Montag
Während des Essens hatte Lorenzo sich zusehends erholt. Er nannte Leitmayrs sugo erstaunlich schmackhaft, spornte ihn an, seine Bemühungen um die italienische Kochkunst zu vervollkommnen und versprach ihm eine Unterweisung in der Anfertigung von Nudelteig. Er hielt eine kurze, aber temperamentvolle Rede über die unvergleichlichen Vorzüge der cucina casalinga, seine eigene, große Leidenschaft für das Kochen und schloss seine Ausführungen völlig überraschend mit dem Hinweis, dass er eine Erhebung zum Kardinal ablehnen, mehr noch, alle seine Ämter niederlegen wolle, um sich endlich den Traum von einer Trattoria zu erfüllen. Während Leitmayr fassungslos den Blick von Lorenzo zum Soßentopf wandern ließ und offensichtlich seiner putanesca die Schuld für die Überspanntheit des Monsignore gab, sprang Giulia jubelnd auf und bedeckte sein Gesicht mit kleinen Küssen.
„Endlich, carissimo, endlich bist du zur Vernunft gekommen! Die Madonna ist mein Zeuge, ich habe schon nicht mehr gewagt, daran zu glauben! Bruderherz, das ist die beste Entscheidung, die du je getroffen hast! Ich weiß nicht, wie du es angestellt hast, Elsa, vielleicht erzählst du es mir irgendwann-“
„Ich habe überhaupt nichts gemacht!“, protestierte ich energisch. „Ganz im Gegenteil, ich bin davon überzeugt, dass dein Bruder gerade den größten Fehler seines Lebens begeht!“ Drei Augenpaare fixierten mich. Ich schob nachdrücklich den Teller von mir.
„Darf ich fragen, wie Sie zu dieser bemerkenswerten Auffassung kommen?“, wollte Lorenzo wissen. Er war äußerlich ganz ruhig, aber ich bemerkte, wie sich seine Finger um die Stuhllehne klammerten, bis die Knöchel weiß wurden.
„Sie brauchen das alles hier“, ich machte eine ausholende Handbewegung, „die Herausforderung, die intellektuelle Atmosphäre, den philosophischen Diskurs, das habe ich heute gesehen. In einer Trattoria würden Sie sich zu Tode langweilen! Sie würden Ihren Entschluss schnell bereuen, davon bin ich überzeugt!“ Ich verschränkte die Arme und schaute ihm direkt in die Augen.
„Das habe ich bereits selbst bedacht!“, erwiderte er ernst. „Was würden Sie sagen, wenn Sie hören, dass ich seit zwei Wochen mit dem Rektor der Universität von Urbino korrespondiere und man mir eine Privatdozentur für Kunstgeschichte angetragen hat?“
„Aber das klingt ja ganz fantastisch, Monsignore-“, rief Leitmayr aus. „Dann darf ich Ihnen gratulieren!“ Lorenzo lächelte, ohne mich aus den Augen zu lassen. „Nennen Sie mich, bitte, Lorenzo!“
Giulia riss derweil den Kühlschrank auf und holte eine Flasche Ferrari Spumante heraus. „Kinder, das müssen wir feiern!“
Mir war allerdings überhaupt nicht nach feiern zumute. Recht eigentlich war mir schlecht vor Elend, weil meine schlimmste Befürchtung eingetroffen war: Lorenzo war bereit, alles wegzuwerfen, was er bisher erreicht hatte, und ich war der Grund dafür. Oder das Attentat und ich, ich und das Attentat – ein tolles Gespann! Es war nicht so, dass ich mir nicht von ganzem Herzen wünschte, er wäre nicht mehr an sein Gelübde gebunden, es war nur so, dass ich um keinen Preis der Welt die Verantwortung dafür tragen wollte, dass er einfach alles aufgab. Irgendwann würde er mich dafür hassen, davon war ich felsenfest überzeugt.
„Das ist wirklich eine tolle Neuigkeit, Lorenzo!“, plapperte Leitmayr, regelrecht berauscht davon, dass der Bruder seiner Geliebten ihm gegenüber so viel Wohlwollen zeigte. „Sie könnten unter der Woche an die Uni gehen und am Wochenende kochen, und wer weiß, Sie sind ja noch so jung, vielleicht lernen Sie eine nette Frau kennen, eine Heirat, Kinder? Es ist nie zu spät!“ Er zwinkerte ihm aufmunternd zu und erhob sein Glas.
„In der Tat nicht“, bemerkte ich tonlos und stieß notgedrungen mit Lorenzo an. „Sie finden bestimmt irgendwann die passende Frau zum Heiraten und Kinderkriegen“, fügte ich kühl hinzu.
Lorenzo sagte nichts mehr. Seine Schwester fasste mich scharf ins Auge und runzelte die Stirn. Dann breitete sich ein maliziöses Lächeln auf ihrem Gesicht aus, sie wandte sich an Lorenzo und legte ihm die Hand auf den Oberschenkel.
„Alessandra hat übrigens seit damals keinen anderen Mann mehr angeschaut. Mamma mia, wie muss es ihr das Herz gebrochen haben, als du zur Weihe gegangen bist. Jedesmal, wenn ich sie treffe, fragt sie nach dir, wolltet ihr euch nicht sogar verloben?“
„Sie fragt nach mir? Und hat nicht geheiratet?“ Er freute sich.
„Ein Bild von einer Frau, immer noch. Und sie hätte so gerne Kinder gehabt, ein Jammer ist das!“, flötete Giulia mit einem Seitenblick auf mich. Ich starrte in mein Glas. „Ich mache mir nicht viel aus Kindern“, sagte ich beiläufig.
