Schon vor zwei Jahren
circa - ich schrieb gerade einen Artikel über Ehrenamtliche und interviewte dabei auch Leute, die - erfolgreich im Beruf, vielbeschäftigte Unternehmer - in ihrer Freizeit als Hospizhelfer tätig waren, fühlte ich mich zu dieser Tätigkeit hingezogen. Zu diesem Zeitpunkt war es aber nur absolute Bewunderung, wie ich sie zum Beispiel für Menschen aufbringe, die Schwerbehinderte betreuen, Altenpflege leisten, solche Dinge, die ich mir selbst nie zutrauen würde. Hospizhelfer erschien mir wie das absolute Ding der Unmöglichkeit für mich selbst und umso Bewundernswerter. Ich bewundere meistens Dinge, die ich aufgrund der Kenntnis meines eigenen Naturells für mich völlig ausschließe und mir gleichzeitig heftig wünsche, ich wäre in der Lage, sie zu tun.
Nun verhält es sich ja mit diesen Dingen immer so, dass man, geht man sie nur einfach an und denkt nicht weiter drüber nach, durchaus in der Lage ist, sie zu tun. Der Gedanke an ein eigenes Kind war mir immer ein Gräuel, aber dennoch, hätte ich eines bekommen, wäre ich selbstverständlich durch das reine TUN und die Notwendigkeit der Umstände dazu gekommen, für eines zu sorgen und nachher vielleicht die ganze Sache sogar leidlich besser zu machen als jemand, für den das immer das Nonplusultra und Ziel allen Sehnens gewesen ist. Vielleicht. Quod erat demonstrandum.
Jedenfalls fand ich immer, aufgrund dieser zu Marmor versteinerten Ehrfurchtshaltung gegenüber Menschen, die sich in ihrer knappen Freizeit als Sterbebegleiter aufopfern, dass ich absolut ungeeignet dafür wäre. Ich bin, wie Kenner dieses Blogs wissen, nicht nur äußerst reizbar und streitlustig, ich neige auch zur Ignoranz, zu Polemik und zu Sarkasmus. Meines Wissens werden diese Eigenschaften nicht unbedingt in der Hospizbewegung dringend benötigt. Vor kurzem stieß ich in den örtlichen Blättern jedoch auf die Mitteilung, es würde ein Grundseminar angeboten für Einsteiger. In einer Anwandlung von Menschenliebe und völliger Überschätzung meiner eigentlichen Fähigkeiten dachte ich: Melde dich halt mal an. In diesen ersten Seminaren geht es vornehmlich um die Auseinandersetzung mit den eigenen Erfahrungen um Tod und Trauer.
Das machte mir Mut. Denn eigene Erfahrungen, davon habe ich wirklich jede Menge. Sowohl Erfahrung als auch Auseinandersetzung. Inklusive Wut, Scham, Schuld, Verzweiflung, das ganze Programm. Die Anmeldung wurde mir zugeschickt. Ich ließ sie liegen. Sei ehrlich, dachte ich, du kannst dich da nicht anmelden, du bist ein völlig unmöglicher Mensch (ich bin nicht sonderlich stabil oder ausgeglichen eigentlich, und in letzter Zeit machen mir typische Frauenleiden zu schaffen, die mich völlig lahmlegen, sowohl körperlich, als auch insbesondere emotional). Ich will damit sagen: Wie soll ich jemandes Sterben begleiten, wenn ich gerade meine Tage habe und in jeder Hinsicht ausgeknockt bin?
Dann las ich - bis eben - ein eigentlich völlig belangloses Buch und plötzlich stand ich wieder auf der Matte.
Alles, wofür ich mich vorverurteilte und Argument schien, diesen Schritt nicht zu machen, stand in einem anderen Licht. Ja, ich bin nicht jeden Tag in der gleichen Hochform, aber, auf ein gutes Hin betrachtet: Ich bin sensibler als alle, die sich jeden Tag der gleichen Laune erfreuen. Ich kann Menschen und ihre Stimmungen und Verfassungen erspüren. Genau das ist der Grund, warum ich nicht völlig stabil in mir selbst ruhe. Das mag im Alltagsleben nur hinderlich sein, aber in einem solchen Amt vielleicht angefragt.
Dann kam mir plötzlich der Tag des Todes meiner Oma in den Sinn, als meine Mutter nicht mehr konnte. Vielleicht bin ich unter der Zeit zu empfindlich und zu emotional, aber mir fiel das wieder ein: Wenn es nötig ist, dann fresse ich Lehm. Wenn es sein muss, dann gehe ich für andere durch die Hölle. Ohne Rücksicht auf meine Befindlichkeiten. Machst du dir da etwas vor? Nein, beschloss ich, weil ich mich an verschiedene Telefonate mit einer Freundin erinnerte, die mir eben diese Eisenbeißer-Qualitäten in Krisensituationen bestätigt hatte - nicht auf meine Nachfrage hin, sie schilderte nur Situationen, in denen es ihr schlecht ging und in denen sie erfahren durfte, dass ich mich völlig hintangestellt hatte.Und plötzlich waren alle meine Zweifel an meinen Beschränktheiten wie weggeblasen - was übrigens nur zeigt, wie wichtig es ist, Freunde zu haben, die ehrlich, dabei kritisch und trotzdem liebevoll sind.
