Zum Konflikt in Syrien.
[Update: Bürgerkrieg in Syrien. Deutsche sind gegen Nato-Einsatz. Eine Meldung von ntv:
>>Die Diplomatie versagt in Syrien. Der Friedensplan des Sondergesandten Kofi Annan zeigt bisher keine Wirkung. Nach Angaben der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte verloren seit dem Beginn des Konfliktes mehr als 19.000 Menschen ihr Leben. Darunter waren vermutlich 13.000 Zivilisten. Seit Wochen steht daher eine Frage im Raum: Sollte die Nato militärisch in den Konflikt eingreifen? Dem Regime von Baschar al-Assad ein Ende setzen?
Die Mehrzahl der Deutschen spricht sich nach Angaben des Meinungsforschungsinstituts Forsa dagegen aus. 60 Prozent der Teilnehmer der Umfrage im Auftrag von RTL und "Stern" wollen keinen militärischen Einsatz ausländischer Truppen. Nur 33 Prozent befürworten ihn.<< Ganze Meldung hier.]
Ein Gastbeitrag von Olaf Tannenberg.
Fest und unbeugsam überragte einstmals der Krak des Chevaliers, eine der mächtigsten Festungen ihrer Zeit, die Berge nahe der syrisch-libanesischen Grenze. Fest und unbeugsam muss auch der Glaube der Christen im Syrien dieser Tage sein. Denn der zarte Hauch des Arabischen Frühlings wird für sie zunehmend zum eisigen Sturm. Viele fliehen, vorbei an den Ruinen der alten Festung, in den nahen Libanon. Es ist eine Flucht vor dem mörderischen Bürgerkrieg, der in ihrer Heimat tobt.
Spätestens mit der ersten Demonstration syrischer Oppositioneller am 15. März 2011 brach auch in Syrien der Arabische Frühling an. Die wichtigste Forderung war der Rücktritt Baschar al-Assads, eines Despoten, der jüngst unverhohlen mit dem Einsatz chemischer Waffen drohte. Er stützt sich auf seine Armee, die Geheimdienste und besonders die alawitischen Shabiha-Milizen (Schabh = Gespenst), mutmaßlich beteiligt an dem Massaker in der Siedlungsgruppe Hula am 25. Mai 2012, bei dem 116 Menschen, darunter 34 Kinder brutal ermordet wurden, und beim Artilleriebeschuss der Stadt Hama am 5. Juni 2012, der rund 100 Todesopfer forderte. Assad ist selbst Alawit, die Milizen werden von zwei seiner Cousins geführt.
Die Opposition besteht aus mehreren Gruppen, die teils politisch und teils militärisch agieren. Es finden sich neben demokratischen Parteien mehrere religiöse Organisationen, wie die Muslimbrüder, aber auch vermehrt Islamisten und Dschihadisten, darunter die Al-Qaida nahestehende Al-Nusra Front to Protect the Levant.
Wie viele Opfer die Niederschlagung der Aufstände und der bewaffnete Kampf bereits gekostet hat, ist unklar. Es gibt keine verlässlichen Zahlen, aber man muss längst von mehreren Tausend ausgehen. Mehr und mehr wird die Revolution auch zu einem religiösen Konflikt. In dem dicht besiedelten Land finden sich unter den rund 21 Millionen Einwohnern, zu 75 % muslimische Sunniten, Minderheiten, wie Alawiten und Schiiten (12 %), Christen (15 %) sowie Drusen (2 %). Besonders die Alawiten, für die Sunniten gelten sie als Häretiker, sind mit dem staatssozialistischen System Assads eng verbunden und fürchten daher Vergeltungsaktionen.
