Die schmutzige Affäre um Dino Boffo.
Schon seit dem Frühjahr steht es mit dem Verhältnis Berlusconis zur katholischen Kirche nicht mehr zum Besten. Als der Ministerpräsident wegen seiner Affären mit blutjungen Frauen von sich reden machte, hoben auch mehr und mehr Kirchenvertreter den Zeigefinger. Der mildeste Tadel lautete noch, er mache sich lächerlich. Meiner Einschätzung nach hat dies die Mehrheit der Italiener nicht weiter beeindruckt, höchsten im positiven Sinne. Immerhin bewies Berlusconi noch in fortgeschrittenem Alter virilità, ein echtes Anliegen für die meisten italienischen Männer, besonders im Rentenalter. Virilità, das hat nicht unbedingt in erster Linie etwas mit "Potenz" oder "sexueller Leistungskraft" zu tun, virilità beweisen bedeutet vielmehr, noch Charme und Anziehungskraft auf Frauen zu haben, liebenswürdig sein, flirten zu können. Inwieweit es zum Ehebruch bei Berlusconi kam, kann ich nicht beurteilen, das habe ich nicht mehr verfolgt. Es ist wohl eher ein Thema, das er mit seiner Frau und seinem Priester besprechen sollte.
Nun aber hat die Auseinandersetzung eine für Italien völlig neue Qualität erhalten. Auf Il giornale, dem Hausblatt Berlusconis, erschien am Freitag ein Artikel des Chefredakteurs Feltri mit der Überschrift "Der Supermoralist", in dem Dino Boffo, seines Zeichens wiederum Chef von "Avvenire", der Zeitschrift der italienischen Bischofskonferenz, mundtot gemacht werden sollte. Boffo hatte wohl die schärfsten Attacken gegen Berlusconi geritten und wird im Artikel von Feltri als Homosexueller bezeichnet, der von einem Gericht in Terni wegen Belästigung zu 516 Euro Strafe verurteilt worden sei. Zum Beweis druckte Il Giornale ein zweiseitiges Dokument ab: Eine Seite besteht aus einem gerichtlichen Briefbogen mit dem Urteil gegen Dino Boffo, die zweite Seite ist ein anonymer Brief, der das Urteil und Boffos Homosexualität erklärt. Dieser habe ein homosexuelles Verhältnis zu einem verheirateten Mann unterhalten und die Ehefrau mehrfach durch beleidigende Telefonate etc. nötigen wollen, ihren Mann freizugeben. Ein Dokument, das praktisch an alle italienischen Bischöfe verschickt worden ist.
Dino Boffo seinerseits hat heute auf Avvenire einen Artikel veröffentlicht, der das Urteil und den anonymen Brief ebenfalls nocheinmal abbildet und versichert, es handle sich um eine Fälschung. Weiter schreibt er, dass der zuständige Ermittlungsrichter in Terni zur Faktenlage offiziell bestätigt habe, dass es zu dem vorliegenden Urteil keinerlei Bezug auf sexuelle Hintergründe gebe.
Noch bevor Boffo diese Stellungnahme veröffentlicht hatte, erklärte sich die Bischofskonferenz Italiens solidarisch und sprach ihm als Chef von Avvenire erneut das Vertrauen aus.
In dem publizistischen Krieg, der jetzt in vollem Gange ist, fragt zum Beispiel Ezio Mauro, der Chef von La Repubblica, ob man angesichts einer solchen medialen Verleumdungskampagne, die gegen eine der Regierung unbequemen Person gestartet worden ist, noch davon sprechen könne, in einer Demokratie zu leben. Er sagt weiter: Nach diesem öffentlichen Lynchmord, der an Boffo verübt worden ist, und aus dem er vermutlich nur deshalb mit heiler Haut davonkommen wird, weil die Macht der Kirche hinter ihm steht - wie soll sich derjenige gegen solche Attacken verteidigen, der die Kirche nicht hinter sich weiß?
Wir hatten heute eine Minidiskussion via Twitter dazu. Ein Einschätzung des Falles scheint schwierig. Eines jedoch ist sicher: Die Kirche Italiens kann sich nun der Unterstützung kirchenferner Berlusconi-Gegner sicher sein. Die Linksparteien in Italien und die Kirche sind sich bereits einig in ihrem Widerstand gegen die Flüchtlingspolitik der (Ultra)Rechten. Eine Allianz der Linken kann Silvio aussitzen. Eine Allianz der Linken mit der Kirche und kirchentreuen Katholiken kann er sich schlicht und einfach nicht leisten.
