und ich ja nie Lust habe auf solche Einträge, und deshalb umso dankbarer bin, wenn sich andere des Themas annehmen:
Mcp hat einen Eintrag zum Elendsthema "Papst-AIDS-Kondome" gemacht. Mit Statistik und Statement der Kondomindustrie.
*Stirn auf der Tastatur*
ElsaLaska - 11. Sep, 23:09
aus romanistischer Sicht ...
"Als besonders paradox anmutendes und dennoch typisches Opfer jener seit Jahrhunderten funktionierenden Verdrängungsleistung [nämlich dass das spanische Kulturleben im 16. und 17. Jh. eigentlich von "conversos" getragen wurde] enthüllt sich der heutigen Forschung zunehmend das literarische Werk der spanischen Nationalheiligen und Kirchenlehrerin Teresa von Avila (1515-1582); nach und nach ersteht diese selbst als eine der herausragenden Frauengestalten der europäischen Geschichte und [...] eine der ganz wenigen mit den Wissenssystemen ihrer Zeit vertrauten Schriftstellerinnen, die ihre Souveränität (zumindest eine Zeitlang) gegen die Arroganz männlicher Herrschaftsautorität zu behaupten vermochten. Verschwiegen wurde nämlich nicht nur, dass diese Identifikationsfigur hispanischer Weiblichkeit selbst dem jüdischen Bürgertum Toledos, das sich durch Konversion der Exilierung entzogen hatte, entstammte und folglich maßgeblich von dessen, inzwischen spiritualistisch gewendeter Kultur der "inneren Emigration" geprägt wurde, sondern ebenso, dass ihre Genese als Schriftstellerin aufgrund dieser Herkunft unweigerlich nur über tiefgreifende psychische und religiöse Konflikte vonstatten gehen konnte. [...]
Seit ihrer Heiligsprechung im Jahre 1622 wurde die eigentlich leicht als strategische List zu durchschauende, simulierte Naivität ihrer Sprache als Zeichen weiblicher Unbildung missverstanden und die Vehemenz ihrer ekstatischen Rhetorik zur Idylle verklärt, was es andererseits der vorwissenschaftlichen Neurosenlehre des frühen 19. Jhs. erleichterte, die extrem poetischen Erfahrungsfiguren in diesem Werk zu pathologischen Artikulationen weiblicher Hysterie zu verfälschen. [!!!]
[...]
Dem Wagnis ihrer Überschreitung der durch dogmatische Diskurse, durch Sprach- und Imaginationsverbote gezogenen Grenzen verdankt sich desgleichen auch in ihren übrigen Werken jene metaästhetische Illuminationserfahrung, die sich Jahrhunderte später in den Lichtkonzepten der radikalsten poetischen Neuerer der Moderne: Baudelaire, Rimbaud, Mallarmé, Breton, usw. wiederfinden wird. Indem sich Teresas poetische Subjektivität über ihre Liebes-Meditation Zutritt verschafft zu den archaischen Territorien des biblischen Orients, die zu betreten ihr als Frau und Nachfahrin von Sepharden verwehrt ist, erobert sie sich jene metadiskursiven Paradiese zurück, die den Ursprungsort jeglicher Kunst anzeigen. Es ist an der Zeit, sich der von der Geschichte verschütteten Wege zu dieser Illumination neu zu versichern."
André Stoll: Die poetischen Paradiese des Ichs. Teresa von Avilas "Von der Liebe Gottes". Beltz Athenäum, 1994. Auszüge aus dem Vorwort.
ElsaLaska - 11. Sep, 22:32
und den
untenstehenden Klappentext des Aufbau-Verlages auseinandernehmen, von wegen "Verkehrung des Evangeliums" (Hä?), "Korrektur des kanonischen Bildes" (wieso? Hat er ihn nach dem kanonischen Bild vielleicht nicht verraten?), "Absage an die Dogmen der christlichen Religion" (W E L C H E denn nur?*trommelt mit den Fingern auf die Tischkante) und da lese ich, dass gegen den
Aufbau-Verlag - von mir durchaus geschätzt, weil er mich mit wundervollen deutschen Übersetzungen russischer und tschechischer Schriftsteller während meines Studiums bestens versorgt hatte (ich habe einen tollen Sammelband mit tschechischen Science-Fiction Erzählungen von denen!) -, zum 1. September 2008 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.
