Der Tod trägt Cappa Magna. [II]
Best Western Hotel Heidelberg, Suite 101
Die Luft in der Suite war schwül, abgestanden - und durchtränkt vom Gestank sich zersetzender Körperflüssigkeiten. Kopecnik nahm es den Atem. Er versuchte, sich zusammenzureißen, aber wie üblich gab ihm nicht der Tatort den Rest, sondern Henk von der Spurensicherung. Es hätte Kopecnik nicht gewundert, wenn Henk als Frühstück zuhause einen Mix aus gehackter roher Leber, Eigelb und einem halben Liter Rotwein trinken würde. Bei seinem zweiten Frühstück jedenfalls, das Henk sich zur Arbeit mitzubringen pflegte, drehte es Kopecnik jedesmal den Magen um.
Imogen dagegen stürzte sich entzückt auf den Kollegen - sie hatte heute früh nur eine Tasse Kathreiner-Kaffee in St. Magdalena bekommen - und riss dem erfreut grüßenden Henk ein ziemlich obszön aussehendes Teil aus den Händen, das sich als fast unterarmlange Blutwurst entpuppte.
"Mädsche, henn die dich hungere losse im Kloschder?", fragte er lachend und reichte ihr einen Topf mit extra scharfer Meerrettichsauce dazu rüber. Imogen stippte die elende Blutwurst umstandslos hinein und biss hernach herzhaft ein großes Stück davon ab. Kopecniks Lider fingen an zu flattern.
"Der Vorraum ist sauber, Henk?", fragte er mit leicht jammerndem Unterton, wartete aber Henks joviales Nicken erst gar nicht mehr ab, sondern ließ sich, ein Ächzen unterdrückend, in den nächsten Stuhl sinken.
"Isch bin aach hinne", Henk wies mit dem Messer für die Blutwurst in der Hand zum hinteren Teil der Suite, "so gud wie ferdisch. Foddos henner jo schunn. Middsamt de schwule Bettwäsch druff."
Imogen wanderte kauend durch die Suite und um die Ecke, um das Bett mit der Leiche zu begutachten. Kopecnik kruschtelte derweil sein iPad aus der Umhängetasche und googelte nach "cappa magna", um sich von seiner aufsteigenden Übelkeit abzulenken.
"Das ist aber vermutlich keine schwu-, eh knallrote Bettwäsche", begann er tapfer.
"Wahnsinn!" Imogen tauchte wieder im vorderen Teil auf und klaute Henk noch eine Brezel aus der Tüte. "Das ist tatsächlich eine cappa magna!"
"Eine w a s ?!" Henks Augen wurden kugelrund.
Kopecnik drückte ihm mit triumphierender Geste das iPad in die Hand. "Hier die Ergebnisse der Google-Bildsuche, Kollege. Eine cappa magna ist eine zeremonielle, zumeist acht Meter lange, purpurne Seidenschleppe, die von Kardinälen zu offiziellen Anlässen getragen wird", dozierte er selbstgefällig.
Henk besaß die Höflichkeit, sich zunächst die fettigen Finger abzuwischen, bevor er durch die Google-Ergebnisse scrollte. "Das macht nichts, Kollege", merkte Kopecnik leutselig an, "Steve hat ein Glas produziert, das zwar - entsprechend der menschlichen Physiologie - durch Fingertappen - "schmutzig" wird, dieser "Schmutz" allerdings leicht und auch nach langem Gebrauch entfernt werden kann. Zudem verweise ich auf die Analysen zum Gebrauch des iPads anhand der hinterlassenen Fingerspuren, die durch den einfachen Gebrauch eines Mikrofasertuches im Handumdrehen wieder verschwinden!"
"Jo, isch wolld' jo aach nur zuvorkommend sei!", gab Henk zurück und verdrehte genervt die Augen. Dann betrachtete er eingehend die Fotos. Imogen trat näher und beugte sich ebenfalls interessiert über die Oberfläche des iPad, die sich im Nu mit Brezelkrümeln bedeckte. Kopecnik kramte hektisch nach seinem Microfasertuch, um Erste Hilfe leisten zu können.
