Freitag
Das hier konnte nicht der mittlerweile öffentlich zugängliche Teil der Archive der Indexkongregation und der römischen Inquisition sein. Und was hieß öffentlich - die Benutzer mussten einen wissenschaftlichen Forschungsauftrag vorlegen, möglichst katholischer Konfession sein und eine Empfehlung ihres Bischofs mitbringen, wenn sie Einsicht nehmen wollten. Und zu dem von Lorenzo erwähnten Giftschrank mit den kunsthistorischen Monströsitäten hatten nur er und der Heilige Vater Zutritt. Trotzdem irritierten mich die Sicherheitsmaßnahmen und ich sehnte mich nach der Wärme, den hellen Farben und dem lebhaften Treiben oberhalb dieser sterilen Gruft.
Die Minuten vergingen. Ich zog mir die Handschuhe aus, dann wurde es mir zu kühl, ich streifte sie wieder über. Stand auf, maß die Länge des Raumes mit meinen Schritten – es waren 15, schritt die Breite ab, es waren fünf. Spähte vorsichtig durch die Luke der Panzertüre, um zu sehen, ob Lorenzo zurück käme und griff mir unwillkürlich an den Hals: Auf der anderen Seite dehnten sich die mächtigen Kreuzgewölbe einer uralten Krypta aus, deren gewaltige Ausmaße sich trotz zahlreicher Lampen im dämmrigen Fluchtpunkt verloren. Ich schluckte trocken und setzte mich mit klopfendem Herzen wieder an den Tisch. Es dauerte bestimmt noch weitere fünf Minuten, bis die Stahltüre wieder aufschwang und Lorenzo eine etwa notebookgroße, fast zwanzig Zentimeter hohe Schließfachkassette balancierend über die Schwelle stieg. Er setzte sie behutsam auf dem Tisch ab, nahm neben mir Platz und öffnete den Deckel. Ich vergaß zu atmen. Vor mir lag das prachtvollste Buch, das ich je gesehen hatte.
Der Buchdeckel war einst mit königsblau leuchtendem Samt bezogen gewesen, aber die Jahrhunderte hatten ihren Tribut gefordert. In den vier Ecken befanden sich je ein Rosenquarz, eingerahmt von überbordenden Goldschmiedearbeiten, in der Mitte des Einbandes ein riesiger Lapislazuli, ebenfalls in fein zieseliertes Ornament gefasst. Die Buchseiten wiesen noch den einstmals glänzenden Goldschnitt auf, zeigten aber deutliche Spuren von Gebrauch, ebenso wie die beiden seitlichen Schließen. Seine Patina verstärkte die Schönheit dieses Kleinodes nur noch.
„Das Stundenbuch von Il Magnifico, über fünfhundert Jahre alt“, murmelte Lorenzo ehrfüchtig und öffnete mit großer Vorsicht die herzförmigen Schließen.
„Ein Stundenbuch?“, fragte ich und beobachtete ihn wie hypnotisiert.
„Oder auch Brevier genannt, ein privates Gebetbuch, sozusagen für den Hausgebrauch. Lorenzo de’ Medici hat mehrere Exemplare davon anfertigen lassen, von den berühmtesten Buchmalern und Goldschmieden seiner Zeit. Eines davon besitzt die Medici-Bibliothek in Florenz.“ Er lehnte sich zurück, ohne jedoch Anstalten zu machen, das Buch aufzuschlagen.
„Mit erbaulichen Schriften also, wie das Hohelied Salomo zum Beispiel.“ Ich schaute ihn gespannt an.
„Nein, das gehört nicht zu den Texten, die man normalerweise in Stundenbüchern findet. Das Florentiner Exemplar verzeichnet die üblichen Stundengebete, ein Kalendarium, das Totenoffizium. Es war für seine Tochter bestimmt.“ Er machte eine bedeutungsvolle Pause. „Dieses hier aber, das Il Magnifico selbst benutzt hat, versammelt einige, wie soll ich mich ausdrücken, unorthodoxe Schriften und Illustrationen, die, und ich äußere das jetzt unter großem Vorbehalt-“
Mir fiel es wie Schuppen von den Augen.
„Il Magnifico war mit Leonardo da Vinci befreundet! Die Prieuré! Er hat dazu gehört!“ Beinahe hätte ich mit der Faust auf den Tisch geschlagen.
„Sie müssen nicht so schreien! Ich sagte, es gibt ein paar Hinweise darauf, dass-“
„Diese Gruft ist doch eh schalldicht!“, fiel ich ihm hitzig ins Wort.
„Sicher, ich mache mir nur Sorgen, dass Sie den Erdbebenalarm auslösen, wenn Sie so weiter machen“, warf er trocken ein.
„Gut, ich bin ruhig. Völlig ruhig. Ich sage nicht einen Ton mehr. Versprochen. Bitte öffnen Sie es!“
Für einen Moment konnte ich in seinem Gesicht Zweifel an meiner Vertrauenswürdigkeit aufblitzen sehen. Ich erwiderte unverwandt seinen Blick. Schließlich überprüfte er den Sitz seiner Handschuhe und schlug das kostbare Buch mit zeremonieller Behutsamkeit auf.
