Dienstag
Die Zeiger der Küchenuhr wiesen auf halb Eins; während Lorenzo in seinem Büro online ging, setzte ich Kaffee auf, wärmte die Espressotassen mit heißem Wasser vor und füllte die Zuckerdose nach. Der Kaffee kochte brodelnd hoch, ich drehte das Gas ab und stellte alles auf ein Tablett. Bald kannte ich mich in Lorenzos Küche besser aus als in meiner.
„Erledigt, der Eintrag ist gelöscht. Das war eine unverzeihliche Gedankenlosigkeit von mir, wenn Sie mich nicht darauf gestoßen hätten, nein, das will ich mir gar nicht ausmalen!“
„Was war los mit Ihnen? Ich versuche, Ihnen zu helfen, und Sie geraten völlig außer sich!“ Ein Umstand, dem ich verdankte, dass die Frage, was ich eigentlich auf seinem Weblog zu suchen hatte, nicht weiter erörtert worden war. Weshalb ich auch beabsichtigte, das Thema nicht allzusehr zu vertiefen.
„Vergessen Sie’s. Das war heute nicht mein Abend. Ich habe mich beim stellvertretenden Kardinalstaatssekretär beinahe um Kopf und Kragen geredet, glücklicherweise hat Estefanio das Schlimmste verhindert.“
„Wie ist ihm das denn gelungen? Hat er Sie niedergeschlagen?“, erwiderte ich spöttisch.
„Mein Onkel hat sich jedenfalls nicht auf mich geworfen wie eine Furie und mir fast das Schlüsselbein gebrochen. Wobei das einen eigenen Reiz entfalten kann, wie ich gerne zugebe.“
„Freut mich, wenn es Ihnen gefallen hat! Ich werde Estefanio bei Gelegenheit diese Methode ans Herz legen!“, gab ich vergnügt zurück.
„Unterstehen Sie sich!“ Er schnappte sich einen tragbaren CD-Player von der Anrichte und bedeutet mir, ihm auf die Loggia zu folgen, wo er den Player anschloss. Anstatt in seinem Sessel nahm er auf der Bank Platz und klopfte einladend neben sich, bevor er die Musik anstellte – eine Wagner-Oper: Lohengrin.
„Sie scherzen?“, sagte ich und wies auf das Gerät.
„Was? Ach, Elsa und Lohengrin, nein, das ist Zufall“, grinste er, „es geht nur darum, ein bisschen Hintergrundgeräusch zu haben, damit wir freier sprechen können. Ihr caffè wird übrigens immer besser!“
„Danke, ich habe einen guten Lehrmeister. Aber das hätten Sie mir doch ohne akustische Vorsichtsmaßnahmen sagen können“, strahlte ich.
Wir saßen eng nebeneinander, er beugte den Kopf und für einen Moment streiften seine Lippen wie unabsichtlich meine Wange. Dann erzählte er mir, mit leiser Stimme direkt an meinem Ohr, die Geschichte des geheimsten aller vatikanischen Geheimbünde, der Rolle, die er darin spielte und die Hintergründe seiner Autorenschaft für das Buch. Seine ungewohnte Nähe und der sinnliche Duft von Acqua di Parma, der damit einherging, sorgte allerdings dafür, dass ich hin und wieder den Faden verlor und flüsternd nachfragen musste. Selbst beim Verlag kannte niemand seine wahre Identität, es hatte nie ein persönliches Gespräch gegeben, das Honorar wurde an eine karitative Einrichtung gezahlt, alles soweit klar, aber dieses ganze Gewirr von Logen, Orden, Seilschaften und deren Ziele war äußerst kompliziert. Das war im Grunde auch nicht das Problem, schließlich würde ich alles in Kürze nachlesen können. Das wahre Problem kämpfte sich einen Weg nach oben aus den unergründlichen Kavernen meines Unterbewusstseins und nahm gerade Gestalt an, weniger verspielt als vielmehr in schlichter Stringenz, dabei aber doch mit einer gewissen heimtückischen Wucht, mit der ich nicht gerechnet hatte.
Es bestand darin, dass Lorenzo mir mehr unter die Haut ging, als er sollte.
„Bei Ihnen hat es gerade Klick gemacht, ich konnte es förmlich hören“, unterbrach er seine Ausführungen.
„Äh ja, ich glaube, das hat es tatsächlich. Sie haben alles sehr gut erklärt“, stotterte ich und bot ihm eine Zigarette an. Er griff danach und lehnte sich zufrieden zurück.
„Wenn man je dahinter käme, dass es sich bei Anonymus um Sie handelt, wäre das so schlimm? Ich meine, Sie könnten doch immer noch Ihre Trattoria aufmachen oder Gitarre spielen?“
Ich gab ihm Feuer. Lorenzo nahm zwei drei tiefe Züge.
„Um eine Trattoria aufzumachen oder Gitarre zu spielen sollte man über unversehrte Gliedmaßen verfügen, mindestens sollte man aber noch am Leben sein. Konnte ich Ihre Frage beantworten?“
Ich schwieg. Eine der vielen Wolken, die mittlerweile aufgezogen waren, übernahm es, den erschöpften Mond mit zärtlicher Unerbittlichkeit zu bedecken.
