Das Farnese-Komplott [152]
Während ich noch darüber rätselte, wer die Tauben ausgesandt haben und ob es ich um eine simple Falle handeln könnte, geriet mir eine ansehnliche Rolle von beschriebenem Pergamentpapier in die Hände, von der ich nicht mehr wusste, aus welchem Regal, welchem Schrankfach oder welcher Vitrine ich sie gezogen hatte.
Ich strich sie glatt und überflog die erste Seite, die in einer zierlichen, aber gestochen klaren Handschrift auf volgare abgefasst war. Meine Aufmerksamkeit wurde durch die Tatsache erregt, dass es sich um eine Frau handelte, die sich freimütig als Verfasserin bekannte und Caterina de Santis nannte. Caterina hatte ihre Eltern bei der Belagerung von Konstantinopel 1453 verloren und fand sich in der Blüte ihrer Jahre als Mündel des Kirchenstaates wieder. Sie sei, so berichtete sie, umfassend in den alten und neuen Sprachen unterrichtet worden, im Stande, verschlüsselte Botschaften zu dechiffrieren und verfügte daneben über profunde Kenntnisse in den sieben freien Künsten, das hieß Grammatik, Rhetorik, Logik, Mathematik im weiteren Sinne, Musik und Astronomie. Mir fiel ihr trockener Stil auf. Der Tatsache, dass ihr Vormund Kardinal Galeazzo Orsini für eine umfassende, für eine Frau in der damaligen Zeit durchaus ungewöhnliche Ausbildung gesorgt hatte, maß sie nicht allzuviel Bedeutung bei. Jedoch sei es der Verdienst des Kardinals gewesen, dass er sie in das Bett des venezianischen Condottiere Bartolomeo Colleoni gelegt habe, eines ebenso leidenschaftlichen und glühenden Liebhabers wie brillanten Heerführers, der ihre Ausbildung vervollkommnet habe, in dem er sie im rechten Gebrauch von Rapier und Schwert und in den Techniken militärischer Strategie und Taktik unterwies. Zur Zeit, zu der ihr Bericht begann, also im Jahre 1477, schien sie jedoch unzufrieden mit ihrer Situation. Nach dem Tode Colleonis 1475 hatte sich Kardinal Orsini wohl auf die Schicklichkeit besonnen und beschlossen, sie mit einem seiner zahlreichen Neffen zwangszuverheiraten. Wollte ich den Worten Caterinas Glauben schenken, so handelte es sich um eine impotente Kanaille mit sadistischen Gelüsten, ein Produkt jahrhundertelanger Inzucht mit schiefem Maul und Allmachtsphantasien, die - hier wurde Caterina sehr deutlich - sich auf einen angeborenen körperlichen Missstand zurückführen ließen, was Größe und Ausstattung seines "Gemächts" betraf.
Kurz und gut, um das Jahr 1477 herum war Caterina eine hochintelligente, umfassend gebildete Frau, Papst Sixtus IV., einem della Rovere, - und das sagte Eingeweihten bereits alles - und dem Kirchenstaat zu absoluter Loyalität verpflichtet und dabei in höchstem Maße sowohl körperlich als auch intellektuell unbefriedigt - schlicht, Bessres gewohnt.
Insofern wird man verstehen, dass die Mission, mit der sie der Kirchenstaat dann betraute, eine willkommene Abwechslung für eine in jeder Hinsicht unterforderte Frau bedeutete.
Kardinal Orsini hätte diesen Umstand und alle Gefahren, die er mit sich brachte, vorhersehen können. So fand ich jedenfalls. Caterina hat nie ein Wort darüber verloren. Das war auch nicht nötig. Im Jahre 1477 sollte sich jedenfalls ihr Schicksal wenden, soviel hatte ich verstanden, und deshalb schmuggelte ich die Pergamentrolle auch unter meinem Habit aus der Bibliothek hinaus und in die Einsamkeit meiner Zelle, um die Zeit bis zu einer eventuellen Antwort auf meine Brieftaubenbotschaft zu überbrücken.
