Dienstag
Und so kam es, dass ich, eingehüllt in einen dunkelvioletten Seidenkaftan von Giulia, nach einem ausgiebigem Bad, auf Lorenzos Loggia saß und in die verblassenden Farben des Abendhimmels über dem Petersplatz starrte.
Bianca hatte sich zum Abendessen angemeldet, ihr Neffe hatte sich daraufhin grummelnd in die Küche zurückgezogen, um sich der hohen Kunst der Tortelliniherstellung zu widmen. Unten an der Piazza San’Ufficio hatten Mitglieder der Schweizer Garde ihre Beobachtungsposten bezogen - im Moment kam niemand mehr in den Vatikan herein oder hinaus- wenn nicht auf persönliche Einladung und nach Passieren zahlreicher Sicherheitskontrollen. Nein, an Heimfahren war in Anbetracht der Situation wirklich nicht zu denken, auch Zeno hatte mir diese Idee bereits vor Stunden am Handy schleunigst wieder ausgeredet. Die schiere Verzweiflung hatte ihn angesichts der Tatsache ergriffen, dass sein Meeting mit den Sicherheitskräften ein rechtzeitiges Eintreffen zum Abendessen unmöglich machte. Ich gab ihm für alle Fälle den Zahlencode zum Appartment und bedauerte im Stillen seine Kollegen recht herzlich – Zeno würde hervorragend schlechte Laune haben. Müßig stand ich auf, um zu sehen, ob ich meinem Gastgeber behilflich sein konnte und traf ihn mit mehlbestäubten Wangen an, beschäftigt mit der Zubereitung der Füllung.
„Kosten Sie! Fehlt noch etwas?“, forderte er mich auf, nahm ein Stück Teig mit Daumen und Zeigefinger und schob es mir umstandslos zwischen die Lippen.
„Vorsicht! Ich bin noch immer etwas lädiert“, klagte ich und deutete kauend auf meine zerbissene Unterlippe. Lorenzos Blick war undurchdringlich. Er wandte sich um, nahm ein Glas Honig vom Regal, tauchte einen Finger hinein und strich mir damit sanft über den Mund.
„Das sollte helfen. Nicht ablecken!“, ermahnte er mich.
„Hören Sie auf!“ protestierte ich und wich vor ihm zurück.
„Ungern. Tante Bianca wird sehr ungehalten sein, wenn die Tortellini nicht ihrem Geschmack entsprechen“, sagte er harmlos. Ich funkelte ihn an.
„D a s meine ich nicht!“, entgegnete ich nachdrücklich. „Geben Sie noch ein wenig Muskat hinzu!“
„Sie sollen den Honig nicht ablecken, sonst wirkt er nicht“, gab er seelenruhig zurück. Ich schloss kurz die Augen und erinnerte mich daran, wie er in den Ruinen von Ostia Antica mein Leben mit seinem geschützt hatte. Schmeckte die Süße des Honigs in meinem Mund und betastete unsicher meine geschwollene Unterlippe.
„Nicht daran rühren“, sagte er, umfasste meine Hand, zog sie zu sich empor und küsste sanft meine Fingerspitzen.
„Monsignore Lorenzo Emilio Farnese?“ ertönte eine harsche Stimme, worauf wir wie kleine Kinder aufschraken. Auf der Schwelle zur Küche stand – in Begleitung Zenos - ein Schweizer Gardist in Zivil, räusperte sich vernehmlich und bat Lorenzo um ein Gespräch in einer äußerst dringenden Sache.
Monsignore Farnese riss sich mit nachlässiger Geste das Piratentuch herunter und bedeutete dem Sicherheitsbeamten, ihm in sein Büro zu folgen. Zeno, der mit kugelrunden Augen geschwiegen hatte, lief seinem Freund händeringend hinterher.
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Bianca hatte sich zum Abendessen angemeldet, ihr Neffe hatte sich daraufhin grummelnd in die Küche zurückgezogen, um sich der hohen Kunst der Tortelliniherstellung zu widmen. Unten an der Piazza San’Ufficio hatten Mitglieder der Schweizer Garde ihre Beobachtungsposten bezogen - im Moment kam niemand mehr in den Vatikan herein oder hinaus- wenn nicht auf persönliche Einladung und nach Passieren zahlreicher Sicherheitskontrollen. Nein, an Heimfahren war in Anbetracht der Situation wirklich nicht zu denken, auch Zeno hatte mir diese Idee bereits vor Stunden am Handy schleunigst wieder ausgeredet. Die schiere Verzweiflung hatte ihn angesichts der Tatsache ergriffen, dass sein Meeting mit den Sicherheitskräften ein rechtzeitiges Eintreffen zum Abendessen unmöglich machte. Ich gab ihm für alle Fälle den Zahlencode zum Appartment und bedauerte im Stillen seine Kollegen recht herzlich – Zeno würde hervorragend schlechte Laune haben. Müßig stand ich auf, um zu sehen, ob ich meinem Gastgeber behilflich sein konnte und traf ihn mit mehlbestäubten Wangen an, beschäftigt mit der Zubereitung der Füllung.
„Kosten Sie! Fehlt noch etwas?“, forderte er mich auf, nahm ein Stück Teig mit Daumen und Zeigefinger und schob es mir umstandslos zwischen die Lippen.
„Vorsicht! Ich bin noch immer etwas lädiert“, klagte ich und deutete kauend auf meine zerbissene Unterlippe. Lorenzos Blick war undurchdringlich. Er wandte sich um, nahm ein Glas Honig vom Regal, tauchte einen Finger hinein und strich mir damit sanft über den Mund.
„Das sollte helfen. Nicht ablecken!“, ermahnte er mich.
„Hören Sie auf!“ protestierte ich und wich vor ihm zurück.
„Ungern. Tante Bianca wird sehr ungehalten sein, wenn die Tortellini nicht ihrem Geschmack entsprechen“, sagte er harmlos. Ich funkelte ihn an.
„D a s meine ich nicht!“, entgegnete ich nachdrücklich. „Geben Sie noch ein wenig Muskat hinzu!“
„Sie sollen den Honig nicht ablecken, sonst wirkt er nicht“, gab er seelenruhig zurück. Ich schloss kurz die Augen und erinnerte mich daran, wie er in den Ruinen von Ostia Antica mein Leben mit seinem geschützt hatte. Schmeckte die Süße des Honigs in meinem Mund und betastete unsicher meine geschwollene Unterlippe.
„Nicht daran rühren“, sagte er, umfasste meine Hand, zog sie zu sich empor und küsste sanft meine Fingerspitzen.
„Monsignore Lorenzo Emilio Farnese?“ ertönte eine harsche Stimme, worauf wir wie kleine Kinder aufschraken. Auf der Schwelle zur Küche stand – in Begleitung Zenos - ein Schweizer Gardist in Zivil, räusperte sich vernehmlich und bat Lorenzo um ein Gespräch in einer äußerst dringenden Sache.
Monsignore Farnese riss sich mit nachlässiger Geste das Piratentuch herunter und bedeutete dem Sicherheitsbeamten, ihm in sein Büro zu folgen. Zeno, der mit kugelrunden Augen geschwiegen hatte, lief seinem Freund händeringend hinterher.
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ElsaLaska - 4. Apr, 23:19