Doch auch für die Christen ist die Lage äußerst angespannt. Bereits im März 2012 beklagte die Syrisch-Orthodoxe Kirche die Vertreibung und Enteignung von bis zu 90 % der Christen in der Stadt Homs durch die zur Freien Syrischen Armee gehörenden Faruq-Brigade, einer islamistischen Miliz, der auch Söldner aus Libyen und dem Irak angehören. Auch in anderen Regionen haben Christen immer stärker unter den Attacken von Rebellengruppen zu leiden, viele fliehen in das ostlibanesische Bekaa-Tal. Die Angst begleitet sie. Ebenso die Ankündigung der radikal-islamischen Freischärler: »Im neuen Syrien gibt es für euch keinen Platz!«
Auch wenn die meiste Gewalt von den Handlangern des Regimes ausgeht, so gehen auch Teile der Aufständischen nicht zimperlich mit tatsächlichen und vermeintlichen Gegnern um. Der seit beinahe eineinhalb Jahren andauernde Bürgerkrieg lässt die oppositionellen Kämpfer verrohen. Einige Einheiten der bunt zusammengesetzten Freien Syrischen Armee haben sich in rasanter Geschwindigkeit radikalisiert und sind unter den Einfluss ausländischer Dschihadisten geraten. Zuvor hatten die Aufständischen die Angehörigen der christlichen Minderheit in Ruhe gelassen, die ihrerseits versuchten, Neutralität zu wahren.
Die jahrzehntelange Herrschaft der Baath-Partei hat die Menschen in Syrien geprägt, so wie es jede Diktatur vermag. Die vermeintliche Freiheit der Religionen ist unter der Herrschaft eines Despoten niemals ein verbrieftes demokratisches Recht, sondern vielmehr ein Mittel zum Zweck der Unterdrückung. In diesem System und seinen Auswirkungen haben sich auch die Christen verfangen, die um den Preis der Religionsausübung die Willkür Assads erduldet haben. Ohne eigene Schuld sehen sie sich nun mit altem und neuen Hass konfrontiert.
Die gegenwärtige Lage in Syrien ist in etwa mit der Lage in Libyen vor dem Fall des Regimes vergleichbar. Nur dass es kein Eingreifen der UNO oder der Nato geben wird. Zu uneins ist der UN-Sicherheitsrat, zu verschieden die Ansichten der Veto-Mächte. Russland, Syriens größter Versorger mit Waffen, befürchtet die Parteinahme des Westens. Doch ein Eingreifen würde besonders für jene schmerzhaft, die von den radikalen Oppositionellen als Mitschuldige betrachtet werden und blutige Vergeltung zu befürchten hätten: neben den Alawiten besonders auch die Christen.
Die militärische Lage ist ziemlich verworren. Die wichtigsten Handlungen werden von alawitischen Milizen durchgeführt, die aus Angst vor späteren Racheaktionen zu Assad stehen. Von den regulären Truppen haben sich bisher rund 60.000 Mann abgesetzt, teils in die Türkei, von wo aus sie in den Grenzgebieten einen Kleinkrieg führen. In Damaskus sind eher terrorähnlich organisierte Islamisten zugange.
Mitte September wird der Heilige Vater in den Libanon reisen, lediglich 'bewehrt' mit einer weißen Soutane und wohl als der einzige Vertreter der abendländisch-europäischen Zivilisation, der sich in die Nähe des Geschehens wagt. Nicht nur die einheimischen Christen werden gespannt seine Botschaften erwarten, sondern besonders auch die syrischen Flüchtlinge. Es werden eindringliche Worte des Friedens und der Versöhnung sein, Worte, die zum verträglichen Zusammenleben der Religionen ermutigen. Mögen die Konfliktparteien sich dieser Worte annehmen. Denn nur Friede und Verständigung sowie die Überwindung der bestehenden Konflikte kann dieser geschundenen Region überhaupt eine Zukunft geben.
Doch vorerst werden die syrischen Christen mit der Unterstützung ihrer Geschwister in aller Welt in ihrem Glauben fest und unbeugsam bleiben - so wie im Jahr 1188 die Verteidiger des Krak des Chevaliers gegenüber den Truppen Sultan Saladins.