Und deshalb habe ich vorhin den Anmeldezettel ausgefüllt für dieses Grundseminar.
Ein weiterer Beweggrund war der Brand in Ludwigshafen. Jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit schenkte ich diesem Haus einen bewundernden Blick. Es war heruntergekommen, aber ich mochte es auf meine Art. Ein schönes altes Backsteinmietshaus, wie es in Ludwigshafen nicht mehr zu finden ist. Innen womöglich heruntergekommen natürlich. Aber jedesmal, wenn ich dran vorbeiging, schaute ich hoch und bewunderte seine Fassade. Es ist etwas anderes, wenn eine Katastrophe irgendwo in einem Haus passiert, dem man nichtmal flüchtige Blicke gewidmet hat. Und es ist etwas anderes, wenn einen Katastrophe in einem Haus passiert, das man jedesmal, wenn man vorbeiging, aus unerfindlichen Gründen anhimmelte. Es ist ein Bezug da.
Die ganze Geschichte hat mich so beschäftigt, dass ich den Montag Abend nur mit Nachrichtensendungen verbrachte. Ich las und sah und hörte und betete auch für die Toten und Angehörigen.
Aber was mich mehr als alles nach der ersten Betroffenheit bewegte war die Meldung, dass Helfer - wie Polizisten, Feuerwehrleute etc. - traumatisiert waren. Wie auch nicht? Ich stehe unter einem brennenden Haus und sie werfen mir ein Kleinkind in den Arm. Natürlich denke ich nicht viel drüber nach in dem Moment, ich versuche zu fangen, aber ist meine Rolle - die des Auffangen-Müssenden um jeden Preis nicht viel grauenhafter als die desjenigen, der das Kind wirft in der natürlich nur augenblicklichen Gewissheit, alles sei besser als der Flammentod und die Helfer würden es schon irgendwie richten? Also würfe mir jemand ein Kind in die Arme, würde ich nicht denken, ich wäre auf das Auffangen konzentriert. Aber hinterher? Ich hätte die größten Probleme. Da ich wusste, dass in Ludwigshafen ein Kriseninterventionsteam im Einsatz war, beschäftigte ich mich wieder mit den Themen der Notfallseelsorge, die haben eine interessante Seite im Netz.
Und seither beschäftigt mich der Gedanke, Helfer der Helfer sein zu können und in der Notfallseelsorge engagiert zu sein. Was kann es Wichtigeres geben als den Helfern eine Stütze sein zu können (außer natürlich den Menschen in einer Katastrophensituation direkt zu helfen, aber dafür bin ich, und da bin ich ehrlich genug, nun wirklich nicht der Typ -naja, wer ist das schon.)
Vielleicht traue ich mir wirklich zu viel zu, wenn ich diese Themen weiterverfolge, die mich schon seit zwei Jahren im Bann halten - vielleicht aber auch nicht.
Nun verhält es sich ja mit diesen Dingen immer so, dass man, geht man sie nur einfach an und denkt nicht weiter drüber nach, durchaus in der Lage ist, sie zu tun. Der Gedanke an ein eigenes Kind war mir immer ein Gräuel, aber dennoch, hätte ich eines bekommen, wäre ich selbstverständlich durch das reine TUN und die Notwendigkeit der Umstände dazu gekommen, für eines zu sorgen und nachher vielleicht die ganze Sache sogar leidlich besser zu machen als jemand, für den das immer das Nonplusultra und Ziel allen Sehnens gewesen ist. Vielleicht. Quod erat demonstrandum.
Jedenfalls fand ich immer, aufgrund dieser zu Marmor versteinerten Ehrfurchtshaltung gegenüber Menschen, die sich in ihrer knappen Freizeit als Sterbebegleiter aufopfern, dass ich absolut ungeeignet dafür wäre. Ich bin, wie Kenner dieses Blogs wissen, nicht nur äußerst reizbar und streitlustig, ich neige auch zur Ignoranz, zu Polemik und zu Sarkasmus. Meines Wissens werden diese Eigenschaften nicht unbedingt in der Hospizbewegung dringend benötigt. Vor kurzem stieß ich in den örtlichen Blättern jedoch auf die Mitteilung, es würde ein Grundseminar angeboten für Einsteiger. In einer Anwandlung von Menschenliebe und völliger Überschätzung meiner eigentlichen Fähigkeiten dachte ich: Melde dich halt mal an. In diesen ersten Seminaren geht es vornehmlich um die Auseinandersetzung mit den eigenen Erfahrungen um Tod und Trauer.
Das machte mir Mut. Denn eigene Erfahrungen, davon habe ich wirklich jede Menge. Sowohl Erfahrung als auch Auseinandersetzung. Inklusive Wut, Scham, Schuld, Verzweiflung, das ganze Programm. Die Anmeldung wurde mir zugeschickt. Ich ließ sie liegen. Sei ehrlich, dachte ich, du kannst dich da nicht anmelden, du bist ein völlig unmöglicher Mensch (ich bin nicht sonderlich stabil oder ausgeglichen eigentlich, und in letzter Zeit machen mir typische Frauenleiden zu schaffen, die mich völlig lahmlegen, sowohl körperlich, als auch insbesondere emotional). Ich will damit sagen: Wie soll ich jemandes Sterben begleiten, wenn ich gerade meine Tage habe und in jeder Hinsicht ausgeknockt bin?
