Alexander Kissler: Papst im Widerspruch.
Mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Kissler darf ich hier auf diesem Blog ein paar exklusive Appetithäppchen aus seinem neuen Buch veröffentlichen, die hoffentlich Lust auf mehr machen.
>>Benedikt XVI. tat es [dem Ruf seines Gewissens zu folgen], weil ihm der Blick nach innen keine Ausnahme war in Grenzsituationen, sondern die menschliche Regel. Er war ein Mystiker auf dem Papstthron. Der Kernsatz des romantischen Dichters Novalis war ihm Programm: »Nach innen geht der geheimnisvolle Weg.« Natürlich wäre es ein Irrtum, sich Benedikt XVI. als verzückungsbereiten Charismatiker vorzustellen, nur weil er tatsächlich ein Mystiker war. Ja, mystisch war das Koordinatensystem Benedikts. Er schätzte die Vernunft, diesen göttlichen Schöpfungsfunken, viel zu hoch ein, als dass er sie zum Universalschlüssel für alle Probleme herabwürdigen wollte. Er kannte die Schranken von Ich und
Vernunft, die beide, um zu dauern, verwandelt werden müssen in liebende Erkenntnis, erkennende Liebe. Was wäre eine Vernunft wert, was ein Ich, wenn sie spurlos zerfielen beim letzten Atemzug? Nur was im Sterben trägt, trägt im Leben, und das ist nun einmal jenes große, sich uferlos verschenkende Geschenk, die Liebe: Davon war Benedikt XVI. durchdrungen.
Darum war er Mystiker, darum sah er im Kontinent der Seele das menschliche Königtum verbürgt, das kein Tod zuschanden machen kann.<<
A. Kissler: Papst im Widerspruch. Benedikt XVI. und seine Kirche 2005-2013, Kapitel 1: Mystiker aus Einsicht. Wie Joseph Ratzinger die Welt sieht.
Erscheint im Pattloch Verlag.
ElsaLaska - 7. Mär, 13:45
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