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Die Minuten vergingen. Ich zog mir die Handschuhe aus, dann wurde es mir zu kühl, ich streifte sie wieder über. Stand auf, maß die Länge des Raumes mit meinen Schritten – es waren 15, schritt die Breite ab, es waren fünf. Spähte vorsichtig durch die Luke der Panzertüre, um zu sehen, ob Lorenzo zurück käme und griff mir unwillkürlich an den Hals: Auf der anderen Seite dehnten sich die mächtigen Kreuzgewölbe einer uralten Krypta aus, deren gewaltige Ausmaße sich trotz zahlreicher Lampen im dämmrigen Fluchtpunkt verloren. Ich schluckte trocken und setzte mich mit klopfendem Herzen wieder an den Tisch. Es dauerte bestimmt noch weitere fünf Minuten, bis die Stahltüre wieder aufschwang und Lorenzo eine etwa notebookgroße, fast zwanzig Zentimeter hohe Schließfachkassette balancierend über die Schwelle stieg. Er setzte sie behutsam auf dem Tisch ab, nahm neben mir Platz und öffnete den Deckel. Ich vergaß zu atmen. Vor mir lag das prachtvollste Buch, das ich je gesehen hatte.
Der Buchdeckel war einst mit königsblau leuchtendem Samt bezogen gewesen, aber die Jahrhunderte hatten ihren Tribut gefordert. In den vier Ecken befanden sich je ein Rosenquarz, eingerahmt von überbordenden Goldschmiedearbeiten, in der Mitte des Einbandes ein riesiger Lapislazuli, ebenfalls in fein zieseliertes Ornament gefasst. Die Buchseiten wiesen noch den einstmals glänzenden Goldschnitt auf, zeigten aber deutliche Spuren von Gebrauch, ebenso wie die beiden seitlichen Schließen. Seine Patina verstärkte die Schönheit dieses Kleinodes nur noch.
„Das Stundenbuch von Il Magnifico, über fünfhundert Jahre alt“, murmelte Lorenzo ehrfüchtig und öffnete mit großer Vorsicht die herzförmigen Schließen.
„Ein Stundenbuch?“, fragte ich und beobachtete ihn wie hypnotisiert.
„Oder auch Brevier genannt, ein privates Gebetbuch, sozusagen für den Hausgebrauch. Lorenzo de’ Medici hat mehrere Exemplare davon anfertigen lassen, von den berühmtesten Buchmalern und Goldschmieden seiner Zeit. Eines davon besitzt die Medici-Bibliothek in Florenz.“ Er lehnte sich zurück, ohne jedoch Anstalten zu machen, das Buch aufzuschlagen.
„Mit erbaulichen Schriften also, wie das Hohelied Salomo zum Beispiel.“ Ich schaute ihn gespannt an.
„Nein, das gehört nicht zu den Texten, die man normalerweise in Stundenbüchern findet. Das Florentiner Exemplar verzeichnet die üblichen Stundengebete, ein Kalendarium, das Totenoffizium. Es war für seine Tochter bestimmt.“ Er machte eine bedeutungsvolle Pause. „Dieses hier aber, das Il Magnifico selbst benutzt hat, versammelt einige, wie soll ich mich ausdrücken, unorthodoxe Schriften und Illustrationen, die, und ich äußere das jetzt unter großem Vorbehalt-“
Mir fiel es wie Schuppen von den Augen.
„Il Magnifico war mit Leonardo da Vinci befreundet! Die Prieuré! Er hat dazu gehört!“ Beinahe hätte ich mit der Faust auf den Tisch geschlagen.
„Sie müssen nicht so schreien! Ich sagte, es gibt ein paar Hinweise darauf, dass-“
„Diese Gruft ist doch eh schalldicht!“, fiel ich ihm hitzig ins Wort.
„Sicher, ich mache mir nur Sorgen, dass Sie den Erdbebenalarm auslösen, wenn Sie so weiter machen“, warf er trocken ein.
„Gut, ich bin ruhig. Völlig ruhig. Ich sage nicht einen Ton mehr. Versprochen. Bitte öffnen Sie es!“
Für einen Moment konnte ich in seinem Gesicht Zweifel an meiner Vertrauenswürdigkeit aufblitzen sehen. Ich erwiderte unverwandt seinen Blick. Schließlich überprüfte er den Sitz seiner Handschuhe und schlug das kostbare Buch mit zeremonieller Behutsamkeit auf.
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ElsaLaska - 3. Mär, 23:35
sehr schön eingebaut...
Noch billiger ...
Man sollte ja nur über Dinge schreiben, von denen man besessen ist*gg*
na dann...
Firth passt leider nicht in die Rolle,
Ich will auch nicht so viele Touristen auftreten lassen. Also lieber eine Kochszene mehr dann!
Firth..
Na, und Herr Wachveitl kocht, emmigrierter Bayer, Ristorante in kleiner Seitenstraße, Geheimtipp, Elsa trifft sich konspirativ, muss sich in der Küche verstecken und kann dem Meister bei der Arbeit zusehen. Na schön, war ja nur ne Idee.. :)
Hm,
Non c'è male!
das geht...
Dann Wachtveitl vielleicht doch besser als Gastprofessor an der Uni, trifft Elsa in der Bibliothek, gibt ihr unschätzbar wertvollen Hinweis zu.. (tbd).. , natürlich in einem kleinen Nebensatz versteckt.
Ooooder als Kripobeamter, in Italien wegen spektakulärem Kunstraub, schon fast vergessen, aber er, zäh, beharrlich, ein Dachshund unter den Ermittlern, ist dem Täter immer noch auf der Spur...
Superb!
Lorenzo, außer sich, da eben in erster Linie italienischer Mann, und erst zuletzt Priester. Wirft mit Tellern. Weigert sich zu kochen. Zeno spricht ein Machtwort, von Dachshund zu Dachshund.
Das nenn ich Input!
*verneig*
perfekt!
Aber vielleicht erst für Folge 1335 geeignet, ich will ja auch die nächsten paar Monate mit Lorenzo und Elsa mitfiebern.
Ich freu mich
(Wenn du Zeit hast Elsa, gut und unentgeltlich Ding will Weile haben...)
franziska