Mittwoch
Tante Bianca stand in der Küche wie eine Erscheinung: Sie war von Kopf bis Fuß in ein burka-ähnliches schwarzes Gewand gehüllt und vermummt bis zu den kholumrandeten Augen.
„Diese Faschisten von der Schweizer Garde haben mich tatsächlich gefilzt!“, empörte sie sich, warf den Schleier ab und bot ihrem Neffen die Wange, die dieser pflichtschuldig küsste. Der Aufstieg über sechs Stockwerke hatte nicht einmal ihren Atem beschleunigt, sie überreichte mir mit klirrenden Armreifen eine Sporttasche: eine Kleidersendung von Giulia, ein paar Toilettenartikel und einige deutsche Zeitungen.
„Was soll die orientalische Aufmachung, Tantchen?“, fragte Lorenzo amüsiert, während er den Schleier aufhob und ordentlich zusammen legte.
„Du liegst mir doch ständig in den Ohren mit diesem ‚angemessene-Bekleidung'-Sermon, Neffe! Und jetzt ist es auch wieder nicht Recht“, schnappte sie, griff sich das große Salzfass neben dem Herd und begann, Händevoll Salz in alle Ecken der Küche zu werfen.
„Das hier ist der Vatikanstaat, liebe Tante, Vatikan! Nicht Taliban! Was gibt das jetzt, ich habe erst vorhin frisch gefegt!“
Bianca streute unbeirrt weiter Salz in alle vier Himmelsrichtungen und murmelte Unverständliches vor sich hin.
„Ich muss die Aura dieses Raumes reinigen, zu viele negative Schwingungen. Stör mich jetzt nicht, kümmere dich lieber um das Essen, Loro mio!“ Loro ließ sich in einen Stuhl fallen und warf die Arme in die Höhe.
„Bianca, ich hatte einen anstrengenden Tag, würdest du bitte mit diesem heidnischen Firlefanz in meiner Wohnung aufhören? Hier sind keine negativen Schwingungen, bis auf die, die von dir ausgehen, Santa Maria!“
„So gut können deine Tortellini gar nicht sein, dass ich dir erlaube, in diesem Tonfall mit mir zu sprechen, Neffe! Ignazio hat mich vorhin angerufen, weißt du was passiert ist? Nein. Natürlich nicht. Während du den Tag am Meer und auf dem Motorrad in zugegeben angenehmer Gesellschaft verbracht hast, hat man mir meinen OSHI ZWEI aus dem Schuppen gestohlen! Ich habe tagelang daran gearbeitet. Mein Herzblut steckt darin. Kann ich auf Verständnis hoffen, auf Mitleid? Aber woher! Ich bekomme ja nicht einmal etwas zu trinken!“ Bianca stellte das Salzfass zurück an seinen Platz und knöpfte sich den Umhang auf.
„Doch nicht schon wieder Laurinius?“, wagte ich einzuwerfen und beeilte mich, der Tante ein Glas Weißwein einzuschenken. Bianca, die unter dem schwarzen Gewand ein atemberaubend dekolletiertes Kostüm trug und über und über mit antikem Schmuck behängt war, griff durstig danach und schenkte mir ein flüchtiges Lächeln.
„Quatsch Laurinius, das waren die verdammten Chinesen.“ Lorenzo vergrub das Gesicht in den Händen und schwieg.
„Die klauen in ganz Europa das Alteisen. Gullideckel! Montieren bei Nacht und Nebel Bahnschienen ab. Da bauen wir die ganzen Hochgeschwindigkeitszüge und wozu? Die Chinesenbanden reißen sich kilometerweise die Schienen unter den Nagel, und bumms! fahren wir mit 300 Sachen in ein LOCH in der Landschaft. Und alles nur, weil sie in China Eisen brauchen. Buona dea! In was für einer Zeit müssen wir leben!“ Sie stieß mit mir an und strich Lorenzo zärtlich übers Haar, der keinerlei Anstalten machte, die Antipasti zu servieren. Also holte ich die Platte mit den gratinierten Muscheln aus der Röhre, stellte sie zusammen mit Weißbrot und Grissini auf den Tisch und vergaß auch den Tintenfischsalat nicht, den unser Gastgeber mit Olivenöl und frisch gehackter Petersilie zubereitet hatte. Lorenzo berichtete seiner Tante unterdessen, dass Estefanio bereits wieder zu Hause sei und sich erstaunlich schnell erholt habe.
„Natürlich, der alte Keiler ist unverwüstlich. Außerdem macht es sich gut, wenn er rechtzeitig zum Konklave wieder hier ist“, murmelte die strega und lud sich den Teller voll.
„Hast du gerade Konklave gesagt?“, hakte Lorenzo nach und ließ fassungslos sein Besteck sinken.
