Freitag
Nachdem Zeno den Tisch eingedeckt und die Kerzen entzündet hatte, nahm er erwartungsvoll Platz und teilte den Rest der Flasche brüderlich zwischen uns auf. Als die Türe zur Küche wieder aufging, erschien Lorenzo in weißer Jeans und weißem tailliertem Hemd und ging schnurstracks zum Kühlschrank, um sich daran zu machen, die Austern mit geschickten und kräftigen Handbewegungen zu öffnen.
Zeno und ich tauschten vielsagende Blicke. Nach der Art, wie Lorenzo die Austern öffnete, hatte er sich zwar noch nicht beruhigt, aber er schien guten Willens, weil er schließlich drei Teller mit Austern präsentierte und aus den Tiefen des Kühlschranks eine weitere Flasche Ferrari Spumante hervorzauberte.
Zeno hätte gerne das Thema angeschnitten, ob in Lorenzos künftiger Trattoria nur heimische Produkte oder etwa auch französische Austern auf der Karte stehen sollten, wurde aber mit einem scharfen „Basta!“ zum Schweigen gebracht, weshalb er sich darauf verlegte, die Qualität und Frische der Austern zu loben und mir großzügig Spumante nachzuschenken.
Ich war damit beschäftigt, darüber nachzudenken, ob die Schüsse in den Ruinen von Ostia Antica weniger mit den Bildern als mit Lorenzos Enthüllungsbuch über die Gralsloge zu tun haben könnten.
Was genau hatte ich eigentlich gesehen? Einen korpulenten Mann mit einem außergewöhnlich großen Kopf im Gegenlicht. Da war ja Laurinius nun wirklich nicht der einzige, der in Frage käme. Unschlüssig schlürfte ich meine dritte Auster und lauschte dem Disput der Freunde über Berlusconis knappe Wahlniederlage. Lorenzos Freude war aufrichtig, auch wenn das für ein Mitglied des Klerus eher ungewöhnlich war. Ungewöhnlich war auch, dass er keinen einzigen Blick an mich verschwendete und auch nicht versuchte, mich in das Gespräch einzubeziehen. Das habe ich mir selbst zuzuschreiben, dachte ich unglücklich und überlegte, ob es vielleicht besser war, es bei der Distanz, die sich zwischen uns aufgebaut hatte, zu belassen.
Als nächstes servierte Zeno mit leicht geröteten Wangen den vitello tonnato zusammen mit etwas Brot und einem gut gekühlten Falanghina-Wein. Er wartete zuerst meine Lobeshymnen ab, in die Lorenzo anerkennend einfiel, bevor er zufrieden selbst zugriff. Langsam breitete sich gelöstere Stimmung am Tisch aus, die durch das Klingeln des Telefons in Lorenzos Kabinett gestört wurde. Mit unwilliger Miene warf er seine Serviette neben den Teller und ging hinaus.
Zeno beugte sich zu mir und machte mir gerade Komplimente zu meiner Frisur, als sein Freund mit den erstickten Worten „Ein Fax!“ hereinkam.
In der Tat hielt er ein Blatt Papier in der Hand, als sei es eine scharfe Bombe. Zum ersten Mal seit unserem Streit schaute er mir in die Augen – mit einem Ausdruck schieren Entsetzens. Er legte das Fax zwischen mich und Zeno und nahm zögernd wieder Platz: Es war ein Schwarz-Weiß-Foto vom Abend zuvor. Wir saßen nebeneinander auf der Loggia - vor uns stand ein tragbarer CD-Player - und steckten in zärtlicher Vertrautheit die Köpfe zusammen: nur da, wo mein Gesicht sein sollte, zogen sich Schnitte durch das Bild. Darunter stand, aus Zeitungsbuchstaben geklebt, eine Nachricht:
wenn sie nicht möchten, dass ihrer hübschen mätresse etwas hässliches zustösst, sind sie am sonntag zur frühmesse im petersdom.
