Dienstag
Giulia hieß Rogler vor einem der heruntergekommensten Viertel von ganz Rom vorfahren. Das Rolltor, das den Hinterhofeingang verunzierte, hing schief und abgewrackt auf halber Höhe und sah aus, als würde es uns beim Hindurchgehen auf der Stelle guillotinieren. Auf dem Hof selbst hatte wohl in der Nacht eine türkische Party stattgefunden, er war übersät mit Plastikbechern, Kebabspießen und Zeitungsfetzen von Hürriyet und Milliyet. Die Töpfe mit dahinkümmerndem Oleander quollen vor Zigarettenkippen über. Rogler stapfte wachsam hinter uns drein. Ich fragte Giulia, wo zum Teufel sie mich da hinführe, aber sie lächelte nur sphinxhaft und murmelte „Toutes les belles petites choses!“.
„Du hast mir irgendwas vom angesagtesten Schneideratelier Roms erzählt, Giulia, und jetzt steh ich hier mitten in der Dritten Welt, was soll das?“ Unbeirrt strebte sie zu einer schief in den Angeln hängenden Holztüre zu, deren dunkelgrüner Anstrich schon längst vor der römischen Sonne kapituliert hatte und majestätische Blasen warf. Wir traten ein.
„Giulia Farnese! Schöner denn eh und je! Du siehst bezaubernd aus, meine Liebe!“ begrüßte uns eine wahrhafte Walküre in einer lila Latzhose, die den fruchtbar gewölbten Leib eher betonte, als verschleierte. „Und Sie müssen die beneidenswerte junge Dame sein, die das Privileg hat-“ fuhr sie in so anzüglichem Tonfall fort, dass ich ihr eilig ins Wort fiel.
„Zu Kardinal Farneses Cocktailparty geladen zu sein, richtig! Und das Problem dabei ist ...“
„Das Problem ist“, fiel Giulia ein, “liebe Madame T., dass strenge Kleidervorschriften für uns gelten. Sie kennen das ja. Bedeckte Knie, Schultern, auf keinen Fall Dekolleté. Was also, ich frage Sie, könnte die Freundin meines – meine Freundin tragen, was einerseits züchtig, andererseits aufregend zugleich wäre? Ihre Kreativität ist gefragt!“, lächelte Giulia und nahm dankbar eine Erfrischung in Form eines Gläschens mit Champagner entgegen.
Madame T. griff hungrig nach einem Teller mit Erdbeerkuchen und versetzte ihrer Praktikantin einen scharfen Rüffel, die heimlich nach Georg-Gänswein-Bildern gegoogelt hatte.
„Eine Herausforderung, wie ich sie liebe“, kaute sie. „Beim Essen kann ich am Besten denken. Mögen Sie auch ein Stück? Mein Mann hat ihn gebacken!“ Wir lehnten höflich ab und harrten gespannt der Dinge.
„Ziehen Sie Ihre Bluse aus!“, forderte sie mich schließlich auf, was Rogler das Blut in die Wangen trieb. Er bemühte sich um souveräne Professionalität, die darin bestand, dass er hektisch den Blick zwischen mir und seinen Schuhspitzen wandern ließ.
„Aber das ist – perfetto! Momentchen, ich habe hier einen Ballen maulbeerfarbene Seide, eine fast SAKRALE Farbe, aber das violett geht fast ins Schwarze über, mit Goldbordüren ...“ Madame T. wischte sich die Hände ab. „Sensationell. Das wird sensationell. Ich kann es vor mir sehen. Streifen Sie das hier über!“ Sie warf mir ein Leibchen in der selben Farbe zu, mit langen Ärmeln, das mir bis über die Hüfte reichte und begann, den Stoff in Falten zu drapieren.
„Ich sollte darin GEHEN können, ohne dass es auseinanderfällt!“, wagte ich zu bemerken.
„Oh, Sie werden darin gehen können. Jede Frau kann darin gehen. Dieses Kleidungsstück vereinigt unvergleichliche Vorzüge! Sie sind an allen wesentlichen Stellen bedeckt und sehen aus wie eine Königin! Der Sari macht jede Frau zu einer wahren Göttin!“ Sie schlang mir die Stoffbahn über die Schulter und drehte mich zum Spiegel. Rogler stand der Mund offen. Giulia klatschte begeistert in die Hände. „Du kommst auf die Titelseite von ‚CHI’ mit dem Ding! Für mich bitte auch so ein Modell, aber in smaragdgrün, liebe Madame T. ! Francesco wird es mir nach der Party vom Leib reißen!“, seufzte sie und verdrehte die Augen.