Das ist für die Verbreitung slawischer Belletristik natürlich blöd, andererseits - mit diesen Klappentexten und dieser unerträglichen Propaganda im literaturwissenschaftlichen Schafspelz in den Nachworten ...
ElsaLaska - 11. Sep, 22:20
zum Band mit Erzählungen von L. Andreev:
"Andrejews Judas-Version ist keine bloße Korrektur des kanonischen Bildes, keine bloße Verkehrung des Evangeliums - die Frage Verrat bot sich nach dem Scheitern der Revolution von 1905 ohnehin an -, sondern vor allem eine konsequente Absage an die Dogmen der christlichen Religion [sic!]. Seine Auflehnung gegen Gott und die festgefügten Normen der Gesellschaft erreicht in der literarischen Auseinandersetzung mit der Schüsselerzählung "Meine Aufzeichnungen" einen Höhepunkt; selten wurden die ewigen Fragen der Menschheit ungeduldiger, quälender und provokativer diskutiert. Seiner Humanismuskonzeption entsprechend, sieht Andrejew die geschichtlichen Ereignisse allerdings kaum in ihrem komplexen, gesellschaftlichen Zusammenhang, den Menschen weniger in seinem sozialen Kontext."
ElsaLaska - 11. Sep, 14:33
Ein sehr kleines, sehr grauhaariges Männchen mit sehr riesiger Brille, sorgfältig gekleidet in einen zeitlosen Anzug (um nicht altmodisch zu sagen, nein, er ist nicht altmodisch - vielmehr: zeitlos). Hohe, grelle Stimme. Ihm gegenüber eine mächtige, füllige, hochgewachsene Polin mit kurzen, dunklen Haaren, einer unglaublich hässlichen, vorstehenden Warze auf der Wange, sexy Oberteil mit straßbesetzten Trägern.
Ich rätsle, wie ihr Verhältnis wohl sei.
Das Männchen sagt, zufriedener Unterton: Es trägt ja keiner hier Anzug, nicht wahr, außer mir ... Hörmal, wir bestellen folgendes ... (steht auf mit der Speisekarte, erklärt, was er zu bestellen wünscht für sie...) Dann, wieder sehr zufrieden:
Die Leute sprechen mich an, ob du meine Frau seist?
Immer sehr lange Pausen zwischen seinen Äußerungen. Sie kann kein Deutsch außer Dankeschön.
Er wieder: Nach dem Essen möchte ich bitte einen koffeinfreien Espresso und einen doppelten polnischen Wodka (kleine Verbeugung vor seiner Tischgenossin).
(Das alles kommt überhaupt nicht gut an, der kleine Alte tut mir Leid: Erstens gibt es keinen koffeinfreien Espresso, aus technischen Gründen, zweitens ignoriert seine Tischdame die Reminiszens und bestellt sich als Digestif einen Kamillentee).
Ich muss ja morgen früh raus, so das Männchen. Aber packen heute Abend! Der Hotelier kommt an den Tisch, ob alle zufrieden sind.
NEIN!, so das Männchen, seine Begleiterin kam heute Nacht um halb Zwei aus Polen an und musste woanders übernachten, weil man sie nicht mehr in das Hotel hineinließ.
Und ich sitze da und rätsle. Wo sie wohl übernachtet hat um halb Zwei, in einer Stadt, die kein Bahnhofsmotel hat? Ob sie ihn pflegen soll oder heiraten soll und überhaupt, ja wieso die beiden sich um Gottes Willen überhaupt an diesem Abend getroffen haben. Ich werde es nicht herausfinden. Es bleibt ihr Geheimnis. Aber ich wünsche den beiden alles Gute.
ElsaLaska - 11. Sep, 00:19