unvermittelt geweint, am frühen Abend. Bei der Erinnerung daran, wie ich mich manchmal unter dem Tisch oder der Eckbank versteckte, und Papa mich suchen musste, wenn er Feierabend hatte und nach Hause kam (und wahrscheinlich keine große Lust auf solche blöden Spielereien hatte, ohne dass er es sich anmerken ließ). Wie gern man doch als Kind gesucht und gefunden wird. Und wie wenig sich das vom Grundgedanken her verändert, selbst wenn man erwachsen geworden ist.
ElsaLaska - 10. Mai, 00:56
Hier in Deutschland ist es furchtbar kalt und regnerisch, am liebsten möchte ich heizen. Wie gut, dass Papa nicht mehr da ist, er würde nur frieren, und da wo er jetzt ist, liegt er warm.
Wir hatten ihn extra warm angezogen und weil der Sarg nicht mehr geöffnet wurde, konnten wir ihm auch nach Herzenslust seine Lieblingssachen mitgeben, ohne Anstoß zu erregen. Eine lange Unterhose gehörte dazu, wie ich - mittlerweile schmunzelnd - zugeben kann, seine Lieblingsmütze, seine bzw. meine alte Jacke, die ich ihm überlassen hatte, weil sie warm und zugleich leicht war, und er doch immer so sehr fror. Ein Bild von mir mit Rasul, auch wenn das nicht wärmt. Das alles hat er dabei. Fast hätte ich ihm noch ein Fläschchen Bier mitgegeben, die Marke, die er zum Schluss so gerne trank, und wo er doch immer so viel Durst hatte.
Dann dachte ich mir, ach was, er hat den ganzen Mist jetzt überwunden, was braucht es da noch Bier. Erinner ihn besser nicht dran, wie es war, Durst zu haben.
ElsaLaska - 10. Mai, 00:47
Wissbegierig, wie ich war, habe ich alle relevanten "Kindern die Natur erklärt" - Bücher der Siebziger und frühen Achtziger Jahre gelesen. Ich habe experimentiert, Kristalle gezüchtet, die Entwicklung von der Kaulquappe zum Frosch experimentell nachverfolgt, das war alles gut und außerordentlich schön.
Neulich gab es mal wieder ein Gewitter, und ich memorierte die alte Geschichte von den kalten Luftmassen, die auf warme stoßen, die elektrische Entladung in Form eines Blitzes, die bekannte Formel Sekunden zwischen Blitz und Donner durch Drei geteilt macht die Entfernung des Gewitters in Kilometern ausgedrückt. Drei Sekunden Abstand zwischen Blitz und Donner durch Drei macht eins> nur ein Kilometer. Blitz und Donner folgen aufeinander>null Abstand, Gewitter direkt über meinem Kopf.
Dann habe ich die Glühwürmchen betrachtet, die meinen Garten bevölkern und memoriert, dass sie aufgrund irgendwelcher chemischen Prozesse ("Kaltes Licht") blinken und weil sie einen Geschlechtspartner suchen. Und dann stellte sich plötzlich Überdruss ein. Es ist wunderbar, den Dingen auf den Grund gehen zu können und bei einem Gewitter nicht gleich zu vermuten, dass Donar oder wer auch sonst gerade unterwegs ist - aber eigentlich ist es auch die Entzauberung der Welt. Ich würde gerne einmal für eine Stunde in die Haut von jemandem schlüpfen, der vor 500 Jahren gelebt hat, der noch nichts wusste von Warm- und Kaltfronten und dem "kalten Licht" der Glühwürmchen. Der in einer Welt stand, die ihm unerklärlich war, mythisch und verzaubert erschien. Ein Wunder, und etwas, von dem er nie hoffen konnte, es zu durchdringen. Nicht, dass es heute anders wäre, mit Supernoven, die die Leuchtkraft von 50 Milliarden Erdensonnen erreichen. Die Dimensionen haben sich einfach verschoben. Aber früher waren sie noch handhabbar, unmittelbarer - Gewitter und Glühwürmchen.
ElsaLaska - 10. Mai, 00:26