Das Farnese-Komplott (139)
Der nächste Morgen brach mit einer Gluthitze an, wie wir sie in Rom, Bianca beteuerte dies, seit bestimmt dreißig Jahren nicht mehr erlebt hatten. Über die Vorkommnisse der Nacht verlor sie kein einziges Wort, einzig der Blick aus ihren tiefen Augen wurde noch unergründlicher, wenn sie mich eingehend betrachtete. Ich befand mich vor dem Rest meines Lebens, und dieses Leben würde ein Leben ohne Lorenzo sein. Anrufe ließ ich nicht zu mir durchstellen, seine Mails löschte ich direkt aus dem Postfach und wenn während der Beerdigungsfeierlichkeiten für den Heiligen Vater Estefanio oder Lorenzo ins Bild gerieten – Bianca verfolgte alles auf zig Bildschirmen – so verließ ich den Raum.
„Vermisst du ihn denn überhaupt nicht?“, wollte Giulia ein Mal von mir wissen – doch natürlich, er fehlte mir wie die Luft zum Atmen, er fehlte wie ein Regenbogen über Gewitterwolken, er fehlte wie der Sommerregen nach ausdauernder Hitze, aber all das hätte ich nie ausgesprochen. Ich vermisste Lorenzo wie jemand, dessen Leben bereits zu Ende war. Bianca hatte diese Adoptionsgeschichte vorangetrieben und wir saßen jeden Morgen zum caffè beieinander, dann erzählte sie mir von all den Legenden und Familiengeschichten, die ich, weil ich nichts Bessres zu tun hatte in diesen Tagen, mitschrieb und in Buchform zu bringen beabsichtigte.
Eines Tages, wir stöhnten vor Hitze und überlegten gerade, noch einmal in den Pool zu steigen, während die Beerdigungsmesse für den Heiligen Vater übertragen wurde, öffnete sich die Türe zu Biancas Penthouse. Ein hochgewachsener, hagerer Mann mit graumelierten Haaren und einem attraktiven, kurzgestutzten Bart betrat die Wohnung, offensichtlich verfügte er über einen Schlüssel. Bianca juchzte auf und hängte sich an seinen Hals. So hatte ich sie noch nie gesehen.
„Elsa, das ist Ladislav! Ladislav – Elsa!“
„Angenehm!“, konnte ich hervorwürgen und schaute erstaunt dabei zu, wie Ladislav und Bianca sich zur Begrüßung – naja, einen tiefen Zungenkuss verabreichten. Er trug ein portugiesisches Fußballtrikot mit der Aufschrift Luis Figo, ausgeleierte, fast weiße Jeans und über die Schulter gehängt einen riesigen Seesack, den er zwischen zwei Küssen unbekümmert auf den Boden warf.
Endlich schien er sich an die zerbrechliche Fracht darin zu erinnert, riss ihn auf und präsentierte Bianca eine Flasche georgischen Kognac – es war eine Halbliterflasche und sie sollte den Abend nicht ungeleert überstehen.
Ladislav war, soweit ich das überblicken konnte, Biancas Liebhaber, der sich allerdings die meiste Zeit auf einem Schiff namens „Prudentia“ aufhielt und mit seiner Mannschaft kürzlich mit knapper Not einem Tsunami im Indischen Ozean entkommen war. Daneben war er Schamane, Prophet, Wunderheiler, Fischbesinger und Psychotherapeut in einer Person, wenn ich die abgehackten Erläuterungen von Bianca richtig verstand, die im Begriff war, eine Flasche Champagner zu öffnen. Unverkennbar war jedenfalls, dass die beiden einander schon länger nicht mehr gesehen hatten und Bianca beeilte sich, während Ladislav so exotische Mitbringsel wie Pfefferkörner aus Sarawak, Kokosöl von den Fiji-Islands und Cook-Bier aus Rarotonga aus seinem Seesack zog, eine anständige Portion Polenta mit Speck und Käsesoße zu zaubern.
Ich klappte meine Ahnentafeln der Farnese, die ich studiert hatte, bereitwillig zu und bot Ladislav eine Zigarette an.
„Ich habe Sie auf einem alten Bild gesehen, nein, lachen Sie mich nicht aus“, sagte er und beschirmte die Feuerzeugflamme mit der hohlen Hand.„Ist das wunderbar hier zu sein, Bianca, was wühlst du da in der Küche herum! Komm heraus zu uns und setz deinen knochigen Arsch auf meine alten Schenkel!“
Ich musste mich schon wundern, denn Bianca tat, wie ihr geheißen und griff dem stachelbärtigen Captain zärtlich ins Genick. So hatte ich sie noch nie gesehen, aber es schien alles zu passen.
