Mittwoch
Am nächsten Morgen weckte mich das unbarmherzige Kreischen meines Handys. Ich fiel direkt vom Bett aus auf die Knie und krabbelte in Richtung Lärmquelle, ohne Zeit damit zu vergeuden, mich erst aufzurichten. Es war Giulia, und sie war blendender Laune. Sie habe lange mit sich gerungen, aber schließlich sei sie zu dem Ergebnis gekommen, dass ich mich unsterblich langweilen müsse zusammen mit ihrem Bruder, dessen Gesellschaft eine wahre Zumutung sein könne, und dazu noch hinter den erdrückenden Mauern des Vatikans. Drum habe sie Zeno bekniet, der ihr eine gepanzerte Limousine von irgendeinem Bekannten aus dem Innenministerium beschafft habe und noch dazu einen in Ungnade gefallenen Sicherheitsbeamten, damit wir beide ungestört und in aller Ruhe shoppen gehen könnten. Meine Garderobe, das wisse sie aus eigener Anschauung, sei in beklagenswertem Zustand, und wo sie schon einmal dabei sei, offen mit mir zu sprechen, meine Haare seien es auch. Weshalb sie mich ihrem Friseur vorstellen wolle, stockschwul, aber ein begnadeter Bingospieler und mit vielerlei Talenten gesegnet. Danach ein schönes Mittagessen in einem exquisiten Restaurant, und ein anregendes Gespräch von Frau zu Frau, das sei es, was ich bräuchte. Weshalb sie mich in, sagen wir, dreißig Minuten am Petersplatz erwarten würde. Ich grunzte ein „Va bene!“ in das Handy und zog mich an der Türklinke zum Bad in die Höhe. Nachdem ich mich halbwegs frisch gemacht hatte, fand ich in der Küche einen riesigen Strauß orangener Tulpen vor und neben der Vase einen Zettel, mit dem Lorenzo mich darüber informierte, dass er mir einen schönen Tag wünsche und ich nur noch den Gasherd aufdrehen müsse, die Kaffeekanne sei vorbereitet, ich solle aber nicht vergessen, die Tasse vorzuwärmen und die Milch HEISS aufzuschäumen. Wunderbar. Wie hatte mein Leben nur ausgesehen, bevor ich ihn kennenlernte? Nun schrieben wir uns also schon Zettel. Ich notierte ihm auf, dass ich mit seiner Schwester unterwegs sein würde und er sich keine Sorgen zu machen brauchte, überlegte kurz, ob ich mit einem Lippenstiftkussmund siegeln sollte, fürchtete aber, dass ihm vielleicht die Ironie dahinter verborgen bliebe. Immerhin war er Italiener. Und was für einer.
Keine fünfzehn Minuten später stieg ich in die weiße Stretchlimousine, mit der Giulia mich abgeholt hatte und uns, als allererste Station unseres Raubzugs, vor einem erstklassigen Dessousladen wieder absetzte.
Giulia war völlig selbstlos in ihrem Bemühen, mir die allerfeinsten Bustiers, BHs, Unterröcke und Strapse in die Umkleidekabine zu reichen. Sie verwarf unbarmherzig Bonbonfarben oder schlichtes Weiß und riet mir dringend zu Maulbeer und tiefdunklem Violett. Die blondierte Verkäuferin in bauchfreier Tweedhose unterstützte sie dabei nach Kräften. Maulbeer und überhaupt sämtliche Purpurtöne unterstrichen den Bronzeton meiner Haut, in ihnen läge Heil und Segen. Ich betrachtete mich skeptisch im Spiegel und wandte kleinlaut ein, dass ich keine BHs zu tragen pflegte, was höflich überhört wurde. Mittlerweile hatte sich ein Pulk von interessierten Kundinnen und weiteren Verkäuferinnen vor meiner Umkleidekabine versammelt, um sich lauthals darüber auszutauschen, welche Dessouskombination mir wahrlich zum Vorteil gereichen würde. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich den Laden mit zwei Dreierpacken Baumwollslips verlassen, aber es ging nicht nach mir. Der Jordan war allerdings überschritten, als Giulia mir triumphierend eine dreiteilige Kombination mit Strapsen überreichte und zum wiederholten Mal anmerkte, dass diese sicherlich Lorenzos Beifall finden würde.
„Das reicht jetzt, Giulia, ich weiß nicht, wie du auf die Idee kommst, aber ich schlafe NICHT mit deinem Bruder und habe es auch nicht vor!“, protestierte ich scharf.
