Das Farnese-Komplott (138)
Im Traum fand ich mich auf der Zinne eines hohen Turmes wieder, es war, ich ließ den Blick schweifen, der höchste Punkt in der ganzen Landschaft, höher noch als der Berggipfel, der sich zu meinen Füßen befand. Die Sonne ging unter in einer Explosion von abertausend Schattierungen von Malve und Pflaume, und schließlich, die Dunkelheit senkte sich bereits herab, in hellen Grüntönen, die Giulias Augen glichen. Neben mir stand, einen durchdringenden Geruch nach verbranntem Holz und verkohltem Haar verströmend, Sophia Anfisba Onofri. Sie streckte den Arm aus und verdeckte den aufgehenden Vollmond mit ihrem Daumen, die Zungenspitze vor Eifer zwischen die Zähne geklemmt. „Was bist du? Ein Fisch, ein kalter, glitschiger, stinkender Fisch?“ Sie stieß mir mit den Ellenbogen in die Seite. „Du denkst, du kannst einfach davon laufen, hm? Hast ja, was du wolltest. Den Namen, das Geld, dafür hast du nicht einmal die Beine breit machen müssen, Schätzchen. Hast es cleverer angestellt als ich damals, das muss man dir lassen, Fräulein Rührmichnichtan. Mir haben sie das Kind aus dem Leib getreten und am Ende habe ich gebrannt ...“ Sie lachte hell auf. „Während du in Biancas Luxus-Pool herumplanschst und kühle Getränke serviert bekommst.“
„Neidisch?“, erwiderte ich hämisch und hob die Augenbraue.
„Auf dich?“ Sie warf den Kopf in den Nacken und wieherte vor Vergnügen. Nachdem sie sich wieder beruhigt hatte, klatschte sie in die Hände und ich bemerkte, wie ein widerliches Halbwesen, weder ausgebildete Echse noch ausgebildeter Mensch auf uns zu gekrochen kam, ein Tablett auf den Stummelärmchen, das aus einem einzigen Stück Kristall geschnitten schien. Darauf lag ein teerfarbener zuckender Klumpen Muskelfleisch.
„Darf ich vorstellen?“, sagte Sophia in zeremoniellem Tonfall und wies auf das kriechende Etwas, „mein ungeborener Sohn! Und – dein HERZ, carissima. So schaust du inwendig aus, meine Schöne! Eklig, was? Nicht, dass ich in der Lage wäre, auf dich herabzuschauen, so entstellt wie ich bin, aber, im Unterschied zu dir, habe ich geliebt. Wahrhaft geliebt. Mein Herz ist ein lupenreiner Diamant – deines nur – ein Stück Aas, das selbst die Geier verschmähen.“
Die Szenerie kippte in sich zusammen wie eine schlecht gemachte Filmkulisse aus Karton und Sperrholz und erstand vor meinen erstaunten Augen aufs Neue: Diesmal in Form eines düsteren unterirdischen Gewölbes, ähnlich jenem, in das Lorenzo mich damals geführt hatte, um mir das Medici-Brevier zu zeigen. Und tatsächlich saß er da, am Lesetisch, über uns flackerte unruhig die Leuchtstoffröhre, ich meinte sogar, sie summen zu hören. Er hielt sich starr und aufrecht, die Hände auf der Tischplatte gefaltet. Seine Wangen waren hohl und unrasiert, die dunklen Augen brannten nicht wie sonst, sondern blickten stumpf auf das schleimige, zwergwüchsige Ding vor ihm, das sich halb aufgerichtet hatte und ihm das Tablett präsentierte, auf dem sich neben dem schwarzen Stück Fleisch nun ein durchsichtig pulsierendes, unendlich zartes und feines Gewebe in Herzform befand, das einmal in allen Farben des Regenbogens erglühte, ein ander Mal so reines Feuer verströmte wie ein lupenreiner Diamant. Ich wollte zu ihm gehen und ihn in die Arme nehmen, so sehr freute ich mich, ihn wieder zu sehen. Aber Sophias ungeborener Sohn fing an, seltsam herum zu hantieren und vor lauter Anstrengung, zu erkennen, was sich da tat, traten mir die Tränen in die Augen und setzten sich zwischen meinen Wimpern fest. Er hatte eine Art Hütchenspiel gestartet und schob geschickt die umgestülpten Becher, unter denen sich die zwei Herzen befanden, hin und her, vertauschte sie blitzschnell, ließ sie die Plätze mit einem leeren Becher tauschen und über dem ganzen Geschehen wachte, wie ich endlich erkannte, Michele, mit Ärmelschonern und grünbeschirmten Augen, um die Ergebnisse auf einer alten Schiefertafel einzutragen. Sie spielten falsch, aber Lorenzo schien es nicht zu bemerken. Und ich konnte auf keine Weise zu ihm durchdringen, ihn weder ansprechen, noch anfassen oder mich sonst irgendwie bemerkbar machen. Ich versuchte es, aber er war wie taub und wenn ich die Hand nach ihm ausstreckte, konnte ich ihn nicht erreichen. Ich probierte es vergeblich und das war das eigentlich grauenhafte an diesem Traum. Schließlich kam ich auf die Idee, eine kluge Idee, wie ich meinte, ihn auf seinem Handy anzurufen und ihm so zu erklären, was hier geschah, aber dafür musste ich den Blick von der grotesken Szene abwenden und nach meinem Handy tauchen gehen, das ich in den Tiber geworfen hatte. Endlich, nachdem ich es mühselig vom Grund des Flusses heraufgeholt und mich drei Mal verwählt hatte, hörte ich voller Erleichterung, wie abgenommen wurde. Als sich Michele mit seiner klinisch kühlen Stimme statt Lorenzo meldete, stellten sich mir alle Haare zu Berge und ich warf das Handy angeekelt in die Ecke. Es war mir, als erwachte ich von dieser heftigen Bewegung, die ich doch im Traum ausgeführt hatte und dann war plötzlich Bianca im Zimmer und nahm mich in ihre Arme und ich weinte, so lange und heftig, wie ich es zum letzten Mal als kleines Kind getan hatte.
