Sonntag (III)
Die Pizzeria, die Leitmayr ausgesucht hatte, war tatsächlich sehr gemütlich und kein ausgesprochenes Touristenlokal, wie ich zunächst befürchtet hatte. Die Cotto-Fliesen der Böden glänzten vor Alter, die Wände waren schlicht weiß getüncht, auf den Tischen standen dicke Kerzen und tauchten alles in einen goldenen Schimmer. Wir tranken Bier und teilten uns eine Insalata Caprese als Vorspeise. Hauptgesprächsthema war – natürlich – die Familie Farnese.
„Erstaunlich, dass Giulia und Lorenzo Geschwister sein sollen“, wunderte sich Leitmayr, während er die Basilikumblättchen von seinem Mozzarella heruntersortierte. „Giulia ist ein solch entzückendes Geschöpf! Lebhaft, warmherzig, mit einem ansteckenden Lachen. Eine tolle Frau. Dagegen der Monsignore, er scheint mir eher nach Bianca geraten zu sein, exzentrisch und dabei recht zwielichtig. Ehrlich gesagt bin ich mir noch nicht ganz im Klaren darüber, ob er nicht mit Laurinius unter einer Decke steckt.“ So schön es war, sich wieder einmal mit jemandem auf Deutsch unterhalten zu können – gegen die leidenschaftliche Emphase, mit der Lorenzo eine schlichte Frage wie „Möchten Sie noch etwas caffè?“ formulieren konnte, klangen selbst Leitmayrs Lobeshymnen auf Giulia trocken und fad.
„Läuft die Fahndung nach dem Professor noch? Gibt es eine Spur?“, fragte ich.
„Die Fahndung läuft noch, leider bislang ohne Erfolg. Laurinius scheint der Erdboden verschluckt zu haben. Dass die beiden Kontakt hatten, wissen wir jedenfalls ganz sicher!“
„In einer unbedeutenden, kunsthistorischen Frage, das beweist doch gar nichts“, erwiderte ich.
Leitmayr spuckte diskret einen Olivenkern durch die hohle Hand auf seinen Teller. „Der Monsignore ist nicht der makellose und integre Gottesmann, den Sie in ihm sehen.“
„Ist er nicht?“, fragte ich in gespieltem Erstaunen und griff schnell nach meinem Bier, um mein Grinsen zu verbergen.
„Er gilt als Koryphäe, was religiöse Kunst und Kirchengeschichte betrifft, eine sehr streitlustige Koryphäe allerdings. In Kunstdebatten tritt er gerne divenhaft auf und äußert Meinungen, die sich nicht mit der herrschenden Lehre der katholischen Kirche in Einklang bringen lassen. Was ihm auch schon ein paar ernsthafte Ermahnungen von seiten seines Vorgesetzten eingetragen hat.“
Leitmayr machte ein Gesicht, als bedauere er, dass man die Ketzerverbrennung abgeschafft hatte.
Ich hieb mit der flachen Hand auf den Tisch. „Das ist wirklich unerhört, was Sie mir da erzählen, Kommissar Leitmayr!“
„Nennen Sie mich Francesco.“
Ich schaute ihn verwirrt an. „Giulia nennt mich so, es gefällt ihr besser als Franz, und mir eigentlich auch“, führte er aus.
„Sie haben mein - zugegeben - stark idealisiertes Bild von Monsignore Farnese in seinen Grundfesten erschüttert, Francesco. Dennoch kann ich nicht glauben, dass er ein Kunsträuber sein soll.“
Die Pizza wurde aufgetragen, sie dampfte noch und Francesco Leitmayr beugte sich schnuppernd darüber.
„Erstens hat er die Gelegenheit, er ist Herr der interessantesten Archive im Vatikan, und zweitens braucht er das Geld.“
Um Geld würde sich Lorenzo gewiss keine Sorgen mehr machen brauchen, wenn erst sein Enthüllungsbuch erschienen war, aber das konnte ich Francesco natürlich nicht auf die Nase binden.
„Kollege Aurel legt allerdings die Hand für Monsignore Farnese ins Feuer. Man isst sie so, sehen Sie? Einfach zusammenklappen. Das hat mir Giulia gezeigt. Sind Sie übrigens in ihn verliebt?“
„Was???“
„Sie brauchen nicht rot zu werden. Das ist doch eine völlig normale Sache.“ Leitmayr biss gutgelaunt in seine Pizza Margherita. „Der Vice-Questore ist ein sehr angenehmer Mann mit netten Umgangsformen, ich dachte mir gleich, dass da was läuft.“
Er zwinkerte mir komplizenhaft zu.