Zeno, der mir gerade Wein hatte nachschenken wollen, verfehlte mein Glas. Der Falanghina strömte über die Tischplatte, sammelte sich am Rand und tropfte mir unentschlossen in den Schoß.
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Zeno und ich tauschten vielsagende Blicke. Nach der Art, wie Lorenzo die Austern öffnete, hatte er sich zwar noch nicht beruhigt, aber er schien guten Willens, weil er schließlich drei Teller mit Austern präsentierte und aus den Tiefen des Kühlschranks eine weitere Flasche Ferrari Spumante hervorzauberte.
Zeno hätte gerne das Thema angeschnitten, ob in Lorenzos künftiger Trattoria nur heimische Produkte oder etwa auch französische Austern auf der Karte stehen sollten, wurde aber mit einem scharfen „Basta!“ zum Schweigen gebracht, weshalb er sich darauf verlegte, die Qualität und Frische der Austern zu loben und mir großzügig Spumante nachzuschenken.
Ich war damit beschäftigt, darüber nachzudenken, ob die Schüsse in den Ruinen von Ostia Antica weniger mit den Bildern als mit Lorenzos Enthüllungsbuch über die Gralsloge zu tun haben könnten.
Was genau hatte ich eigentlich gesehen? Einen korpulenten Mann mit einem außergewöhnlich großen Kopf im Gegenlicht. Da war ja Laurinius nun wirklich nicht der einzige, der in Frage käme. Unschlüssig schlürfte ich meine dritte Auster und lauschte dem Disput der Freunde über Berlusconis knappe Wahlniederlage. Lorenzos Freude war aufrichtig, auch wenn das für ein Mitglied des Klerus eher ungewöhnlich war. Ungewöhnlich war auch, dass er keinen einzigen Blick an mich verschwendete und auch nicht versuchte, mich in das Gespräch einzubeziehen. Das habe ich mir selbst zuzuschreiben, dachte ich unglücklich und überlegte, ob es vielleicht besser war, es bei der Distanz, die sich zwischen uns aufgebaut hatte, zu belassen.
Als nächstes servierte Zeno mit leicht geröteten Wangen den vitello tonnato zusammen mit etwas Brot und einem gut gekühlten Falanghina-Wein. Er wartete zuerst meine Lobeshymnen ab, in die Lorenzo anerkennend einfiel, bevor er zufrieden selbst zugriff. Langsam breitete sich gelöstere Stimmung am Tisch aus, die durch das Klingeln des Telefons in Lorenzos Kabinett gestört wurde. Mit unwilliger Miene warf er seine Serviette neben den Teller und ging hinaus.
Zeno beugte sich zu mir und machte mir gerade Komplimente zu meiner Frisur, als sein Freund mit den erstickten Worten „Ein Fax!“ hereinkam.
In der Tat hielt er ein Blatt Papier in der Hand, als sei es eine scharfe Bombe. Zum ersten Mal seit unserem Streit schaute er mir in die Augen – mit einem Ausdruck schieren Entsetzens. Er legte das Fax zwischen mich und Zeno und nahm zögernd wieder Platz: Es war ein Schwarz-Weiß-Foto vom Abend zuvor. Wir saßen nebeneinander auf der Loggia - vor uns stand ein tragbarer CD-Player - und steckten in zärtlicher Vertrautheit die Köpfe zusammen: nur da, wo mein Gesicht sein sollte, zogen sich Schnitte durch das Bild. Darunter stand, aus Zeitungsbuchstaben geklebt, eine Nachricht:
wenn sie nicht möchten, dass ihrer hübschen mätresse etwas hässliches zustösst, sind sie am sonntag zur frühmesse im petersdom.
Zeno, der mir gerade Wein hatte nachschenken wollen, verfehlte mein Glas. Der Falanghina strömte über die Tischplatte, sammelte sich am Rand und tropfte mir unentschlossen in den Schoß.
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ElsaLaska - 28. Apr, 00:01
Die Blognovela - - 0 Trackbacks - 1050x gelesen
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