Dienstag
Normalerweise wären wir an einem so milden Abend auf der Loggia gesessen, aber natürlich hatte niemand Lust, sich als Motiv für ein nächstes Erpresserfoto zu präsentieren. Also hielten wir am Küchentisch Kriegsrat. Zeno hatte bei der vatikanischen Telefonzentrale angerufen und unter Aufwendung seines gesamten Charmes und seiner ganzen Beredsamkeit – sowie dem Versprechen, sämtliche Strafzettel der diensthabenden Telefonistin im Orkus verschwinden zu lassen – die Nummer der Leitung ausfindig machen können, von der das Fax herein gekommen war. Als Nächstes rief er Vice-Ispettore Santi in Urbino an, der ihn auch prompt zurückrief und mitteilte, dass es sich um den Anschluss einer Autobahnraststätte zwanzig Kilometer östlich von Rom handle.
„Also ist Laurinius in den Marken wieder aufgetaucht oder nicht? Dann kann er das Fax ja wohl kaum heute Abend von der Autobahn geschickt haben?“, fragte ich Zeno.
„Die Informationen von Kollege Leitmayr waren, nun ja, informell“, antwortete er, „ aber das spielt auch keine Rolle, er kann jederzeit irgendeinen Zwockel engagieren, der für ihn Faxe verschickt oder – Fotos macht.“
„Wir waren von etwa halb Eins bis kurz nach Drei mit dem CD-Player auf der Loggia“, überlegte Lorenzo. „Und haben uns u n t e r h a l t e n“, betonte er, weil er Zenos Blick auffing.
„Das stimmt. Eh, die Uhrzeit auch. Das muss jemand gewesen sein, der Schlüssel hatte oder sich irgendwie Zugang verschaffen konnte. Gewaltsames Eindringen hätten die Sicherheitsleute doch sicher protokolliert.“
„Das ist richtig, ich kann mich morgen mal daran machen, bei den Schweizern nachzufragen“, erbot sich Zeno, „natürlich unter irgendeinem Vorwand.“
Ich hatte mir die ganze Zeit mit dem Osservatore Romano Luft zu gefächelt und warf entnervt die Zeitung beiseite. Was wollte Laurinius überhaupt noch von uns, falls er es war, der uns nachstellte. Er hatte doch die Bilder, wahrscheinlich auch die Abschrift von Il Magnificos Brevier. Warum ließ er uns nicht in Ruhe? „Darüber zerbreche ich mir auch schon die ganze Zeit den Kopf“, gestand Lorenzo. Er steckte sich eine Zigarette in den Mund, ohne sie anzuzünden. „Die Schüsse auf Sie, die Autobombe für Zeno, das konnte durchaus als Ablenkungsmanöver gedacht sein, um in dem ganzen Wirrwarr in aller Seelenruhe das Bild zu stehlen ...“
„Ich danke! Schönes Ablenkungsmanöver, ich wär beinahe draufgegangen!“, regte sich Zeno auf.
„Haben Sie wirklich nicht bemerkt, dass es sich bei dem Porträt um ein übermaltes Original handelte?“ Ich sprach die Frage aus, die mich schon die ganze Zeit beschäftigt hatte.
„Tatsächlich hatte ich mir ein paar Gedanken gemacht, aber-“, Lorenzo machte eine resignierte Handbewegung, „ich bin Experte für Ikonografie, wenn es um das Material selbst geht, lasse ich es im Labor prüfen. Ich wollte das Bild an dem Wochenende mitnehmen und untersuchen lassen, aber daraus wurde dann ja nichts.“ Er fuhr sich mit der Hand über die Augen. „Jedenfalls, es gibt noch eine Alternative was die Schüsse in Ostia Antica betrifft, natürlich auch das Fax, und die gefällt mir ganz und gar nicht.“ Er starrte deprimiert seine Zigarette an, brach entschlossen den Filter ab und ließ sich von mir Feuer geben.
„Der Vatikan – ein byzantinischer Palast“, zitierte ich leise.
„Von was r e d e t ihr eigentlich? Bin ich dir nicht immer ein guter Freund gewesen, Lorenzo? Habe ich dir jemals den Eindruck vermittelt, nicht offen mit mir sprechen zu können? Wie soll ich dir helfen, wenn du orakelst wie meine Großmutter selig!“
Lorenzo legte die Zigarette ab, umarmte seinen Freund, hielt ihn dann ein Stück von sich und erwiderte: „Sobald ich morgen von der Frühmesse zurück bin, erkläre ich dir alles.“
Ich schluckte meine aufsteigende Panik hinunter. Wie hatte Clarice Orsini gesagt?