<[85]
>[87]
„Erledigt, der Eintrag ist gelöscht. Das war eine unverzeihliche Gedankenlosigkeit von mir, wenn Sie mich nicht darauf gestoßen hätten, nein, das will ich mir gar nicht ausmalen!“
„Was war los mit Ihnen? Ich versuche, Ihnen zu helfen, und Sie geraten völlig außer sich!“ Ein Umstand, dem ich verdankte, dass die Frage, was ich eigentlich auf seinem Weblog zu suchen hatte, nicht weiter erörtert worden war. Weshalb ich auch beabsichtigte, das Thema nicht allzusehr zu vertiefen.
„Vergessen Sie’s. Das war heute nicht mein Abend. Ich habe mich beim stellvertretenden Kardinalstaatssekretär beinahe um Kopf und Kragen geredet, glücklicherweise hat Estefanio das Schlimmste verhindert.“
„Wie ist ihm das denn gelungen? Hat er Sie niedergeschlagen?“, erwiderte ich spöttisch.
„Mein Onkel hat sich jedenfalls nicht auf mich geworfen wie eine Furie und mir fast das Schlüsselbein gebrochen. Wobei das einen eigenen Reiz entfalten kann, wie ich gerne zugebe.“
„Freut mich, wenn es Ihnen gefallen hat! Ich werde Estefanio bei Gelegenheit diese Methode ans Herz legen!“, gab ich vergnügt zurück.
„Unterstehen Sie sich!“ Er schnappte sich einen tragbaren CD-Player von der Anrichte und bedeutet mir, ihm auf die Loggia zu folgen, wo er den Player anschloss. Anstatt in seinem Sessel nahm er auf der Bank Platz und klopfte einladend neben sich, bevor er die Musik anstellte – eine Wagner-Oper: Lohengrin.
„Sie scherzen?“, sagte ich und wies auf das Gerät.
„Was? Ach, Elsa und Lohengrin, nein, das ist Zufall“, grinste er, „es geht nur darum, ein bisschen Hintergrundgeräusch zu haben, damit wir freier sprechen können. Ihr caffè wird übrigens immer besser!“
„Danke, ich habe einen guten Lehrmeister. Aber das hätten Sie mir doch ohne akustische Vorsichtsmaßnahmen sagen können“, strahlte ich.
Wir saßen eng nebeneinander, er beugte den Kopf und für einen Moment streiften seine Lippen wie unabsichtlich meine Wange. Dann erzählte er mir, mit leiser Stimme direkt an meinem Ohr, die Geschichte des geheimsten aller vatikanischen Geheimbünde, der Rolle, die er darin spielte und die Hintergründe seiner Autorenschaft für das Buch. Seine ungewohnte Nähe und der sinnliche Duft von Acqua di Parma, der damit einherging, sorgte allerdings dafür, dass ich hin und wieder den Faden verlor und flüsternd nachfragen musste. Selbst beim Verlag kannte niemand seine wahre Identität, es hatte nie ein persönliches Gespräch gegeben, das Honorar wurde an eine karitative Einrichtung gezahlt, alles soweit klar, aber dieses ganze Gewirr von Logen, Orden, Seilschaften und deren Ziele war äußerst kompliziert. Das war im Grunde auch nicht das Problem, schließlich würde ich alles in Kürze nachlesen können. Das wahre Problem kämpfte sich einen Weg nach oben aus den unergründlichen Kavernen meines Unterbewusstseins und nahm gerade Gestalt an, weniger verspielt als vielmehr in schlichter Stringenz, dabei aber doch mit einer gewissen heimtückischen Wucht, mit der ich nicht gerechnet hatte.
Es bestand darin, dass Lorenzo mir mehr unter die Haut ging, als er sollte.
„Bei Ihnen hat es gerade Klick gemacht, ich konnte es förmlich hören“, unterbrach er seine Ausführungen.
„Äh ja, ich glaube, das hat es tatsächlich. Sie haben alles sehr gut erklärt“, stotterte ich und bot ihm eine Zigarette an. Er griff danach und lehnte sich zufrieden zurück.
„Wenn man je dahinter käme, dass es sich bei Anonymus um Sie handelt, wäre das so schlimm? Ich meine, Sie könnten doch immer noch Ihre Trattoria aufmachen oder Gitarre spielen?“
Ich gab ihm Feuer. Lorenzo nahm zwei drei tiefe Züge.
„Um eine Trattoria aufzumachen oder Gitarre zu spielen sollte man über unversehrte Gliedmaßen verfügen, mindestens sollte man aber noch am Leben sein. Konnte ich Ihre Frage beantworten?“
Ich schwieg. Eine der vielen Wolken, die mittlerweile aufgezogen waren, übernahm es, den erschöpften Mond mit zärtlicher Unerbittlichkeit zu bedecken.
<[85]
>[87]
ElsaLaska - 18. Apr, 21:37
Die Blognovela - - 0 Trackbacks - 1371x gelesen
Trackback URL:
https://elsalaska.twoday.net/stories/1842370/modTrackback