"Alla hopp!", lautete Henks Fazit, nachdem er das iPad wieder an Kopecnik zurückgereicht hatte, der es unverzüglich mit seinem anthrazitfarbenen Spezialtuch akribisch zu reinigen begann. Henk wandte sich zu Imogen: "Dann ewwe: Kaddolischi schwuli Bettwäsch! Was sachtn do alleweil eier Pabscht dezu?"
Sie seufzte. Henk war zwar ein begnadeter Spurensicherer, aber als Ermittler taugte er nicht die Bohne. Er hatte einfach kein Gespür für Zusammenhänge. Kopecnik fing ihren Blick auf.
"Die Frage, Kollege, ist doch eher, was sagt der Heilige Vater zu katholischen - in Anführungszeichen - Theologen wie Thorben Kretschmar?"
Der rehäugige Blick, den Imogen ihm zuwarf, entschädigte ihn reichlich für die ganze Unbill dieses verflixten Vormittags.
"Heiliger Vater, Heiliger Stuhl - des iss mir alles zu hoch", entgegnete Henk mit einem Anflug von Verwirrung. "Da drüwwe liegt jedenfalls der Kretschmar, pudelnackisch in der cappa, und so wie des aussieht uff de erschte Blick, hat er kurz vor seim Exidus noch en Schpaas funn dere Sord gehatt, wu de Heilige Stuhl nit ganz so gern sieht." Er grinste breit.
"Und das heißt jetzt was genau?", fragte Imogen mit unverhohlener Anspannung in der Stimme.
"Luststrangulationsmale am Hals und im Genitalbereich", erklärte Henk in einwandfreiem Hochdeutsch. "Vermutlich die Todesursache. Mehr wissen wir dann nach der Autopsie."
Kopecnik fuhr sich müde mit der Hand über die Augen.
Der Fall versprach, kompliziert, aber vor allem unerfreulich zu werden.
[work-in-progress - Fortsetzung folgt. Das Ermittlerteam Findeißen-Kopecnik war bereits bei einem anderen hochkatholischen Fall erfolgreich. Nachzulesen in dem Band "Tödliche Wasser" anlässlich der Heidelberger Krimi-Tage 2009.
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Die Luft in der Suite war schwül, abgestanden - und durchtränkt vom Gestank sich zersetzender Körperflüssigkeiten. Kopecnik nahm es den Atem. Er versuchte, sich zusammenzureißen, aber wie üblich gab ihm nicht der Tatort den Rest, sondern Henk von der Spurensicherung. Es hätte Kopecnik nicht gewundert, wenn Henk als Frühstück zuhause einen Mix aus gehackter roher Leber, Eigelb und einem halben Liter Rotwein trinken würde. Bei seinem zweiten Frühstück jedenfalls, das Henk sich zur Arbeit mitzubringen pflegte, drehte es Kopecnik jedesmal den Magen um.
Imogen dagegen stürzte sich entzückt auf den Kollegen - sie hatte heute früh nur eine Tasse Kathreiner-Kaffee in St. Magdalena bekommen - und riss dem erfreut grüßenden Henk ein ziemlich obszön aussehendes Teil aus den Händen, das sich als fast unterarmlange Blutwurst entpuppte.
"Mädsche, henn die dich hungere losse im Kloschder?", fragte er lachend und reichte ihr einen Topf mit extra scharfer Meerrettichsauce dazu rüber. Imogen stippte die elende Blutwurst umstandslos hinein und biss hernach herzhaft ein großes Stück davon ab. Kopecniks Lider fingen an zu flattern.
"Der Vorraum ist sauber, Henk?", fragte er mit leicht jammerndem Unterton, wartete aber Henks joviales Nicken erst gar nicht mehr ab, sondern ließ sich, ein Ächzen unterdrückend, in den nächsten Stuhl sinken.
"Isch bin aach hinne", Henk wies mit dem Messer für die Blutwurst in der Hand zum hinteren Teil der Suite, "so gud wie ferdisch. Foddos henner jo schunn. Middsamt de schwule Bettwäsch druff."
Imogen wanderte kauend durch die Suite und um die Ecke, um das Bett mit der Leiche zu begutachten. Kopecnik kruschtelte derweil sein iPad aus der Umhängetasche und googelte nach "cappa magna", um sich von seiner aufsteigenden Übelkeit abzulenken.