>Das Farnese-Komplott [151]
>>Das Farnese-Komplott [1]
Ich strich sie glatt und überflog die erste Seite, die in einer zierlichen, aber gestochen klaren Handschrift auf volgare abgefasst war. Meine Aufmerksamkeit wurde durch die Tatsache erregt, dass es sich um eine Frau handelte, die sich freimütig als Verfasserin bekannte und Caterina de Santis nannte. Caterina hatte ihre Eltern bei der Belagerung von Konstantinopel 1453 verloren und fand sich in der Blüte ihrer Jahre als Mündel des Kirchenstaates wieder. Sie sei, so berichtete sie, umfassend in den alten und neuen Sprachen unterrichtet worden, im Stande, verschlüsselte Botschaften zu dechiffrieren und verfügte daneben über profunde Kenntnisse in den sieben freien Künsten, das hieß Grammatik, Rhetorik, Logik, Mathematik im weiteren Sinne, Musik und Astronomie. Mir fiel ihr trockener Stil auf. Der Tatsache, dass ihr Vormund Kardinal Galeazzo Orsini für eine umfassende, für eine Frau in der damaligen Zeit durchaus ungewöhnliche Ausbildung gesorgt hatte, maß sie nicht allzuviel Bedeutung bei. Jedoch sei es der Verdienst des Kardinals gewesen, dass er sie in das Bett des venezianischen Condottiere Bartolomeo Colleoni gelegt habe, eines ebenso leidenschaftlichen und glühenden Liebhabers wie brillanten Heerführers, der ihre Ausbildung vervollkommnet habe, in dem er sie im rechten Gebrauch von Rapier und Schwert und in den Techniken militärischer Strategie und Taktik unterwies. Zur Zeit, zu der ihr Bericht begann, also im Jahre 1477, schien sie jedoch unzufrieden mit ihrer Situation. Nach dem Tode Colleonis 1475 hatte sich Kardinal Orsini wohl auf die Schicklichkeit besonnen und beschlossen, sie mit einem seiner zahlreichen Neffen zwangszuverheiraten. Wollte ich den Worten Caterinas Glauben schenken, so handelte es sich um eine impotente Kanaille mit sadistischen Gelüsten, ein Produkt jahrhundertelanger Inzucht mit schiefem Maul und Allmachtsphantasien, die - hier wurde Caterina sehr deutlich - sich auf einen angeborenen körperlichen Missstand zurückführen ließen, was Größe und Ausstattung seines "Gemächts" betraf.
Kurz und gut, um das Jahr 1477 herum war Caterina eine hochintelligente, umfassend gebildete Frau, Papst Sixtus IV., einem della Rovere, - und das sagte Eingeweihten bereits alles - und dem Kirchenstaat zu absoluter Loyalität verpflichtet und dabei in höchstem Maße sowohl körperlich als auch intellektuell unbefriedigt - schlicht, Bessres gewohnt.
Insofern wird man verstehen, dass die Mission, mit der sie der Kirchenstaat dann betraute, eine willkommene Abwechslung für eine in jeder Hinsicht unterforderte Frau bedeutete.
Kardinal Orsini hätte diesen Umstand und alle Gefahren, die er mit sich brachte, vorhersehen können. So fand ich jedenfalls. Caterina hat nie ein Wort darüber verloren. Das war auch nicht nötig. Im Jahre 1477 sollte sich jedenfalls ihr Schicksal wenden, soviel hatte ich verstanden, und deshalb schmuggelte ich die Pergamentrolle auch unter meinem Habit aus der Bibliothek hinaus und in die Einsamkeit meiner Zelle, um die Zeit bis zu einer eventuellen Antwort auf meine Brieftaubenbotschaft zu überbrücken.
>Das Farnese-Komplott [151]
>>Das Farnese-Komplott [1]
ElsaLaska - 25. Jan, 23:19