Madame T. lachte ein sonores Lachen. „Ja, die Mitglieder der Kurie, regelrecht ausgehungert nach Exotik und dem verwirrenden Mysterium ewiger Weiblichkeit!“
„Aber nicht was Sie denken, Madame T.“, erwiderte Giulia lächelnd. „Ich gehe doch nicht mit einer von diesen röckchentragenden Memmen ins Bett! Francesco ist ein deutscher Kommissar! Großgewachsen, breitschultrig, und auch sonst ... ich kann nicht klagen!“
„Lorenzo ist nun auch nicht gerade kümmerlich und missgestaltet!“, entgegnete ich scharf und ordnete beiläufig die Falten an meinem neuen, traumhaften Gewand.
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„Du hast mir irgendwas vom angesagtesten Schneideratelier Roms erzählt, Giulia, und jetzt steh ich hier mitten in der Dritten Welt, was soll das?“ Unbeirrt strebte sie zu einer schief in den Angeln hängenden Holztüre zu, deren dunkelgrüner Anstrich schon längst vor der römischen Sonne kapituliert hatte und majestätische Blasen warf. Wir traten ein.
„Giulia Farnese! Schöner denn eh und je! Du siehst bezaubernd aus, meine Liebe!“ begrüßte uns eine wahrhafte Walküre in einer lila Latzhose, die den fruchtbar gewölbten Leib eher betonte, als verschleierte. „Und Sie müssen die beneidenswerte junge Dame sein, die das Privileg hat-“ fuhr sie in so anzüglichem Tonfall fort, dass ich ihr eilig ins Wort fiel.
„Zu Kardinal Farneses Cocktailparty geladen zu sein, richtig! Und das Problem dabei ist ...“
„Das Problem ist“, fiel Giulia ein, “liebe Madame T., dass strenge Kleidervorschriften für uns gelten. Sie kennen das ja. Bedeckte Knie, Schultern, auf keinen Fall Dekolleté. Was also, ich frage Sie, könnte die Freundin meines – meine Freundin tragen, was einerseits züchtig, andererseits aufregend zugleich wäre? Ihre Kreativität ist gefragt!“, lächelte Giulia und nahm dankbar eine Erfrischung in Form eines Gläschens mit Champagner entgegen.
Madame T. griff hungrig nach einem Teller mit Erdbeerkuchen und versetzte ihrer Praktikantin einen scharfen Rüffel, die heimlich nach Georg-Gänswein-Bildern gegoogelt hatte.
„Eine Herausforderung, wie ich sie liebe“, kaute sie. „Beim Essen kann ich am Besten denken. Mögen Sie auch ein Stück? Mein Mann hat ihn gebacken!“ Wir lehnten höflich ab und harrten gespannt der Dinge.
„Ziehen Sie Ihre Bluse aus!“, forderte sie mich schließlich auf, was Rogler das Blut in die Wangen trieb. Er bemühte sich um souveräne Professionalität, die darin bestand, dass er hektisch den Blick zwischen mir und seinen Schuhspitzen wandern ließ.
„Aber das ist – perfetto! Momentchen, ich habe hier einen Ballen maulbeerfarbene Seide, eine fast SAKRALE Farbe, aber das violett geht fast ins Schwarze über, mit Goldbordüren ...“ Madame T. wischte sich die Hände ab. „Sensationell. Das wird sensationell. Ich kann es vor mir sehen. Streifen Sie das hier über!“ Sie warf mir ein Leibchen in der selben Farbe zu, mit langen Ärmeln, das mir bis über die Hüfte reichte und begann, den Stoff in Falten zu drapieren.
„Ich sollte darin GEHEN können, ohne dass es auseinanderfällt!“, wagte ich zu bemerken.
„Oh, Sie werden darin gehen können. Jede Frau kann darin gehen. Dieses Kleidungsstück vereinigt unvergleichliche Vorzüge! Sie sind an allen wesentlichen Stellen bedeckt und sehen aus wie eine Königin! Der Sari macht jede Frau zu einer wahren Göttin!“ Sie schlang mir die Stoffbahn über die Schulter und drehte mich zum Spiegel. Rogler stand der Mund offen. Giulia klatschte begeistert in die Hände. „Du kommst auf die Titelseite von ‚CHI’ mit dem Ding! Für mich bitte auch so ein Modell, aber in smaragdgrün, liebe Madame T. ! Francesco wird es mir nach der Party vom Leib reißen!“, seufzte sie und verdrehte die Augen.
Madame T. lachte ein sonores Lachen. „Ja, die Mitglieder der Kurie, regelrecht ausgehungert nach Exotik und dem verwirrenden Mysterium ewiger Weiblichkeit!“
„Aber nicht was Sie denken, Madame T.“, erwiderte Giulia lächelnd. „Ich gehe doch nicht mit einer von diesen röckchentragenden Memmen ins Bett! Francesco ist ein deutscher Kommissar! Großgewachsen, breitschultrig, und auch sonst ... ich kann nicht klagen!“
„Lorenzo ist nun auch nicht gerade kümmerlich und missgestaltet!“, entgegnete ich scharf und ordnete beiläufig die Falten an meinem neuen, traumhaften Gewand.
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ElsaLaska - 30. Mai, 22:35