"Das ist aber vermutlich keine schwu-, eh knallrote Bettwäsche", begann er tapfer.
"Wahnsinn!" Imogen tauchte wieder im vorderen Teil auf und klaute Henk noch eine Brezel aus der Tüte. "Das ist tatsächlich eine cappa magna!"
"Eine w a s ?!" Henks Augen wurden kugelrund.
Kopecnik drückte ihm mit triumphierender Geste das iPad in die Hand. "Hier die Ergebnisse der Google-Bildsuche, Kollege. Eine cappa magna ist eine zeremonielle, zumeist acht Meter lange, purpurne Seidenschleppe, die von Kardinälen zu offiziellen Anlässen getragen wird", dozierte er selbstgefällig.
Henk besaß die Höflichkeit, sich zunächst die fettigen Finger abzuwischen, bevor er durch die Google-Ergebnisse scrollte. "Das macht nichts, Kollege", merkte Kopecnik leutselig an, "Steve hat ein Glas produziert, das zwar - entsprechend der menschlichen Physiologie - durch Fingertappen - "schmutzig" wird, dieser "Schmutz" allerdings leicht und auch nach langem Gebrauch entfernt werden kann. Zudem verweise ich auf die Analysen zum Gebrauch des iPads anhand der hinterlassenen Fingerspuren, die durch den einfachen Gebrauch eines Mikrofasertuches im Handumdrehen wieder verschwinden!"
"Jo, isch wolld' jo aach nur zuvorkommend sei!", gab Henk zurück und verdrehte genervt die Augen. Dann betrachtete er eingehend die Fotos. Imogen trat näher und beugte sich ebenfalls interessiert über die Oberfläche des iPad, die sich im Nu mit Brezelkrümeln bedeckte. Kopecnik kramte hektisch nach seinem Microfasertuch, um Erste Hilfe leisten zu können.
"Alla hopp!", lautete Henks Fazit, nachdem er das iPad wieder an Kopecnik zurückgereicht hatte, der es unverzüglich mit seinem anthrazitfarbenen Spezialtuch akribisch zu reinigen begann. Henk wandte sich zu Imogen: "Dann ewwe: Kaddolischi schwuli Bettwäsch! Was sachtn do alleweil eier Pabscht dezu?"
Sie seufzte. Henk war zwar ein begnadeter Spurensicherer, aber als Ermittler taugte er nicht die Bohne. Er hatte einfach kein Gespür für Zusammenhänge. Kopecnik fing ihren Blick auf.
"Die Frage, Kollege, ist doch eher, was sagt der Heilige Vater zu katholischen - in Anführungszeichen - Theologen wie Thorben Kretschmar?"
Der rehäugige Blick, den Imogen ihm zuwarf, entschädigte ihn reichlich für die ganze Unbill dieses verflixten Vormittags.
"Heiliger Vater, Heiliger Stuhl - des iss mir alles zu hoch", entgegnete Henk mit einem Anflug von Verwirrung. "Da drüwwe liegt jedenfalls der Kretschmar, pudelnackisch in der cappa, und so wie des aussieht uff de erschte Blick, hat er kurz vor seim Exidus noch en Schpaas funn dere Sord gehatt, wu de Heilige Stuhl nit ganz so gern sieht." Er grinste breit.
"Und das heißt jetzt was genau?", fragte Imogen mit unverhohlener Anspannung in der Stimme.
"Luststrangulationsmale am Hals und im Genitalbereich", erklärte Henk in einwandfreiem Hochdeutsch. "Vermutlich die Todesursache. Mehr wissen wir dann nach der Autopsie."
Kopecnik fuhr sich müde mit der Hand über die Augen.
Der Fall versprach, kompliziert, aber vor allem unerfreulich zu werden.
[work-in-progress - Fortsetzung folgt. Das Ermittlerteam Findeißen-Kopecnik war bereits bei einem anderen hochkatholischen Fall erfolgreich. Nachzulesen in dem Band "Tödliche Wasser" anlässlich der Heidelberger Krimi-Tage 2009.
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ElsaLaska - 19. Jul, 18:17