>>Die Diplomatie versagt in Syrien. Der Friedensplan des Sondergesandten Kofi Annan zeigt bisher keine Wirkung. Nach Angaben der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte verloren seit dem Beginn des Konfliktes mehr als 19.000 Menschen ihr Leben. Darunter waren vermutlich 13.000 Zivilisten. Seit Wochen steht daher eine Frage im Raum: Sollte die Nato militärisch in den Konflikt eingreifen? Dem Regime von Baschar al-Assad ein Ende setzen?
Die Mehrzahl der Deutschen spricht sich nach Angaben des Meinungsforschungsinstituts Forsa dagegen aus. 60 Prozent der Teilnehmer der Umfrage im Auftrag von RTL und "Stern" wollen keinen militärischen Einsatz ausländischer Truppen. Nur 33 Prozent befürworten ihn.<< Ganze Meldung hier.]
Ein Gastbeitrag von Olaf Tannenberg.
Fest und unbeugsam überragte einstmals der Krak des Chevaliers, eine der mächtigsten Festungen ihrer Zeit, die Berge nahe der syrisch-libanesischen Grenze. Fest und unbeugsam muss auch der Glaube der Christen im Syrien dieser Tage sein. Denn der zarte Hauch des Arabischen Frühlings wird für sie zunehmend zum eisigen Sturm. Viele fliehen, vorbei an den Ruinen der alten Festung, in den nahen Libanon. Es ist eine Flucht vor dem mörderischen Bürgerkrieg, der in ihrer Heimat tobt.
Spätestens mit der ersten Demonstration syrischer Oppositioneller am 15. März 2011 brach auch in Syrien der Arabische Frühling an. Die wichtigste Forderung war der Rücktritt Baschar al-Assads, eines Despoten, der jüngst unverhohlen mit dem Einsatz chemischer Waffen drohte. Er stützt sich auf seine Armee, die Geheimdienste und besonders die alawitischen Shabiha-Milizen (Schabh = Gespenst), mutmaßlich beteiligt an dem Massaker in der Siedlungsgruppe Hula am 25. Mai 2012, bei dem 116 Menschen, darunter 34 Kinder brutal ermordet wurden, und beim Artilleriebeschuss der Stadt Hama am 5. Juni 2012, der rund 100 Todesopfer forderte. Assad ist selbst Alawit, die Milizen werden von zwei seiner Cousins geführt.
Die Opposition besteht aus mehreren Gruppen, die teils politisch und teils militärisch agieren. Es finden sich neben demokratischen Parteien mehrere religiöse Organisationen, wie die Muslimbrüder, aber auch vermehrt Islamisten und Dschihadisten, darunter die Al-Qaida nahestehende Al-Nusra Front to Protect the Levant.
Wie viele Opfer die Niederschlagung der Aufstände und der bewaffnete Kampf bereits gekostet hat, ist unklar. Es gibt keine verlässlichen Zahlen, aber man muss längst von mehreren Tausend ausgehen. Mehr und mehr wird die Revolution auch zu einem religiösen Konflikt. In dem dicht besiedelten Land finden sich unter den rund 21 Millionen Einwohnern, zu 75 % muslimische Sunniten, Minderheiten, wie Alawiten und Schiiten (12 %), Christen (15 %) sowie Drusen (2 %). Besonders die Alawiten, für die Sunniten gelten sie als Häretiker, sind mit dem staatssozialistischen System Assads eng verbunden und fürchten daher Vergeltungsaktionen.