Die beiden waren wie füreinander bestimmt, auch wenn Ladislav hin und wieder Anzüglichkeiten verbreitete, die mich den Atem anhalten ließen.
Beim Anblick der laufenden Beerdigungsfeierlichkeiten für den Heiligen Vater bekreuzigte sich Ladislav mehrfach und bat darum, den Ton lauter zu stellen. Ich suchte, unbewusst, immer nach Lorenzo im Hintergrund der Bilder. Manchmal hatte ich das Gefühl, ihn kurz im Blickfeld zu haben, wie aus den Augenwinkeln, dann wiederum nicht, aber es war auch egal.
Nein es war nicht egal, ich wollte ihn um alles in der Welt sehen, und dann war ich wieder froh darum, wenn die Kameras ihn mir nicht zeigten.
Ladislav betrachtete mich aufmerksam aus seinen tiefliegenden dunklen Augen, er war ein sehr attraktiver Mann, wenn auch schon weit über die Sechzig hinaus.
„Lorenzo ist im Konklave, schätze ich. Schade drum, ich hätte ihn gerne gesprochen. Wie macht er sich, cara?“
Bianca, deren gelöste graue Haarflut fast bis zur Hüfte wallte, nahm noch einen Schluck georgischen Kognac.
„Er übertrifft all meine Erwartungen und noch mehr. Er ist pflichtbewusst, er steht seinem Onkel bei und er wird noch mehr als das tun, und eine Entscheidung treffen, die die Familie von einem jahrhundertealten Fluch befreien wird. Schau ihn dir an. Meinen schönen und fürstlichen Neffen!“ So sprach Bianca, schüttelte ihre graue Lockenmähne und wies stolz auf einen der Bildschirme, wo Lorenzo für einen kurzen Moment mit wehenden Haaren und funkelnden Augen neben dem stellvertretenden Kardinalstaatsekretär zu sehen war. Das war der Moment, in dem mir bewusst wurde, dass ich den Fluch nicht würde aufheben können. Weil ich alles daran setzen würde, um Lorenzo wieder zu sehen. Und zwar innerhalb der nächsten 48 Stunden.
Die Trauerzeremonien waren beendet.
Das Konklave begann.
Ich schlich mich leise davon und wählte Zenos Nummer auf meinem Handy. Nach zweimaligem Klingeln meldete er sich und erklärte sich sofort bereit, bei Bianca Stellung zu beziehen, wie er es versprochen hatte.
<[138]
>[140]
<<[1]
„Vermisst du ihn denn überhaupt nicht?“, wollte Giulia ein Mal von mir wissen – doch natürlich, er fehlte mir wie die Luft zum Atmen, er fehlte wie ein Regenbogen über Gewitterwolken, er fehlte wie der Sommerregen nach ausdauernder Hitze, aber all das hätte ich nie ausgesprochen. Ich vermisste Lorenzo wie jemand, dessen Leben bereits zu Ende war. Bianca hatte diese Adoptionsgeschichte vorangetrieben und wir saßen jeden Morgen zum caffè beieinander, dann erzählte sie mir von all den Legenden und Familiengeschichten, die ich, weil ich nichts Bessres zu tun hatte in diesen Tagen, mitschrieb und in Buchform zu bringen beabsichtigte.
Eines Tages, wir stöhnten vor Hitze und überlegten gerade, noch einmal in den Pool zu steigen, während die Beerdigungsmesse für den Heiligen Vater übertragen wurde, öffnete sich die Türe zu Biancas Penthouse. Ein hochgewachsener, hagerer Mann mit graumelierten Haaren und einem attraktiven, kurzgestutzten Bart betrat die Wohnung, offensichtlich verfügte er über einen Schlüssel. Bianca juchzte auf und hängte sich an seinen Hals. So hatte ich sie noch nie gesehen.
„Elsa, das ist Ladislav! Ladislav – Elsa!“
„Angenehm!“, konnte ich hervorwürgen und schaute erstaunt dabei zu, wie Ladislav und Bianca sich zur Begrüßung – naja, einen tiefen Zungenkuss verabreichten. Er trug ein portugiesisches Fußballtrikot mit der Aufschrift Luis Figo, ausgeleierte, fast weiße Jeans und über die Schulter gehängt einen riesigen Seesack, den er zwischen zwei Küssen unbekümmert auf den Boden warf.
