Sonntag
Im Innenhof regte sich kein Lüftchen, es war heiß, aber noch auszuhalten, weil der leise plätschernde Barockspringbrunnen angenehme Kühle verströmte. An den Mauern rankten sich rosa, orangefarbene und blutrot erglühende Rosen empor, überall standen riesige Terrakottatöpfe, die mit Oleanderbüschen und Olivenbäumchen bepflanzt waren. Wir plauderten über das Wetter, immer ein ergiebiges Thema und gaben Prognosen ab, ob es noch gewittern würde oder nicht.
„In Deutschland schneit es, Anfang Juni, stellen Sie sich vor!“
„Gerne!“, lachte Ratzingers Sekretär. „Ich wünschte, ich könnte endlich einmal wieder richtig schön Ski fahren!“ Wir wechselten vom Wetter zum Sport. Der Monsignore spielte leidenschaftlich gerne Tennis, erfuhr ich im Verlauf des Gesprächs, und war von der heilsamen Wirkung körperlicher Bewegung zutiefst überzeugt.
„Sport ist einfach der ideale Ausgleich, wenn man an der Kurie zu tun hat“, schwärmte er, „nehmen Sie Johannes-Paul II., der viel Kraft aus seinen Bergwanderungen schöpfte! Oder unseren Heiligen Vater, der jeden Morgen auf sein Trimmrad steigt – leider ist er ja derzeit in Frankreich. Ich liege Kardinal Ratzinger schon seit Jahren in den Ohren, er solle einmal etwas für sich tun. Oder schauen Sie sich einfach den älteren und den jungen Farnese an, mit ihrer Neigung zu Überspanntheiten! Wenn die beiden einen vernünftigen sportlichen Ausgleich betrieben, wären sie viel umgänglicher!“
„Da könnte was dran sein“, erwiderte ich unverbindlich und nahm einen Schluck Champagner.
„Lorenzos Vater, Michele Farnese – aus ganz anderem Holz geschnitzt. Ein ergebener Diener der Kurie, völlig ohne Allüren.“
„- der Kurie? Aber er ist doch Laie, oder nicht?“
„Auch als Laie kann man sich ganz in den Dienst der heiligen Sache stellen, liebe Signora. Er ist seit fast vier Jahrzehnten für die Vatikanbank beraterisch tätig. Eigentlich wollte er heute Abend auch kommen, Sie kennen ihn nicht?“
Ich schüttelte den Kopf und versuchte diese gänzlich neue Information zu verarbeiten. Lorenzo hatte zwar erwähnt, dass sein Vater Wirtschaftsprüfer war, aber dass er nach seinem Entschluss, sich nicht zum Priester weihen zu lassen, als Berater des Istituto per le opere di Religione fungierte, davon hatte er mir nichts erzählt.
Wir hatten unsere Gläser an der Einfassung des Brunnens abgestellt. Über uns zuckte ein Wetterleuchten und eine leichte Brise kam auf.
„Aber ich will Sie mit all diesen Internas nicht langweilen. Da treffe ich einmal eine Landsmännin von mir, und einziges Thema ist die Kurie!“, lachte er charmant und stellte lässig den erstklassig beschuhten Fuß auf den niedrigen Brunnenrand.
„Sie langweilen mich überhaupt nicht, ganz im Gegenteil!“, erwiderte ich wahrheitsgemäß, während ich versuchte, sämtliche Infos über die Vatikanbank in meinem Hirn abzurufen, die verfügbar waren. Es hatte da mal einen ziemlich grässlichen Skandal gegeben, notfalls konnte ich danach googeln, überlegte ich.
„Sie tragen übrigens eine bemerkenswerte Frisur“, lächelte Ratzingers Sekretär.
„Dankeschön. Der Maestro heißt Anastasio Baldarelli und ist ein echter Künstler!“, strahlte ich.
„Ach nein! Das ist ja ein Zufall! Ich gehe auch immer zu Anastasio. So ein besonnener, nüchterner Mann. Geradezu von asketischer Natur, vor allem was seinen Kleidergeschmack betrifft! Es gibt wirklich keinen besseren Friseur in ganz Rom!“
„Eh ja, treffender hätte ich es nicht sagen können!“, grinste ich. Scheinbar verfügte Anastasio, je nach Kundschaft, über flexibles Wandlungsvermögen.
„So viele Gemeinsamkeiten! Zwei Deutsche im Vatikan, mit demselben römischen Friseur! Sie spielen Tennis?“
„Jo, naja, ganz passabel, wieso?“, druckste ich.
„Wir könnten zusammen spielen, wie wäre es am Dienstag? Da hab ich den Nachmittag frei?“ Er schaute mich erwartungsvoll an. Warum eigentlich nicht, dachte ich und wollte schon zusagen, da löste sich eine Gestalt aus den Schatten und trat zwischen uns.
„Ach hier stecken Sie, ich habe Sie schon überall gesucht!“, sagte Lorenzo betont munter zu mir und stellte mit nonchalanter Geste sein Champagnerglas auf die Brunnenumrandung. Die beiden Monsignores musterten sich abschätzig. In der Ferne vernahm man leises Donnergrollen.
„Kardinal Ratzinger hat bereits mehrmals nach Ihnen gefragt, vielleicht gehen Sie hinein und erkundigen sich nach seinen Wünschen, bevor er ungeduldig wird?“, schlug Lorenzo mit einem feinen Lächeln vor.