„Du hast richtig verstanden, Loro“, versetzte Bianca, während sie genüsslich die Augen verdrehte. „Wie auch immer ich es anstelle, ich bekomme dieses Gratin einfach nie so hin, woran liegt das?“
<[72]
>[74]
„Diese Faschisten von der Schweizer Garde haben mich tatsächlich gefilzt!“, empörte sie sich, warf den Schleier ab und bot ihrem Neffen die Wange, die dieser pflichtschuldig küsste. Der Aufstieg über sechs Stockwerke hatte nicht einmal ihren Atem beschleunigt, sie überreichte mir mit klirrenden Armreifen eine Sporttasche: eine Kleidersendung von Giulia, ein paar Toilettenartikel und einige deutsche Zeitungen.
„Was soll die orientalische Aufmachung, Tantchen?“, fragte Lorenzo amüsiert, während er den Schleier aufhob und ordentlich zusammen legte.
„Du liegst mir doch ständig in den Ohren mit diesem ‚angemessene-Bekleidung'-Sermon, Neffe! Und jetzt ist es auch wieder nicht Recht“, schnappte sie, griff sich das große Salzfass neben dem Herd und begann, Händevoll Salz in alle Ecken der Küche zu werfen.
„Das hier ist der Vatikanstaat, liebe Tante, Vatikan! Nicht Taliban! Was gibt das jetzt, ich habe erst vorhin frisch gefegt!“
Bianca streute unbeirrt weiter Salz in alle vier Himmelsrichtungen und murmelte Unverständliches vor sich hin.
„Ich muss die Aura dieses Raumes reinigen, zu viele negative Schwingungen. Stör mich jetzt nicht, kümmere dich lieber um das Essen, Loro mio!“ Loro ließ sich in einen Stuhl fallen und warf die Arme in die Höhe.
„Bianca, ich hatte einen anstrengenden Tag, würdest du bitte mit diesem heidnischen Firlefanz in meiner Wohnung aufhören? Hier sind keine negativen Schwingungen, bis auf die, die von dir ausgehen, Santa Maria!“
„So gut können deine Tortellini gar nicht sein, dass ich dir erlaube, in diesem Tonfall mit mir zu sprechen, Neffe! Ignazio hat mich vorhin angerufen, weißt du was passiert ist? Nein. Natürlich nicht. Während du den Tag am Meer und auf dem Motorrad in zugegeben angenehmer Gesellschaft verbracht hast, hat man mir meinen OSHI ZWEI aus dem Schuppen gestohlen! Ich habe tagelang daran gearbeitet. Mein Herzblut steckt darin. Kann ich auf Verständnis hoffen, auf Mitleid? Aber woher! Ich bekomme ja nicht einmal etwas zu trinken!“ Bianca stellte das Salzfass zurück an seinen Platz und knöpfte sich den Umhang auf.
„Doch nicht schon wieder Laurinius?“, wagte ich einzuwerfen und beeilte mich, der Tante ein Glas Weißwein einzuschenken. Bianca, die unter dem schwarzen Gewand ein atemberaubend dekolletiertes Kostüm trug und über und über mit antikem Schmuck behängt war, griff durstig danach und schenkte mir ein flüchtiges Lächeln.
„Quatsch Laurinius, das waren die verdammten Chinesen.“ Lorenzo vergrub das Gesicht in den Händen und schwieg.
„Die klauen in ganz Europa das Alteisen. Gullideckel! Montieren bei Nacht und Nebel Bahnschienen ab. Da bauen wir die ganzen Hochgeschwindigkeitszüge und wozu? Die Chinesenbanden reißen sich kilometerweise die Schienen unter den Nagel, und bumms! fahren wir mit 300 Sachen in ein LOCH in der Landschaft. Und alles nur, weil sie in China Eisen brauchen. Buona dea! In was für einer Zeit müssen wir leben!“ Sie stieß mit mir an und strich Lorenzo zärtlich übers Haar, der keinerlei Anstalten machte, die Antipasti zu servieren. Also holte ich die Platte mit den gratinierten Muscheln aus der Röhre, stellte sie zusammen mit Weißbrot und Grissini auf den Tisch und vergaß auch den Tintenfischsalat nicht, den unser Gastgeber mit Olivenöl und frisch gehackter Petersilie zubereitet hatte. Lorenzo berichtete seiner Tante unterdessen, dass Estefanio bereits wieder zu Hause sei und sich erstaunlich schnell erholt habe.
„Natürlich, der alte Keiler ist unverwüstlich. Außerdem macht es sich gut, wenn er rechtzeitig zum Konklave wieder hier ist“, murmelte die strega und lud sich den Teller voll.
„Hast du gerade Konklave gesagt?“, hakte Lorenzo nach und ließ fassungslos sein Besteck sinken.
„Du hast richtig verstanden, Loro“, versetzte Bianca, während sie genüsslich die Augen verdrehte. „Wie auch immer ich es anstelle, ich bekomme dieses Gratin einfach nie so hin, woran liegt das?“
<[72]
>[74]
ElsaLaska - 5. Apr, 23:47
Nicht schlecht
Atmosphäre! Wow! Und das nachts am Computer lesen ;-)
Mehr an Reaktion gewünscht?
Gruß
fbtde