Samstag
„Gut, also. Wir gehen jetzt in der Zeit zurück. Folgen Sie mir!“
Ein strahlend schöner Apriltag im Rom des Jahres 1513 ist gerade angebrochen. Die Luft ist noch kühl, ein frischer Wind streicht durch die Gassen, aber der verheißungsvolle Duft von Frühling liegt schon seit Tagen über der Stadt. Der wolkenlose Himmel verleiht den Schatten der neuerbauten Palazzi in der Via Larga scharfe Konturen. Um diese Stunde sind nur Dienstboten und Mägde unterwegs, um die unaufschiebbaren Besorgungen ihrer Herrschaft zu erledigen. Sophia Anfisba Onofri zieht sich den Schleier tiefer in die Stirn, rafft die Aufschläge ihres Mantels um ihren Hals und überprüft noch einmal den Sitz des Lederriemens auf ihrer linken Schulter, mit dem sie ihren Farbenkasten befestigt hat. Sie ist auf dem Weg in das Haus des Großinquisitors Galeazzo Ermano Farnese, der ihr den ersten bezahlten Auftrag verschafft hat: Seinen Sohn soll sie malen, der mächtige Herr hat ihr tatsächlich den Auftrag für die Anfertigung eines Porträts gegeben, obwohl sie eine Frau ist und noch nicht einmal zwanzig Jahre alt. Sophia ist aufgeregt, bisher hat sie nur zu ihrem Vergnügen gemalt, aber dank der Güte des Farnese-Inquisitors und seiner Liebe zu seinem illegitimen Sohn, der in Kürze trotz seines jugendlichen Alters zum Kardinal erhoben werden soll, wird sie bald gutes Geld verdienen. Geld, das ihr Unabhängigkeit und den Status einer professionellen Malerin verleihen soll. Wenn die Arbeit zur Zufriedenheit des Herrn ausfallen wird – und sie ist gewiss, in der Selbstsicherheit der Jugend, dass ihre Malerei reüssiert – dann werden weitere Aufträge folgen. Sophia meldet sich mit fester Stimme im Palazzo an, die ihre innere Unruhe kaum überspielen kann. An diesem Tag wird sich ihr Schicksal wenden, und sie sendet zur Sicherheit ein Stoßgebet an die Dame Fortuna, damit diese ihr gewogen bleibt. Eifrige Hände haben die Leinwand schon nach ihren Wünschen aufgebaut, die riesigen Fenster im Salon von Andrea Farnese sind weit geöffnet, um das hellschimmernde Frühlicht hereinzulassen, das sie für ihre Arbeit benötigt. Mit zitternden Fingern setzt sie den Farbenkasten ab und knöpft sich den Mantel auf. Andrea Farnese, ein Jüngling von 18 Jahren mit langen schwarzen Wimpern und Marmorteint sitzt bereits an seinem Schreibpult und geht einige Papiere durch. In dieser Pose soll sie ihn malen – ein Buch vor ihm aufgeschlagen, oder vielleicht wie er gerade einen Brief verfasst, man hat ihr diesbezüglich freie Hand gelassen. Sophia grüßt artig und packt ihre Stifte, Pinsel und Farben aus. Sie hat Andrea nie zuvor gesehen und heißt ihn schüchtern, seinen Stuhl in besseres Licht zu rücken. Die junge Malerin arrangiert seine Hände, bittet ihn, den Kopf zu neigen und ordnet schließlich, um Verzeihung heischend, sein Haar. Dann setzt sie sich ihm mit klopfendem Herzen gegenüber und betrachtet ihn eingehend -für eine sehr lange Zeit. Wir dürfen annehmen, dass dies der Moment war, in dem sie sich in ihn verliebt hat. Denn dass sie unsterblich in ihn verliebt war, davon legen Zärtlichkeit und Feinheit in der Ausführung seiner Züge Zeugnis ab. Das Porträt Andrea Farneses ist, trotz der grauenhaften und unheilvollen Geschichte, die sich mit seiner Entstehung verknüpft, eines der eindrucksvollsten – und unbekanntesten - Zeugnisse italienischer Malkunst der Renaissancezeit. Sophia Anfisba Onofri hat die Liebe zu dem Farnese-Sprößling mit ihrem Leben bezahlt, das Porträt Andreas sollte in der Tat ihr erstes und letztes Auftragwerk werden. Noch aber hat sich ihr Schicksal nicht erfüllt, mit fließenden Bewegungen nähert sie sich der Staffelei und beginnt, in kreativer Trance, mit den Umrissen des geplanten Porträts.