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„Erstaunlich, dass Giulia und Lorenzo Geschwister sein sollen“, wunderte sich Leitmayr, während er die Basilikumblättchen von seinem Mozzarella heruntersortierte. „Giulia ist ein solch entzückendes Geschöpf! Lebhaft, warmherzig, mit einem ansteckenden Lachen. Eine tolle Frau. Dagegen der Monsignore, er scheint mir eher nach Bianca geraten zu sein, exzentrisch und dabei recht zwielichtig. Ehrlich gesagt bin ich mir noch nicht ganz im Klaren darüber, ob er nicht mit Laurinius unter einer Decke steckt.“ So schön es war, sich wieder einmal mit jemandem auf Deutsch unterhalten zu können – gegen die leidenschaftliche Emphase, mit der Lorenzo eine schlichte Frage wie „Möchten Sie noch etwas caffè?“ formulieren konnte, klangen selbst Leitmayrs Lobeshymnen auf Giulia trocken und fad.
„Läuft die Fahndung nach dem Professor noch? Gibt es eine Spur?“, fragte ich.
„Die Fahndung läuft noch, leider bislang ohne Erfolg. Laurinius scheint der Erdboden verschluckt zu haben. Dass die beiden Kontakt hatten, wissen wir jedenfalls ganz sicher!“
„In einer unbedeutenden, kunsthistorischen Frage, das beweist doch gar nichts“, erwiderte ich.
Leitmayr spuckte diskret einen Olivenkern durch die hohle Hand auf seinen Teller. „Der Monsignore ist nicht der makellose und integre Gottesmann, den Sie in ihm sehen.“
„Ist er nicht?“, fragte ich in gespieltem Erstaunen und griff schnell nach meinem Bier, um mein Grinsen zu verbergen.
„Er gilt als Koryphäe, was religiöse Kunst und Kirchengeschichte betrifft, eine sehr streitlustige Koryphäe allerdings. In Kunstdebatten tritt er gerne divenhaft auf und äußert Meinungen, die sich nicht mit der herrschenden Lehre der katholischen Kirche in Einklang bringen lassen. Was ihm auch schon ein paar ernsthafte Ermahnungen von seiten seines Vorgesetzten eingetragen hat.“
Leitmayr machte ein Gesicht, als bedauere er, dass man die Ketzerverbrennung abgeschafft hatte.
Ich hieb mit der flachen Hand auf den Tisch. „Das ist wirklich unerhört, was Sie mir da erzählen, Kommissar Leitmayr!“
„Nennen Sie mich Francesco.“
Ich schaute ihn verwirrt an. „Giulia nennt mich so, es gefällt ihr besser als Franz, und mir eigentlich auch“, führte er aus.
„Sie haben mein - zugegeben - stark idealisiertes Bild von Monsignore Farnese in seinen Grundfesten erschüttert, Francesco. Dennoch kann ich nicht glauben, dass er ein Kunsträuber sein soll.“
Die Pizza wurde aufgetragen, sie dampfte noch und Francesco Leitmayr beugte sich schnuppernd darüber.
„Erstens hat er die Gelegenheit, er ist Herr der interessantesten Archive im Vatikan, und zweitens braucht er das Geld.“
Um Geld würde sich Lorenzo gewiss keine Sorgen mehr machen brauchen, wenn erst sein Enthüllungsbuch erschienen war, aber das konnte ich Francesco natürlich nicht auf die Nase binden.
„Kollege Aurel legt allerdings die Hand für Monsignore Farnese ins Feuer. Man isst sie so, sehen Sie? Einfach zusammenklappen. Das hat mir Giulia gezeigt. Sind Sie übrigens in ihn verliebt?“
„Was???“
„Sie brauchen nicht rot zu werden. Das ist doch eine völlig normale Sache.“ Leitmayr biss gutgelaunt in seine Pizza Margherita. „Der Vice-Questore ist ein sehr angenehmer Mann mit netten Umgangsformen, ich dachte mir gleich, dass da was läuft.“
Er zwinkerte mir komplizenhaft zu.
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ElsaLaska - 17. Apr, 19:58
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