Sonntag
Zwei Stunden später saßen wir zu viert an Lorenzos Küchentisch: Zeno in einem tadellosen grauen Dreiteiler, sein deutscher Kollege Leitmayr von der Kripo München in Jeans und sportlicher Strickweste und - zusammen mit mir in der Fensternische – Giulia, die sich mit klingelnden Armreifen und spöttisch funkelnden Augen über Zenos Fahrkünste beschwerte, während Lorenzo eifrig in einer Pfanne mit Safranrisotto herumrührte. Leitmayr konnte dem enthusiastisch geführten Disput der beiden nur teilweise folgen, weshalb ich mich hin und wieder zu ihm hinüberbeugte, um ihm entscheidende Passagen zu dolmetschen. Er lächelte vergnügt in sein Bier hinein, wir anderen hatten uns für einen Verdicchio von Stefano Mancinelli entschieden: der gleiche, mit dem unser Gastgeber gerade sein Risotto ablöschte.
Zeno erzählte Lorenzos Rücken händeringend die Katastrophe, die sich fast ereignet hatte, als er wegen Giulias Dauernörgelei den Fahrersitz entnervt an sie abgab: Beinahe hätte sie seinen Jugo mit vollem Karacho gegen eine nur zögerlich reagierende Telepass-Schranke gesetzt, weswegen er – Zeno - dem elektronischen Maut-System nie vertrauen würde. Man müsse in jedem Fall herunterbremsen, und nicht Gas geben, wie Giulia es täte, sobald sie einer Telepass-Schranke auch nur ansichtig würde. Ob alle Frauen der Familie derart enfesselt Auto fahren würden? Ob er nicht glaube, dass das Risotto noch einen Schuss Wein vertragen könne? Die Perlhühner einen winzigen Tropfen Balsamico? Lorenzo drehte sich unvermittelt um und warf seinem Freund ein Küchenhandtuch an die Stirn. Giulias Handy plärrte mit dem neuesten Madonna-Hit los. Sie begann lautstark ein Telefonat zu führen, während ihr Bruder sich darüber aufregte, dass nicht einmal ein Heiliger sich in dieser Gesellschaft auf die Zubereitung eines Risottos konzentrieren könne.
„Sie sind nicht zum ersten Mal im Vatikan, oder?“, fragte ich Leitmayr leise, der gar nicht aufhörte zu schmunzeln.
„Nein, aber es ist das erste Mal, dass es hinter diesen Mauern so lebhaft zugeht. Und was ist mit Ihnen?“
„Das erste Mal – und ja, es ist sehr lebhaft“, grinste ich. Mir fiel das Attentat auf Estefanio ein und ich wurde wieder ernst. „Zeno sagt, Sie sind einem Ring von Kunsträubern auf der Spur?“ Leitmayr nahm ein Grissini und knabberte daran, hielt es ratlos von sich und flüsterte mir verschwörerisch zu: „Ich bin jetzt seit einer Woche in Italien unterwegs und vermisse nichts mehr als eine gescheite Brezel und einen ordentlichen Leberkäswecken. So wie es ausschaut, nach den Ereignissen bei Kardinal Farnese, werde ich wohl meinen Aufenthalt verlängern müssen. Die Kollegen von der Schweizer Garde haben morgen ein Meeting anberaumt ...“ Er nahm sich mit Todesverachtung ein zweites Grissini und folgte mit bewundernden Blicken Giulia, die aufstand, um draußen vor der Küche weiter zu telefonieren. Lorenzo stellte krachend die Pfanne mit dem Risotto auf den Tisch und begann zu servieren.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Bilderraub und der Diebstahl der Brevierkopie irgendwie zusammenhängen“, murmelte ich und streckte Lorenzo mit meinem strahlendsten Lächeln den Teller entgegen.
„Ich mir schon“, erklärte Leitmayr und hielt unsicher seinen Teller in die Höhe. Giulia kehrte zurück und nahm noch im Stehen einen großen Schluck Wein. „Grüße von Tante Bianca, sie ist in Rom angekommen und meldet sich morgen bei euch“, nickte sie ihrem Bruder zu, der aufseufzend mir gegenüber Platz genommen hatte.
Wir ließen die Gläser klingen.
„Ich müsste Ihnen dazu noch etwas erzählen – auch mir hat man ein Bild gestohlen, und es war noch dazu ein Bild, welches in engem Bezug zu dem steht, das Monsignore Farnese abhanden gekommen ist.“ Der deutsche Kunstraubexperte schaute mich interessiert über den Rand seines Bierglases hinweg an. Unser Gastgeber räusperte sich nachdrücklich und wünschte guten Appetit, Giulia stieß mich in die Seite, weil ich als einzige nicht geantwortet hatte - ich erwiderte hastig allseits Buon appetito und beugte mich gleich wieder vertraulich zu Leitmayr hin. Lorenzo ließ mich nicht aus den Augen, während er die Gabel zum Mund führte. Zeno hatte bereits von dem Risotto gekostet, stieß einen unterdrückten Entzückensschrei aus und rannte auf die Loggia hinaus, um den Himmel über die Gnade zu informieren, die ihm widerfuhr. Sein deutscher Kollege hob amüsiert die Augenbrauen, Giulia lachte leise in sich hinein.