„Sie entschuldigen mich, Signora?“ Der Deutsche stieß sich vom Brunnen ab und schlenderte, die Hände in den Hosentaschen, ostentativ langsam davon. Lorenzo bot mir, sichtlich mit sich selbst zufrieden, eine Zigarette an.
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„In Deutschland schneit es, Anfang Juni, stellen Sie sich vor!“
„Gerne!“, lachte Ratzingers Sekretär. „Ich wünschte, ich könnte endlich einmal wieder richtig schön Ski fahren!“ Wir wechselten vom Wetter zum Sport. Der Monsignore spielte leidenschaftlich gerne Tennis, erfuhr ich im Verlauf des Gesprächs, und war von der heilsamen Wirkung körperlicher Bewegung zutiefst überzeugt.
„Sport ist einfach der ideale Ausgleich, wenn man an der Kurie zu tun hat“, schwärmte er, „nehmen Sie Johannes-Paul II., der viel Kraft aus seinen Bergwanderungen schöpfte! Oder unseren Heiligen Vater, der jeden Morgen auf sein Trimmrad steigt – leider ist er ja derzeit in Frankreich. Ich liege Kardinal Ratzinger schon seit Jahren in den Ohren, er solle einmal etwas für sich tun. Oder schauen Sie sich einfach den älteren und den jungen Farnese an, mit ihrer Neigung zu Überspanntheiten! Wenn die beiden einen vernünftigen sportlichen Ausgleich betrieben, wären sie viel umgänglicher!“
„Da könnte was dran sein“, erwiderte ich unverbindlich und nahm einen Schluck Champagner.
„Lorenzos Vater, Michele Farnese – aus ganz anderem Holz geschnitzt. Ein ergebener Diener der Kurie, völlig ohne Allüren.“
„- der Kurie? Aber er ist doch Laie, oder nicht?“
„Auch als Laie kann man sich ganz in den Dienst der heiligen Sache stellen, liebe Signora. Er ist seit fast vier Jahrzehnten für die Vatikanbank beraterisch tätig. Eigentlich wollte er heute Abend auch kommen, Sie kennen ihn nicht?“
Ich schüttelte den Kopf und versuchte diese gänzlich neue Information zu verarbeiten. Lorenzo hatte zwar erwähnt, dass sein Vater Wirtschaftsprüfer war, aber dass er nach seinem Entschluss, sich nicht zum Priester weihen zu lassen, als Berater des Istituto per le opere di Religione fungierte, davon hatte er mir nichts erzählt.
Wir hatten unsere Gläser an der Einfassung des Brunnens abgestellt. Über uns zuckte ein Wetterleuchten und eine leichte Brise kam auf.
„Aber ich will Sie mit all diesen Internas nicht langweilen. Da treffe ich einmal eine Landsmännin von mir, und einziges Thema ist die Kurie!“, lachte er charmant und stellte lässig den erstklassig beschuhten Fuß auf den niedrigen Brunnenrand.
„Sie langweilen mich überhaupt nicht, ganz im Gegenteil!“, erwiderte ich wahrheitsgemäß, während ich versuchte, sämtliche Infos über die Vatikanbank in meinem Hirn abzurufen, die verfügbar waren. Es hatte da mal einen ziemlich grässlichen Skandal gegeben, notfalls konnte ich danach googeln, überlegte ich.
„Sie tragen übrigens eine bemerkenswerte Frisur“, lächelte Ratzingers Sekretär.
„Dankeschön. Der Maestro heißt Anastasio Baldarelli und ist ein echter Künstler!“, strahlte ich.
„Ach nein! Das ist ja ein Zufall! Ich gehe auch immer zu Anastasio. So ein besonnener, nüchterner Mann. Geradezu von asketischer Natur, vor allem was seinen Kleidergeschmack betrifft! Es gibt wirklich keinen besseren Friseur in ganz Rom!“
„Eh ja, treffender hätte ich es nicht sagen können!“, grinste ich. Scheinbar verfügte Anastasio, je nach Kundschaft, über flexibles Wandlungsvermögen.
„So viele Gemeinsamkeiten! Zwei Deutsche im Vatikan, mit demselben römischen Friseur! Sie spielen Tennis?“
„Jo, naja, ganz passabel, wieso?“, druckste ich.
„Wir könnten zusammen spielen, wie wäre es am Dienstag? Da hab ich den Nachmittag frei?“ Er schaute mich erwartungsvoll an. Warum eigentlich nicht, dachte ich und wollte schon zusagen, da löste sich eine Gestalt aus den Schatten und trat zwischen uns.
„Ach hier stecken Sie, ich habe Sie schon überall gesucht!“, sagte Lorenzo betont munter zu mir und stellte mit nonchalanter Geste sein Champagnerglas auf die Brunnenumrandung. Die beiden Monsignores musterten sich abschätzig. In der Ferne vernahm man leises Donnergrollen.
„Kardinal Ratzinger hat bereits mehrmals nach Ihnen gefragt, vielleicht gehen Sie hinein und erkundigen sich nach seinen Wünschen, bevor er ungeduldig wird?“, schlug Lorenzo mit einem feinen Lächeln vor.
„Sie entschuldigen mich, Signora?“ Der Deutsche stieß sich vom Brunnen ab und schlenderte, die Hände in den Hosentaschen, ostentativ langsam davon. Lorenzo bot mir, sichtlich mit sich selbst zufrieden, eine Zigarette an.
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ElsaLaska - 4. Jun, 23:42