Endlich schien er sich an die zerbrechliche Fracht darin zu erinnert, riss ihn auf und präsentierte Bianca eine Flasche georgischen Kognac – es war eine Halbliterflasche und sie sollte den Abend nicht ungeleert überstehen.
Ladislav war, soweit ich das überblicken konnte, Biancas Liebhaber, der sich allerdings die meiste Zeit auf einem Schiff namens „Prudentia“ aufhielt und mit seiner Mannschaft kürzlich mit knapper Not einem Tsunami im Indischen Ozean entkommen war. Daneben war er Schamane, Prophet, Wunderheiler, Fischbesinger und Psychotherapeut in einer Person, wenn ich die abgehackten Erläuterungen von Bianca richtig verstand, die im Begriff war, eine Flasche Champagner zu öffnen. Unverkennbar war jedenfalls, dass die beiden einander schon länger nicht mehr gesehen hatten und Bianca beeilte sich, während Ladislav so exotische Mitbringsel wie Pfefferkörner aus Sarawak, Kokosöl von den Fiji-Islands und Cook-Bier aus Rarotonga aus seinem Seesack zog, eine anständige Portion Polenta mit Speck und Käsesoße zu zaubern.
Ich klappte meine Ahnentafeln der Farnese, die ich studiert hatte, bereitwillig zu und bot Ladislav eine Zigarette an.
„Ich habe Sie auf einem alten Bild gesehen, nein, lachen Sie mich nicht aus“, sagte er und beschirmte die Feuerzeugflamme mit der hohlen Hand.„Ist das wunderbar hier zu sein, Bianca, was wühlst du da in der Küche herum! Komm heraus zu uns und setz deinen knochigen Arsch auf meine alten Schenkel!“
Ich musste mich schon wundern, denn Bianca tat, wie ihr geheißen und griff dem stachelbärtigen Captain zärtlich ins Genick. So hatte ich sie noch nie gesehen, aber es schien alles zu passen.
Die beiden waren wie füreinander bestimmt, auch wenn Ladislav hin und wieder Anzüglichkeiten verbreitete, die mich den Atem anhalten ließen.
Beim Anblick der laufenden Beerdigungsfeierlichkeiten für den Heiligen Vater bekreuzigte sich Ladislav mehrfach und bat darum, den Ton lauter zu stellen. Ich suchte, unbewusst, immer nach Lorenzo im Hintergrund der Bilder. Manchmal hatte ich das Gefühl, ihn kurz im Blickfeld zu haben, wie aus den Augenwinkeln, dann wiederum nicht, aber es war auch egal.
Nein es war nicht egal, ich wollte ihn um alles in der Welt sehen, und dann war ich wieder froh darum, wenn die Kameras ihn mir nicht zeigten.
Ladislav betrachtete mich aufmerksam aus seinen tiefliegenden dunklen Augen, er war ein sehr attraktiver Mann, wenn auch schon weit über die Sechzig hinaus.
„Lorenzo ist im Konklave, schätze ich. Schade drum, ich hätte ihn gerne gesprochen. Wie macht er sich, cara?“
Bianca, deren gelöste graue Haarflut fast bis zur Hüfte wallte, nahm noch einen Schluck georgischen Kognac.
„Er übertrifft all meine Erwartungen und noch mehr. Er ist pflichtbewusst, er steht seinem Onkel bei und er wird noch mehr als das tun, und eine Entscheidung treffen, die die Familie von einem jahrhundertealten Fluch befreien wird. Schau ihn dir an. Meinen schönen und fürstlichen Neffen!“ So sprach Bianca, schüttelte ihre graue Lockenmähne und wies stolz auf einen der Bildschirme, wo Lorenzo für einen kurzen Moment mit wehenden Haaren und funkelnden Augen neben dem stellvertretenden Kardinalstaatsekretär zu sehen war. Das war der Moment, in dem mir bewusst wurde, dass ich den Fluch nicht würde aufheben können. Weil ich alles daran setzen würde, um Lorenzo wieder zu sehen. Und zwar innerhalb der nächsten 48 Stunden.
Die Trauerzeremonien waren beendet.
Das Konklave begann.
Ich schlich mich leise davon und wählte Zenos Nummer auf meinem Handy. Nach zweimaligem Klingeln meldete er sich und erklärte sich sofort bereit, bei Bianca Stellung zu beziehen, wie er es versprochen hatte.
<[138]
>[140]
<<[1]
ElsaLaska - 26. Jul, 00:36
Weiter, weiter . . . .!