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Zeno erzählte Lorenzos Rücken händeringend die Katastrophe, die sich fast ereignet hatte, als er wegen Giulias Dauernörgelei den Fahrersitz entnervt an sie abgab: Beinahe hätte sie seinen Jugo mit vollem Karacho gegen eine nur zögerlich reagierende Telepass-Schranke gesetzt, weswegen er – Zeno - dem elektronischen Maut-System nie vertrauen würde. Man müsse in jedem Fall herunterbremsen, und nicht Gas geben, wie Giulia es täte, sobald sie einer Telepass-Schranke auch nur ansichtig würde. Ob alle Frauen der Familie derart enfesselt Auto fahren würden? Ob er nicht glaube, dass das Risotto noch einen Schuss Wein vertragen könne? Die Perlhühner einen winzigen Tropfen Balsamico? Lorenzo drehte sich unvermittelt um und warf seinem Freund ein Küchenhandtuch an die Stirn. Giulias Handy plärrte mit dem neuesten Madonna-Hit los. Sie begann lautstark ein Telefonat zu führen, während ihr Bruder sich darüber aufregte, dass nicht einmal ein Heiliger sich in dieser Gesellschaft auf die Zubereitung eines Risottos konzentrieren könne.
„Sie sind nicht zum ersten Mal im Vatikan, oder?“, fragte ich Leitmayr leise, der gar nicht aufhörte zu schmunzeln.
„Nein, aber es ist das erste Mal, dass es hinter diesen Mauern so lebhaft zugeht. Und was ist mit Ihnen?“
„Das erste Mal – und ja, es ist sehr lebhaft“, grinste ich. Mir fiel das Attentat auf Estefanio ein und ich wurde wieder ernst. „Zeno sagt, Sie sind einem Ring von Kunsträubern auf der Spur?“ Leitmayr nahm ein Grissini und knabberte daran, hielt es ratlos von sich und flüsterte mir verschwörerisch zu: „Ich bin jetzt seit einer Woche in Italien unterwegs und vermisse nichts mehr als eine gescheite Brezel und einen ordentlichen Leberkäswecken. So wie es ausschaut, nach den Ereignissen bei Kardinal Farnese, werde ich wohl meinen Aufenthalt verlängern müssen. Die Kollegen von der Schweizer Garde haben morgen ein Meeting anberaumt ...“ Er nahm sich mit Todesverachtung ein zweites Grissini und folgte mit bewundernden Blicken Giulia, die aufstand, um draußen vor der Küche weiter zu telefonieren. Lorenzo stellte krachend die Pfanne mit dem Risotto auf den Tisch und begann zu servieren.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Bilderraub und der Diebstahl der Brevierkopie irgendwie zusammenhängen“, murmelte ich und streckte Lorenzo mit meinem strahlendsten Lächeln den Teller entgegen.
„Ich mir schon“, erklärte Leitmayr und hielt unsicher seinen Teller in die Höhe. Giulia kehrte zurück und nahm noch im Stehen einen großen Schluck Wein. „Grüße von Tante Bianca, sie ist in Rom angekommen und meldet sich morgen bei euch“, nickte sie ihrem Bruder zu, der aufseufzend mir gegenüber Platz genommen hatte.
Wir ließen die Gläser klingen.
„Ich müsste Ihnen dazu noch etwas erzählen – auch mir hat man ein Bild gestohlen, und es war noch dazu ein Bild, welches in engem Bezug zu dem steht, das Monsignore Farnese abhanden gekommen ist.“ Der deutsche Kunstraubexperte schaute mich interessiert über den Rand seines Bierglases hinweg an. Unser Gastgeber räusperte sich nachdrücklich und wünschte guten Appetit, Giulia stieß mich in die Seite, weil ich als einzige nicht geantwortet hatte - ich erwiderte hastig allseits Buon appetito und beugte mich gleich wieder vertraulich zu Leitmayr hin. Lorenzo ließ mich nicht aus den Augen, während er die Gabel zum Mund führte. Zeno hatte bereits von dem Risotto gekostet, stieß einen unterdrückten Entzückensschrei aus und rannte auf die Loggia hinaus, um den Himmel über die Gnade zu informieren, die ihm widerfuhr. Sein deutscher Kollege hob amüsiert die Augenbrauen, Giulia lachte leise in sich hinein.
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ElsaLaska - 19. Mär, 21:41
macht sogar die Grippe erträglich..