Doch auch für die Christen ist die Lage äußerst angespannt. Bereits im März 2012 beklagte die Syrisch-Orthodoxe Kirche die Vertreibung und Enteignung von bis zu 90 % der Christen in der Stadt Homs durch die zur Freien Syrischen Armee gehörenden Faruq-Brigade, einer islamistischen Miliz, der auch Söldner aus Libyen und dem Irak angehören. Auch in anderen Regionen haben Christen immer stärker unter den Attacken von Rebellengruppen zu leiden, viele fliehen in das ostlibanesische Bekaa-Tal. Die Angst begleitet sie. Ebenso die Ankündigung der radikal-islamischen Freischärler: »Im neuen Syrien gibt es für euch keinen Platz!«
Auch wenn die meiste Gewalt von den Handlangern des Regimes ausgeht, so gehen auch Teile der Aufständischen nicht zimperlich mit tatsächlichen und vermeintlichen Gegnern um. Der seit beinahe eineinhalb Jahren andauernde Bürgerkrieg lässt die oppositionellen Kämpfer verrohen. Einige Einheiten der bunt zusammengesetzten Freien Syrischen Armee haben sich in rasanter Geschwindigkeit radikalisiert und sind unter den Einfluss ausländischer Dschihadisten geraten. Zuvor hatten die Aufständischen die Angehörigen der christlichen Minderheit in Ruhe gelassen, die ihrerseits versuchten, Neutralität zu wahren.
Die jahrzehntelange Herrschaft der Baath-Partei hat die Menschen in Syrien geprägt, so wie es jede Diktatur vermag. Die vermeintliche Freiheit der Religionen ist unter der Herrschaft eines Despoten niemals ein verbrieftes demokratisches Recht, sondern vielmehr ein Mittel zum Zweck der Unterdrückung. In diesem System und seinen Auswirkungen haben sich auch die Christen verfangen, die um den Preis der Religionsausübung die Willkür Assads erduldet haben. Ohne eigene Schuld sehen sie sich nun mit altem und neuen Hass konfrontiert.
Die gegenwärtige Lage in Syrien ist in etwa mit der Lage in Libyen vor dem Fall des Regimes vergleichbar. Nur dass es kein Eingreifen der UNO oder der Nato geben wird. Zu uneins ist der UN-Sicherheitsrat, zu verschieden die Ansichten der Veto-Mächte. Russland, Syriens größter Versorger mit Waffen, befürchtet die Parteinahme des Westens. Doch ein Eingreifen würde besonders für jene schmerzhaft, die von den radikalen Oppositionellen als Mitschuldige betrachtet werden und blutige Vergeltung zu befürchten hätten: neben den Alawiten besonders auch die Christen.
Die militärische Lage ist ziemlich verworren. Die wichtigsten Handlungen werden von alawitischen Milizen durchgeführt, die aus Angst vor späteren Racheaktionen zu Assad stehen. Von den regulären Truppen haben sich bisher rund 60.000 Mann abgesetzt, teils in die Türkei, von wo aus sie in den Grenzgebieten einen Kleinkrieg führen. In Damaskus sind eher terrorähnlich organisierte Islamisten zugange.
Mitte September wird der Heilige Vater in den Libanon reisen, lediglich 'bewehrt' mit einer weißen Soutane und wohl als der einzige Vertreter der abendländisch-europäischen Zivilisation, der sich in die Nähe des Geschehens wagt. Nicht nur die einheimischen Christen werden gespannt seine Botschaften erwarten, sondern besonders auch die syrischen Flüchtlinge. Es werden eindringliche Worte des Friedens und der Versöhnung sein, Worte, die zum verträglichen Zusammenleben der Religionen ermutigen. Mögen die Konfliktparteien sich dieser Worte annehmen. Denn nur Friede und Verständigung sowie die Überwindung der bestehenden Konflikte kann dieser geschundenen Region überhaupt eine Zukunft geben.
Doch vorerst werden die syrischen Christen mit der Unterstützung ihrer Geschwister in aller Welt in ihrem Glauben fest und unbeugsam bleiben - so wie im Jahr 1188 die Verteidiger des Krak des Chevaliers gegenüber den Truppen Sultan Saladins.
ElsaLaska - 24. Jul, 21:25
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