Dann las ich - bis eben - ein eigentlich völlig belangloses Buch und plötzlich stand ich wieder auf der Matte.
Alles, wofür ich mich vorverurteilte und Argument schien, diesen Schritt nicht zu machen, stand in einem anderen Licht. Ja, ich bin nicht jeden Tag in der gleichen Hochform, aber, auf ein gutes Hin betrachtet: Ich bin sensibler als alle, die sich jeden Tag der gleichen Laune erfreuen. Ich kann Menschen und ihre Stimmungen und Verfassungen erspüren. Genau das ist der Grund, warum ich nicht völlig stabil in mir selbst ruhe. Das mag im Alltagsleben nur hinderlich sein, aber in einem solchen Amt vielleicht angefragt.
Dann kam mir plötzlich der Tag des Todes meiner Oma in den Sinn, als meine Mutter nicht mehr konnte. Vielleicht bin ich unter der Zeit zu empfindlich und zu emotional, aber mir fiel das wieder ein: Wenn es nötig ist, dann fresse ich Lehm. Wenn es sein muss, dann gehe ich für andere durch die Hölle. Ohne Rücksicht auf meine Befindlichkeiten. Machst du dir da etwas vor? Nein, beschloss ich, weil ich mich an verschiedene Telefonate mit einer Freundin erinnerte, die mir eben diese Eisenbeißer-Qualitäten in Krisensituationen bestätigt hatte - nicht auf meine Nachfrage hin, sie schilderte nur Situationen, in denen es ihr schlecht ging und in denen sie erfahren durfte, dass ich mich völlig hintangestellt hatte.Und plötzlich waren alle meine Zweifel an meinen Beschränktheiten wie weggeblasen - was übrigens nur zeigt, wie wichtig es ist, Freunde zu haben, die ehrlich, dabei kritisch und trotzdem liebevoll sind.
Und deshalb habe ich vorhin den Anmeldezettel ausgefüllt für dieses Grundseminar.
Ein weiterer Beweggrund war der Brand in Ludwigshafen. Jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit schenkte ich diesem Haus einen bewundernden Blick. Es war heruntergekommen, aber ich mochte es auf meine Art. Ein schönes altes Backsteinmietshaus, wie es in Ludwigshafen nicht mehr zu finden ist. Innen womöglich heruntergekommen natürlich. Aber jedesmal, wenn ich dran vorbeiging, schaute ich hoch und bewunderte seine Fassade. Es ist etwas anderes, wenn eine Katastrophe irgendwo in einem Haus passiert, dem man nichtmal flüchtige Blicke gewidmet hat. Und es ist etwas anderes, wenn einen Katastrophe in einem Haus passiert, das man jedesmal, wenn man vorbeiging, aus unerfindlichen Gründen anhimmelte. Es ist ein Bezug da.
Die ganze Geschichte hat mich so beschäftigt, dass ich den Montag Abend nur mit Nachrichtensendungen verbrachte. Ich las und sah und hörte und betete auch für die Toten und Angehörigen.
Aber was mich mehr als alles nach der ersten Betroffenheit bewegte war die Meldung, dass Helfer - wie Polizisten, Feuerwehrleute etc. - traumatisiert waren. Wie auch nicht? Ich stehe unter einem brennenden Haus und sie werfen mir ein Kleinkind in den Arm. Natürlich denke ich nicht viel drüber nach in dem Moment, ich versuche zu fangen, aber ist meine Rolle - die des Auffangen-Müssenden um jeden Preis nicht viel grauenhafter als die desjenigen, der das Kind wirft in der natürlich nur augenblicklichen Gewissheit, alles sei besser als der Flammentod und die Helfer würden es schon irgendwie richten? Also würfe mir jemand ein Kind in die Arme, würde ich nicht denken, ich wäre auf das Auffangen konzentriert. Aber hinterher? Ich hätte die größten Probleme. Da ich wusste, dass in Ludwigshafen ein Kriseninterventionsteam im Einsatz war, beschäftigte ich mich wieder mit den Themen der Notfallseelsorge, die haben eine interessante Seite im Netz.
Und seither beschäftigt mich der Gedanke, Helfer der Helfer sein zu können und in der Notfallseelsorge engagiert zu sein. Was kann es Wichtigeres geben als den Helfern eine Stütze sein zu können (außer natürlich den Menschen in einer Katastrophensituation direkt zu helfen, aber dafür bin ich, und da bin ich ehrlich genug, nun wirklich nicht der Typ -naja, wer ist das schon.)
Vielleicht traue ich mir wirklich zu viel zu, wenn ich diese Themen weiterverfolge, die mich schon seit zwei Jahren im Bann halten - vielleicht aber auch nicht.
ElsaLaska - 6. Feb, 00:52