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Ein strahlend schöner Apriltag im Rom des Jahres 1513 ist gerade angebrochen. Die Luft ist noch kühl, ein frischer Wind streicht durch die Gassen, aber der verheißungsvolle Duft von Frühling liegt schon seit Tagen über der Stadt. Der wolkenlose Himmel verleiht den Schatten der neuerbauten Palazzi in der Via Larga scharfe Konturen. Um diese Stunde sind nur Dienstboten und Mägde unterwegs, um die unaufschiebbaren Besorgungen ihrer Herrschaft zu erledigen. Sophia Anfisba Onofri zieht sich den Schleier tiefer in die Stirn, rafft die Aufschläge ihres Mantels um ihren Hals und überprüft noch einmal den Sitz des Lederriemens auf ihrer linken Schulter, mit dem sie ihren Farbenkasten befestigt hat. Sie ist auf dem Weg in das Haus des Großinquisitors Galeazzo Ermano Farnese, der ihr den ersten bezahlten Auftrag verschafft hat: Seinen Sohn soll sie malen, der mächtige Herr hat ihr tatsächlich den Auftrag für die Anfertigung eines Porträts gegeben, obwohl sie eine Frau ist und noch nicht einmal zwanzig Jahre alt. Sophia ist aufgeregt, bisher hat sie nur zu ihrem Vergnügen gemalt, aber dank der Güte des Farnese-Inquisitors und seiner Liebe zu seinem illegitimen Sohn, der in Kürze trotz seines jugendlichen Alters zum Kardinal erhoben werden soll, wird sie bald gutes Geld verdienen. Geld, das ihr Unabhängigkeit und den Status einer professionellen Malerin verleihen soll. Wenn die Arbeit zur Zufriedenheit des Herrn ausfallen wird – und sie ist gewiss, in der Selbstsicherheit der Jugend, dass ihre Malerei reüssiert – dann werden weitere Aufträge folgen. Sophia meldet sich mit fester Stimme im Palazzo an, die ihre innere Unruhe kaum überspielen kann. An diesem Tag wird sich ihr Schicksal wenden, und sie sendet zur Sicherheit ein Stoßgebet an die Dame Fortuna, damit diese ihr gewogen bleibt. Eifrige Hände haben die Leinwand schon nach ihren Wünschen aufgebaut, die riesigen Fenster im Salon von Andrea Farnese sind weit geöffnet, um das hellschimmernde Frühlicht hereinzulassen, das sie für ihre Arbeit benötigt. Mit zitternden Fingern setzt sie den Farbenkasten ab und knöpft sich den Mantel auf. Andrea Farnese, ein Jüngling von 18 Jahren mit langen schwarzen Wimpern und Marmorteint sitzt bereits an seinem Schreibpult und geht einige Papiere durch. In dieser Pose soll sie ihn malen – ein Buch vor ihm aufgeschlagen, oder vielleicht wie er gerade einen Brief verfasst, man hat ihr diesbezüglich freie Hand gelassen. Sophia grüßt artig und packt ihre Stifte, Pinsel und Farben aus. Sie hat Andrea nie zuvor gesehen und heißt ihn schüchtern, seinen Stuhl in besseres Licht zu rücken. Die junge Malerin arrangiert seine Hände, bittet ihn, den Kopf zu neigen und ordnet schließlich, um Verzeihung heischend, sein Haar. Dann setzt sie sich ihm mit klopfendem Herzen gegenüber und betrachtet ihn eingehend -für eine sehr lange Zeit. Wir dürfen annehmen, dass dies der Moment war, in dem sie sich in ihn verliebt hat. Denn dass sie unsterblich in ihn verliebt war, davon legen Zärtlichkeit und Feinheit in der Ausführung seiner Züge Zeugnis ab. Das Porträt Andrea Farneses ist, trotz der grauenhaften und unheilvollen Geschichte, die sich mit seiner Entstehung verknüpft, eines der eindrucksvollsten – und unbekanntesten - Zeugnisse italienischer Malkunst der Renaissancezeit. Sophia Anfisba Onofri hat die Liebe zu dem Farnese-Sprößling mit ihrem Leben bezahlt, das Porträt Andreas sollte in der Tat ihr erstes und letztes Auftragwerk werden. Noch aber hat sich ihr Schicksal nicht erfüllt, mit fließenden Bewegungen nähert sie sich der Staffelei und beginnt, in kreativer Trance, mit den Umrissen des geplanten Porträts.
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ElsaLaska - 8. Apr, 02:52