinen Gastgeber, wie er in einen großen Topf mit siedendem Wasser und einem Schuss balsamico bianco so geschickt zwei Eier hineinschlug, dass sie ohne zu zerfließen, das Eigelb sauber innenliegend, gar zogen. Auf zwei vorgewärmte Teller gab er je einen Löffel des mit Sahne verfeinerten Spinats, setzte ein pochiertes Ei oben auf und garnierte mit einer paar Löffeln undefinierbarer Substanz aus einem unbeschrifteten Glas mit Schraubverschluss. Sofort durchzog ein durchdringender und unverkennbarer Geruch die Küche.
„Wie kommen Sie zu dieser Jahreszeit an frischen Trüffel?“ Ich beugte mich über meinen Teller und schnupperte begeistert das feine Aroma echter weißer Trüffel.
„Sie haben sich eigentlich keine Antwort verdient nach dieser Frechheit von eben ... Im Dezember hacke ich ein, zwei klein und lege die Stücke mit ein wenig Salz und Olivenöl ein, das hält fast bis zur nächsten Saison. Möchten Sie lieber Rotwein dazu?“
Er hielt prüfend die Flasche Falerio gegen das Licht. Ich schüttelte den Kopf und er teilte den Rest zwischen uns auf. Die folgenden Minuten verbrachte ich damit, die zarte Konsistenz des Eis, den cremigen Spinat, das perfekt dazu harmonierende Trüffelaroma im Speziellen und Lorenzos Kochbegabung im Allgemeinen zu loben. Am Ende wischte ich noch ganz unmanierlich den Teller mit einem Stück Brot aus und leckte mir zufrieden die Lippen.
Lorenzo schien wieder in versöhnlicher Stimmung, also erzählte ich ihm meine Zusammenfassung der Ereignisse, wie sie mir vorher durch den Kopf gegangen war. Bei der Puschkin-Mail hakte er ein und wir diskutierten noch einmal über den Wahrheitsgehalt dieses Gerüchtes.
„Ich glaube nach wie vor, dass etwas daran ist. Ein Menschenleben war schließlich nicht viel wert, und den Ehrgeiz eines genialen Künstlers würde ich auch nicht unterschätzen. Wenn Buonarotti eine authentische Kreuzigung Jesu malen wollte, warum sollte er nicht ein bisschen experimentiert haben?“, erläuterte ich.
„Der Mythos bezieht sich aber auf seine Kreuzigung des Petrus“, korrigierte er und räumte die Teller ab.
„Die Kreuzigung des Petrus? Das ist ein ungewöhnliches Motiv!“
„Da haben Sie allerdings Recht. Es gibt nicht viele Darstellungen dieses Ereignisses und die Maler, die sie gestaltet haben, hatten nicht unbedingt die Glorifizierung seines Märtyrertodes im Sinn.“
„Nicht?“, wunderte ich mich und nickte zustimmend, als er vorschlug, mit dem Hauptgericht noch etwas zu warten.
„Nein, man könnte es eher als eine versteckte Stellungnahme bezeichnen, nach allem, was wir heute darüber wissen.“
Er widmete sich konzentriert der Aufgabe, den 98er Brunello di Montalcino vonVasco Sassetti in eine Glaskaraffe umzufüllen.
„Das müssen Sie mir jetzt schon erklären“, drängte ich.
„Petrus gilt als erster Apostel und Augenzeuge der Auferstehung, Gründer der ersten Gemeinde Roms, somit als derjenige, auf den sich das Primat, der Machtanspruch der römisch-katholischen Kirche zurückführen lässt. Nur, dass es sich de facto völlig anders verhielt, wenn wir sämtlichen vorliegenden Quellen glauben wollen.“
„Ich weiß, worauf Sie hinauswollen“, unterbrach ich ihn eifrig. „Maria Magdalena war die erste Augenzeugin der Auferstehung, sie stand eigentlich in der rechtmäßigen Nachfolge von Jesus Christus, nicht Petrus, der ihn verleugnet hat.“
„Sehr gut!" Seine Augen blitzten. "Seit zwei Jahrtausenden gibt es eine verschworene Gemeinschaft von Menschen, vor allem Intellektuelle und Künstler, die um dieses Privileg der Maria Magdalena wussten, die an ihren hohen Rang als eigentliche Nachfolgerin Jesu glaubten – und natürlich auch daran, dass sie ihm nicht nur Lieblingsjüngerin, sondern auch Geliebte und Frau gewesen sei.“
Ich verschluckte mich an meinem Wein und musste husten.
„Die Bruderschaft von Sion? Sie wollen mir doch jetzt nicht erzählen, dass Dan Brown voll ins Schwarze getroffen hat?“
Er sprang mit einem Schreckensschrei auf und stürzte zum Backofen hinüber, um den Auberginenauflauf aus dem Rohr zu reißen.
„Santa pazienza! Das war knapp!“, seufzte er und begann, die parmigiana di melanzane zu servieren.
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ElsaLaska - 26. Feb, 22:06
*erleichtert aufseufzt*
Halleluja und eine Runde Golo 257
Und dann auch noch Spinat mit konservierten Trüffeln.
Grandios!
Gibts noch ne II. Sonntagsfolge, liebe Elsa?
Danke lieber Gott, dass du das Elsa wieder auf die richtige Schreibschiene gemanagt hast!
Amen!
Auch dafür ist Jesus zuständig.
Gruss,
Elisabeth