Wenn du ihn nicht aufhalten kannst, musst du ihm folgen...
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„Also ist Laurinius in den Marken wieder aufgetaucht oder nicht? Dann kann er das Fax ja wohl kaum heute Abend von der Autobahn geschickt haben?“, fragte ich Zeno.
„Die Informationen von Kollege Leitmayr waren, nun ja, informell“, antwortete er, „ aber das spielt auch keine Rolle, er kann jederzeit irgendeinen Zwockel engagieren, der für ihn Faxe verschickt oder – Fotos macht.“
„Wir waren von etwa halb Eins bis kurz nach Drei mit dem CD-Player auf der Loggia“, überlegte Lorenzo. „Und haben uns u n t e r h a l t e n“, betonte er, weil er Zenos Blick auffing.
„Das stimmt. Eh, die Uhrzeit auch. Das muss jemand gewesen sein, der Schlüssel hatte oder sich irgendwie Zugang verschaffen konnte. Gewaltsames Eindringen hätten die Sicherheitsleute doch sicher protokolliert.“
„Das ist richtig, ich kann mich morgen mal daran machen, bei den Schweizern nachzufragen“, erbot sich Zeno, „natürlich unter irgendeinem Vorwand.“
Ich hatte mir die ganze Zeit mit dem Osservatore Romano Luft zu gefächelt und warf entnervt die Zeitung beiseite. Was wollte Laurinius überhaupt noch von uns, falls er es war, der uns nachstellte. Er hatte doch die Bilder, wahrscheinlich auch die Abschrift von Il Magnificos Brevier. Warum ließ er uns nicht in Ruhe? „Darüber zerbreche ich mir auch schon die ganze Zeit den Kopf“, gestand Lorenzo. Er steckte sich eine Zigarette in den Mund, ohne sie anzuzünden. „Die Schüsse auf Sie, die Autobombe für Zeno, das konnte durchaus als Ablenkungsmanöver gedacht sein, um in dem ganzen Wirrwarr in aller Seelenruhe das Bild zu stehlen ...“
„Ich danke! Schönes Ablenkungsmanöver, ich wär beinahe draufgegangen!“, regte sich Zeno auf.
„Haben Sie wirklich nicht bemerkt, dass es sich bei dem Porträt um ein übermaltes Original handelte?“ Ich sprach die Frage aus, die mich schon die ganze Zeit beschäftigt hatte.
„Tatsächlich hatte ich mir ein paar Gedanken gemacht, aber-“, Lorenzo machte eine resignierte Handbewegung, „ich bin Experte für Ikonografie, wenn es um das Material selbst geht, lasse ich es im Labor prüfen. Ich wollte das Bild an dem Wochenende mitnehmen und untersuchen lassen, aber daraus wurde dann ja nichts.“ Er fuhr sich mit der Hand über die Augen. „Jedenfalls, es gibt noch eine Alternative was die Schüsse in Ostia Antica betrifft, natürlich auch das Fax, und die gefällt mir ganz und gar nicht.“ Er starrte deprimiert seine Zigarette an, brach entschlossen den Filter ab und ließ sich von mir Feuer geben.
„Der Vatikan – ein byzantinischer Palast“, zitierte ich leise.
„Von was r e d e t ihr eigentlich? Bin ich dir nicht immer ein guter Freund gewesen, Lorenzo? Habe ich dir jemals den Eindruck vermittelt, nicht offen mit mir sprechen zu können? Wie soll ich dir helfen, wenn du orakelst wie meine Großmutter selig!“
Lorenzo legte die Zigarette ab, umarmte seinen Freund, hielt ihn dann ein Stück von sich und erwiderte: „Sobald ich morgen von der Frühmesse zurück bin, erkläre ich dir alles.“
Ich schluckte meine aufsteigende Panik hinunter. Wie hatte Clarice Orsini gesagt?
Wenn du ihn nicht aufhalten kannst, musst du ihm folgen...
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ElsaLaska - 2. Mai, 00:09
Die Blognovela - - 0 Trackbacks - 1341x gelesen
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