Sie warf mir einen verständnislosen Blick zu. „Ihr seid Tag und Nacht zusammen, ich habe gesehen, wie ihr euch anschaut, cara mia, mir kannst du doch nichts vormachen!“
„Ich gehe doch nicht mit einem Bischof ins Bett!“, rief ich aus, was von den umstehenden Frauen teils mit Beifall, teils mit Unverständnis quittiert wurde.
„Soll das heißen, dass du meinen Bruder nicht attraktiv findest?“, schmollte sie ungläubig und ließ durchblicken, das dies einer persönlichen Beleidigung gleich käme. Ich holte tief Luft.
„Dein Bruder ist der attraktivste Mann, den ich kenne, er hat Charme, er ist intelligent. Sehen wir von seinen Launen einmal ab, die einen verrückt machen können, ist er geradezu umwerfend-“
An dieser Stelle erhoben sich ermunternde Kommentare, Bellissimo-Ausrufe und „Amore!Amore!“-Proklamationen, weshalb ich meine Stimme senkte, „aber, zufälligerweise, auch noch geweihter Priester, falls du das vergessen haben solltest!“
Giulias Augen glänzten. „Weißt du, an wen du mich erinnerst? An Francesco!“
Ich schaute an meiner dreiteiligen maulbeerfarbenen Kombination mit Strapsen herunter und fragte mich, ob sie noch ganz bei Trost war.
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Keine fünfzehn Minuten später stieg ich in die weiße Stretchlimousine, mit der Giulia mich abgeholt hatte und uns, als allererste Station unseres Raubzugs, vor einem erstklassigen Dessousladen wieder absetzte.
Giulia war völlig selbstlos in ihrem Bemühen, mir die allerfeinsten Bustiers, BHs, Unterröcke und Strapse in die Umkleidekabine zu reichen. Sie verwarf unbarmherzig Bonbonfarben oder schlichtes Weiß und riet mir dringend zu Maulbeer und tiefdunklem Violett. Die blondierte Verkäuferin in bauchfreier Tweedhose unterstützte sie dabei nach Kräften. Maulbeer und überhaupt sämtliche Purpurtöne unterstrichen den Bronzeton meiner Haut, in ihnen läge Heil und Segen. Ich betrachtete mich skeptisch im Spiegel und wandte kleinlaut ein, dass ich keine BHs zu tragen pflegte, was höflich überhört wurde. Mittlerweile hatte sich ein Pulk von interessierten Kundinnen und weiteren Verkäuferinnen vor meiner Umkleidekabine versammelt, um sich lauthals darüber auszutauschen, welche Dessouskombination mir wahrlich zum Vorteil gereichen würde. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich den Laden mit zwei Dreierpacken Baumwollslips verlassen, aber es ging nicht nach mir. Der Jordan war allerdings überschritten, als Giulia mir triumphierend eine dreiteilige Kombination mit Strapsen überreichte und zum wiederholten Mal anmerkte, dass diese sicherlich Lorenzos Beifall finden würde.
„Das reicht jetzt, Giulia, ich weiß nicht, wie du auf die Idee kommst, aber ich schlafe NICHT mit deinem Bruder und habe es auch nicht vor!“, protestierte ich scharf.
Sie warf mir einen verständnislosen Blick zu. „Ihr seid Tag und Nacht zusammen, ich habe gesehen, wie ihr euch anschaut, cara mia, mir kannst du doch nichts vormachen!“
„Ich gehe doch nicht mit einem Bischof ins Bett!“, rief ich aus, was von den umstehenden Frauen teils mit Beifall, teils mit Unverständnis quittiert wurde.
„Soll das heißen, dass du meinen Bruder nicht attraktiv findest?“, schmollte sie ungläubig und ließ durchblicken, das dies einer persönlichen Beleidigung gleich käme. Ich holte tief Luft.
„Dein Bruder ist der attraktivste Mann, den ich kenne, er hat Charme, er ist intelligent. Sehen wir von seinen Launen einmal ab, die einen verrückt machen können, ist er geradezu umwerfend-“
An dieser Stelle erhoben sich ermunternde Kommentare, Bellissimo-Ausrufe und „Amore!Amore!“-Proklamationen, weshalb ich meine Stimme senkte, „aber, zufälligerweise, auch noch geweihter Priester, falls du das vergessen haben solltest!“
Giulias Augen glänzten. „Weißt du, an wen du mich erinnerst? An Francesco!“
Ich schaute an meiner dreiteiligen maulbeerfarbenen Kombination mit Strapsen herunter und fragte mich, ob sie noch ganz bei Trost war.
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ElsaLaska - 19. Apr, 01:34
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