[<137]
>[139]
<<[1]
„Neidisch?“, erwiderte ich hämisch und hob die Augenbraue.
„Auf dich?“ Sie warf den Kopf in den Nacken und wieherte vor Vergnügen. Nachdem sie sich wieder beruhigt hatte, klatschte sie in die Hände und ich bemerkte, wie ein widerliches Halbwesen, weder ausgebildete Echse noch ausgebildeter Mensch auf uns zu gekrochen kam, ein Tablett auf den Stummelärmchen, das aus einem einzigen Stück Kristall geschnitten schien. Darauf lag ein teerfarbener zuckender Klumpen Muskelfleisch.
„Darf ich vorstellen?“, sagte Sophia in zeremoniellem Tonfall und wies auf das kriechende Etwas, „mein ungeborener Sohn! Und – dein HERZ, carissima. So schaust du inwendig aus, meine Schöne! Eklig, was? Nicht, dass ich in der Lage wäre, auf dich herabzuschauen, so entstellt wie ich bin, aber, im Unterschied zu dir, habe ich geliebt. Wahrhaft geliebt. Mein Herz ist ein lupenreiner Diamant – deines nur – ein Stück Aas, das selbst die Geier verschmähen.“
Die Szenerie kippte in sich zusammen wie eine schlecht gemachte Filmkulisse aus Karton und Sperrholz und erstand vor meinen erstaunten Augen aufs Neue: Diesmal in Form eines düsteren unterirdischen Gewölbes, ähnlich jenem, in das Lorenzo mich damals geführt hatte, um mir das Medici-Brevier zu zeigen. Und tatsächlich saß er da, am Lesetisch, über uns flackerte unruhig die Leuchtstoffröhre, ich meinte sogar, sie summen zu hören. Er hielt sich starr und aufrecht, die Hände auf der Tischplatte gefaltet. Seine Wangen waren hohl und unrasiert, die dunklen Augen brannten nicht wie sonst, sondern blickten stumpf auf das schleimige, zwergwüchsige Ding vor ihm, das sich halb aufgerichtet hatte und ihm das Tablett präsentierte, auf dem sich neben dem schwarzen Stück Fleisch nun ein durchsichtig pulsierendes, unendlich zartes und feines Gewebe in Herzform befand, das einmal in allen Farben des Regenbogens erglühte, ein ander Mal so reines Feuer verströmte wie ein lupenreiner Diamant. Ich wollte zu ihm gehen und ihn in die Arme nehmen, so sehr freute ich mich, ihn wieder zu sehen. Aber Sophias ungeborener Sohn fing an, seltsam herum zu hantieren und vor lauter Anstrengung, zu erkennen, was sich da tat, traten mir die Tränen in die Augen und setzten sich zwischen meinen Wimpern fest. Er hatte eine Art Hütchenspiel gestartet und schob geschickt die umgestülpten Becher, unter denen sich die zwei Herzen befanden, hin und her, vertauschte sie blitzschnell, ließ sie die Plätze mit einem leeren Becher tauschen und über dem ganzen Geschehen wachte, wie ich endlich erkannte, Michele, mit Ärmelschonern und grünbeschirmten Augen, um die Ergebnisse auf einer alten Schiefertafel einzutragen. Sie spielten falsch, aber Lorenzo schien es nicht zu bemerken. Und ich konnte auf keine Weise zu ihm durchdringen, ihn weder ansprechen, noch anfassen oder mich sonst irgendwie bemerkbar machen. Ich versuchte es, aber er war wie taub und wenn ich die Hand nach ihm ausstreckte, konnte ich ihn nicht erreichen. Ich probierte es vergeblich und das war das eigentlich grauenhafte an diesem Traum. Schließlich kam ich auf die Idee, eine kluge Idee, wie ich meinte, ihn auf seinem Handy anzurufen und ihm so zu erklären, was hier geschah, aber dafür musste ich den Blick von der grotesken Szene abwenden und nach meinem Handy tauchen gehen, das ich in den Tiber geworfen hatte. Endlich, nachdem ich es mühselig vom Grund des Flusses heraufgeholt und mich drei Mal verwählt hatte, hörte ich voller Erleichterung, wie abgenommen wurde. Als sich Michele mit seiner klinisch kühlen Stimme statt Lorenzo meldete, stellten sich mir alle Haare zu Berge und ich warf das Handy angeekelt in die Ecke. Es war mir, als erwachte ich von dieser heftigen Bewegung, die ich doch im Traum ausgeführt hatte und dann war plötzlich Bianca im Zimmer und nahm mich in ihre Arme und ich weinte, so lange und heftig, wie ich es zum letzten Mal als kleines Kind getan hatte.
[<137]
>[139]
<<[1]
ElsaLaska - 20. Jul, 00:08
Elsa,