Sehr sehr gute Frage ...
"Die Frage lautet: 'Kommt die Unfähigkeit, das Unmögliche zu tun, Gott eher zu als dem Unmöglichen die Eigenschaft, von Gott nicht geschaffen werden zu können?' (Utrum prius conveniat Deo non posse facere impossibile quam impossibili non posse fieri a Deo?)* Um welches Problem geht es hier?"
in Beckmann J.P., Einführung die Philosophie des MA.
*Ockham, Ordinatio I, d.43, q.2;OT 4, 640ff.
Allora, zur Erläuterung:
Es ist in der Tat ein Problem der Reihenfolge - und ganz allgemein gesagt zeigt es den Verlauf eines Prozesses: Da laut mittelalterlicher Weltsicht die Welt von Gott geschaffen worden ist, ist sie durchgängig kontingent, also nicht notwendig erschaffen worden. Für Wissen als solches, als wissenschaftliches Beweiswissen, gilt aber nach Aristoteles, dass es ein Wissen von dem sein muss, was notwendigerweise das ist wie es ist und wie es ist. Wie sollte jetzt also in einer nicht-notwendig geschaffenen Welt
eine wissenschaftliche Aussage zu treffen sein (es könnte ja auch alles ganz anders sein)? Darum hat man die Notwendigkeit aus dem Bereich der Dinge herausgehoben und in den Bereich der Aussagen verlegt: Dies wurde aber nicht von allen Denkern so mitvollzogen, weshalb es drei verschiedene Positionen zu dieser Frage gegeben hat:
Heinrich von Gent (theologische Position): Das Unmögliche kann von Gott nicht deshalb nicht erschaffen werden, weil es unmöglich ist, sondern weil Gott nichts Unmögliches tut. Punkt.
Duns Scotus (philosophische Position): Das Unmögliche schließt miteinander Unverträgliches ein (sonst wäre es möglich). Also ist es primär aus sich heraus, aus seiner Eigenschaft her, nicht machbar. Dass das Unmögliche nicht geschaffen werden kann, liegt logisch der Aussage voraus, dass Gott das Unmögliche nicht schafft.
Soweit, so gut. Es wäre überhaupt alles gut, wenn dann nicht noch Ockham hinten raus käme. Ockham ist der Denker, der mich gelehrt hat, dass mittelalterliche Philosophie nicht zu unterschätzen ist. Von allen philosophischen Texten, die ich gelesen habe, kann ich guten Gewissens sagen, dass ich sie - jedenfalls als ich noch etwas jünger und frischer im Hirn war - gut verstanden habe (wir haben in Ethik alles mögliche gelesen, und zwar im Original). Bei Ockham ist es so, dass es entweder an Ockham liegt oder an meinem Alter. Oder an unser beider Alter zusammengenommen ...
Ockham also kommt jetzt mit einer dritten Position: Es handle sich um korrelative Begriffe, beides sind Bestandteile von Aussagen, was wem früher zukommt ist lediglich eine Frage der formalen Struktur von Aussagebestandteilen. Er geht also über die Frage von Gottes Allmacht (von Gent) und über die Frage der ontologischen Fundierung (Scotus) hinaus bzw. zurück auf den logisch-semantischen Hintergrund der Frage, in dem er sagt: Weder geht das Nicht-Erschaffen-Können dem Nicht-Erschaffen Werden-Können voraus, noch umgekehrt. Beides ist nur miteinander aussagbar (korrelativ).
Zumindest habe ich verstanden, dass das ein ganz wesentlicher und wichtiger Schritt hin zur modernen Philosophie war. Auch kleine Gaben werden genommen!
in Beckmann J.P., Einführung die Philosophie des MA.
*Ockham, Ordinatio I, d.43, q.2;OT 4, 640ff.
Allora, zur Erläuterung:
Es ist in der Tat ein Problem der Reihenfolge - und ganz allgemein gesagt zeigt es den Verlauf eines Prozesses: Da laut mittelalterlicher Weltsicht die Welt von Gott geschaffen worden ist, ist sie durchgängig kontingent, also nicht notwendig erschaffen worden. Für Wissen als solches, als wissenschaftliches Beweiswissen, gilt aber nach Aristoteles, dass es ein Wissen von dem sein muss, was notwendigerweise das ist wie es ist und wie es ist. Wie sollte jetzt also in einer nicht-notwendig geschaffenen Welt
eine wissenschaftliche Aussage zu treffen sein (es könnte ja auch alles ganz anders sein)? Darum hat man die Notwendigkeit aus dem Bereich der Dinge herausgehoben und in den Bereich der Aussagen verlegt: Dies wurde aber nicht von allen Denkern so mitvollzogen, weshalb es drei verschiedene Positionen zu dieser Frage gegeben hat:
Heinrich von Gent (theologische Position): Das Unmögliche kann von Gott nicht deshalb nicht erschaffen werden, weil es unmöglich ist, sondern weil Gott nichts Unmögliches tut. Punkt.
Duns Scotus (philosophische Position): Das Unmögliche schließt miteinander Unverträgliches ein (sonst wäre es möglich). Also ist es primär aus sich heraus, aus seiner Eigenschaft her, nicht machbar. Dass das Unmögliche nicht geschaffen werden kann, liegt logisch der Aussage voraus, dass Gott das Unmögliche nicht schafft.
Soweit, so gut. Es wäre überhaupt alles gut, wenn dann nicht noch Ockham hinten raus käme. Ockham ist der Denker, der mich gelehrt hat, dass mittelalterliche Philosophie nicht zu unterschätzen ist. Von allen philosophischen Texten, die ich gelesen habe, kann ich guten Gewissens sagen, dass ich sie - jedenfalls als ich noch etwas jünger und frischer im Hirn war - gut verstanden habe (wir haben in Ethik alles mögliche gelesen, und zwar im Original). Bei Ockham ist es so, dass es entweder an Ockham liegt oder an meinem Alter. Oder an unser beider Alter zusammengenommen ...
Ockham also kommt jetzt mit einer dritten Position: Es handle sich um korrelative Begriffe, beides sind Bestandteile von Aussagen, was wem früher zukommt ist lediglich eine Frage der formalen Struktur von Aussagebestandteilen. Er geht also über die Frage von Gottes Allmacht (von Gent) und über die Frage der ontologischen Fundierung (Scotus) hinaus bzw. zurück auf den logisch-semantischen Hintergrund der Frage, in dem er sagt: Weder geht das Nicht-Erschaffen-Können dem Nicht-Erschaffen Werden-Können voraus, noch umgekehrt. Beides ist nur miteinander aussagbar (korrelativ).
Zumindest habe ich verstanden, dass das ein ganz wesentlicher und wichtiger Schritt hin zur modernen Philosophie war. Auch kleine Gaben werden genommen!
ElsaLaska - 16. Dez, 18:41