„Hach, bambini!“, schwärmte Leitmayr - ich glaube, er war schon recht betrunken. „Zu schade auch, liebe Elsa. So schöne Kinder würden das werden! Denken Sie doch nur: Ihre prachtvollen, dunklen Locken und dazu-“
Lorenzo und Giulia hingen wie gebannt an seinen Lippen.
„Die azurblauen Augen von Zeno Aurel!“
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„Endlich, carissimo, endlich bist du zur Vernunft gekommen! Die Madonna ist mein Zeuge, ich habe schon nicht mehr gewagt, daran zu glauben! Bruderherz, das ist die beste Entscheidung, die du je getroffen hast! Ich weiß nicht, wie du es angestellt hast, Elsa, vielleicht erzählst du es mir irgendwann-“
„Ich habe überhaupt nichts gemacht!“, protestierte ich energisch. „Ganz im Gegenteil, ich bin davon überzeugt, dass dein Bruder gerade den größten Fehler seines Lebens begeht!“ Drei Augenpaare fixierten mich. Ich schob nachdrücklich den Teller von mir.
„Darf ich fragen, wie Sie zu dieser bemerkenswerten Auffassung kommen?“, wollte Lorenzo wissen. Er war äußerlich ganz ruhig, aber ich bemerkte, wie sich seine Finger um die Stuhllehne klammerten, bis die Knöchel weiß wurden.
„Sie brauchen das alles hier“, ich machte eine ausholende Handbewegung, „die Herausforderung, die intellektuelle Atmosphäre, den philosophischen Diskurs, das habe ich heute gesehen. In einer Trattoria würden Sie sich zu Tode langweilen! Sie würden Ihren Entschluss schnell bereuen, davon bin ich überzeugt!“ Ich verschränkte die Arme und schaute ihm direkt in die Augen.
„Das habe ich bereits selbst bedacht!“, erwiderte er ernst. „Was würden Sie sagen, wenn Sie hören, dass ich seit zwei Wochen mit dem Rektor der Universität von Urbino korrespondiere und man mir eine Privatdozentur für Kunstgeschichte angetragen hat?“
„Aber das klingt ja ganz fantastisch, Monsignore-“, rief Leitmayr aus. „Dann darf ich Ihnen gratulieren!“ Lorenzo lächelte, ohne mich aus den Augen zu lassen. „Nennen Sie mich, bitte, Lorenzo!“
Giulia riss derweil den Kühlschrank auf und holte eine Flasche Ferrari Spumante heraus. „Kinder, das müssen wir feiern!“
Mir war allerdings überhaupt nicht nach feiern zumute. Recht eigentlich war mir schlecht vor Elend, weil meine schlimmste Befürchtung eingetroffen war: Lorenzo war bereit, alles wegzuwerfen, was er bisher erreicht hatte, und ich war der Grund dafür. Oder das Attentat und ich, ich und das Attentat – ein tolles Gespann! Es war nicht so, dass ich mir nicht von ganzem Herzen wünschte, er wäre nicht mehr an sein Gelübde gebunden, es war nur so, dass ich um keinen Preis der Welt die Verantwortung dafür tragen wollte, dass er einfach alles aufgab. Irgendwann würde er mich dafür hassen, davon war ich felsenfest überzeugt.
„Das ist wirklich eine tolle Neuigkeit, Lorenzo!“, plapperte Leitmayr, regelrecht berauscht davon, dass der Bruder seiner Geliebten ihm gegenüber so viel Wohlwollen zeigte. „Sie könnten unter der Woche an die Uni gehen und am Wochenende kochen, und wer weiß, Sie sind ja noch so jung, vielleicht lernen Sie eine nette Frau kennen, eine Heirat, Kinder? Es ist nie zu spät!“ Er zwinkerte ihm aufmunternd zu und erhob sein Glas.
„In der Tat nicht“, bemerkte ich tonlos und stieß notgedrungen mit Lorenzo an. „Sie finden bestimmt irgendwann die passende Frau zum Heiraten und Kinderkriegen“, fügte ich kühl hinzu.
Lorenzo sagte nichts mehr. Seine Schwester fasste mich scharf ins Auge und runzelte die Stirn. Dann breitete sich ein maliziöses Lächeln auf ihrem Gesicht aus, sie wandte sich an Lorenzo und legte ihm die Hand auf den Oberschenkel.
„Alessandra hat übrigens seit damals keinen anderen Mann mehr angeschaut. Mamma mia, wie muss es ihr das Herz gebrochen haben, als du zur Weihe gegangen bist. Jedesmal, wenn ich sie treffe, fragt sie nach dir, wolltet ihr euch nicht sogar verloben?“
„Sie fragt nach mir? Und hat nicht geheiratet?“ Er freute sich.
„Ein Bild von einer Frau, immer noch. Und sie hätte so gerne Kinder gehabt, ein Jammer ist das!“, flötete Giulia mit einem Seitenblick auf mich. Ich starrte in mein Glas. „Ich mache mir nicht viel aus Kindern“, sagte ich beiläufig.
„Hach, bambini!“, schwärmte Leitmayr - ich glaube, er war schon recht betrunken. „Zu schade auch, liebe Elsa. So schöne Kinder würden das werden! Denken Sie doch nur: Ihre prachtvollen, dunklen Locken und dazu-“
Lorenzo und Giulia hingen wie gebannt an seinen Lippen.
„Die azurblauen Augen von Zeno Aurel!“
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ElsaLaska - 29. Mai, 22:08