Ich bin gespannt, wie diese Affäre weitergehen wird.
Update: Dino Boffo, der gestern Abend nach Rom gereist war, hat heute seinen Rücktritt eingereicht. Sein langer Brief dazu ist eine einzige Anklageschrift. Für alle, die Italienisch können, hier z. B. auf tiscali.it nachzulesen (ich würde es übersetzen, aber ich hab im Moment nicht allzuviel Zeit).
Nun aber hat die Auseinandersetzung eine für Italien völlig neue Qualität erhalten. Auf Il giornale, dem Hausblatt Berlusconis, erschien am Freitag ein Artikel des Chefredakteurs Feltri mit der Überschrift "Der Supermoralist", in dem Dino Boffo, seines Zeichens wiederum Chef von "Avvenire", der Zeitschrift der italienischen Bischofskonferenz, mundtot gemacht werden sollte. Boffo hatte wohl die schärfsten Attacken gegen Berlusconi geritten und wird im Artikel von Feltri als Homosexueller bezeichnet, der von einem Gericht in Terni wegen Belästigung zu 516 Euro Strafe verurteilt worden sei. Zum Beweis druckte Il Giornale ein zweiseitiges Dokument ab: Eine Seite besteht aus einem gerichtlichen Briefbogen mit dem Urteil gegen Dino Boffo, die zweite Seite ist ein anonymer Brief, der das Urteil und Boffos Homosexualität erklärt. Dieser habe ein homosexuelles Verhältnis zu einem verheirateten Mann unterhalten und die Ehefrau mehrfach durch beleidigende Telefonate etc. nötigen wollen, ihren Mann freizugeben. Ein Dokument, das praktisch an alle italienischen Bischöfe verschickt worden ist.
Dino Boffo seinerseits hat heute auf Avvenire einen Artikel veröffentlicht, der das Urteil und den anonymen Brief ebenfalls nocheinmal abbildet und versichert, es handle sich um eine Fälschung. Weiter schreibt er, dass der zuständige Ermittlungsrichter in Terni zur Faktenlage offiziell bestätigt habe, dass es zu dem vorliegenden Urteil keinerlei Bezug auf sexuelle Hintergründe gebe.
Noch bevor Boffo diese Stellungnahme veröffentlicht hatte, erklärte sich die Bischofskonferenz Italiens solidarisch und sprach ihm als Chef von Avvenire erneut das Vertrauen aus.
In dem publizistischen Krieg, der jetzt in vollem Gange ist, fragt zum Beispiel Ezio Mauro, der Chef von La Repubblica, ob man angesichts einer solchen medialen Verleumdungskampagne, die gegen eine der Regierung unbequemen Person gestartet worden ist, noch davon sprechen könne, in einer Demokratie zu leben. Er sagt weiter: Nach diesem öffentlichen Lynchmord, der an Boffo verübt worden ist, und aus dem er vermutlich nur deshalb mit heiler Haut davonkommen wird, weil die Macht der Kirche hinter ihm steht - wie soll sich derjenige gegen solche Attacken verteidigen, der die Kirche nicht hinter sich weiß?
Wir hatten heute eine Minidiskussion via Twitter dazu. Ein Einschätzung des Falles scheint schwierig. Eines jedoch ist sicher: Die Kirche Italiens kann sich nun der Unterstützung kirchenferner Berlusconi-Gegner sicher sein. Die Linksparteien in Italien und die Kirche sind sich bereits einig in ihrem Widerstand gegen die Flüchtlingspolitik der (Ultra)Rechten. Eine Allianz der Linken kann Silvio aussitzen. Eine Allianz der Linken mit der Kirche und kirchentreuen Katholiken kann er sich schlicht und einfach nicht leisten.
Ich bin gespannt, wie diese Affäre weitergehen wird.
Update: Dino Boffo, der gestern Abend nach Rom gereist war, hat heute seinen Rücktritt eingereicht. Sein langer Brief dazu ist eine einzige Anklageschrift. Für alle, die Italienisch können, hier z. B. auf tiscali.it nachzulesen (ich würde es übersetzen, aber ich hab im Moment nicht allzuviel Zeit).
ElsaLaska - 1. Sep, 18:32
schlechte Zeiten für Berluscon