Gold, Weihrauch und Myrrhe-Die Gaben der heiligen drei Könige

Zuerst erschienen am 5. Januar 2011 in Die Tagespost.
Von Barbara Wenz.
Wer einmal einen Soukh, einen Markt, in Ägypten oder Marokko besucht hat, der denkt bei diesem biblischen Dreiklang sofort an die überbordenden, funkelnden Auslagen der einheimischen Goldschmiede: Ketten, Ringe, Armbänder, Ohrgehänge, filigran gearbeitet in Rot- und Weißgold. In der Erinnerung kann man sie fast wieder riechen: die süßlich-schweren Gewürzaromen von Pfeffer, Safran, Kurkuma, aufgetürmt zu quietschbunt leuchtenden Kegeln. Weißpudrige Weihrauchbrocken – kostbar und begehrt, kistenweise. Bernsteingelbe Myrrheklumpen, säckeweise. Und dazwischen der Duft frisch gebrühten Mokkas mit Koriander, den die Händler in winzigen Tässchen ihren Kunden servieren. All unsere Sinne schlagen an. Dabei muten doch aber die Geschenke der Drei Weisen aus dem Morgenland an das Jesuskind auf den ersten Blick leicht bizarr an, denn was sollte ein kaum zwei Wochen altes Kind, das in einer Stallgrotte zur Welt gekommen war, wohl mit Gold, Weihrauch oder gar Myrrhe anfangen? Wäre ihm mit einem wärmenden Mützchen, einer weichen Wolldecke oder einem Spielzeug nicht besser gedient gewesen? Einer Wiege aus Ebenholz?
Eine mögliche Erklärung für die äußerst kostbare Beschaffenheit bei gleichzeitig geringstmöglichem praktischem Nutzen der Gaben ist, dass es sich hierbei um Geschenke handelte, die eines Königs würdig waren; immerhin hatten die Drei Weisen nichts weniger als die ersehnte und längst angekündigte Geburt eines neuen, großen Königs der Juden erwartet. In der Legenda Aurea des Jacobus de Voragine aus dem 13. Jahrhundert steht zu lesen: „Dass die Magier gerade diese Geschenke darbrachten, hat vielfältige Gründe. Zunächst einmal war es bei den Alten strenge Sitte, wie Remigius vermerkt, dass niemand ohne Geschenk vor einen Gott oder König trete. Die Perser und Chaldäer brachten traditionsgemäß solche Gaben. Denn wie in der Historia Scholastica steht, kamen die drei Könige aus dem persischchaldäischen Grenzlande, das der Fluss Sabe durchströmt, nach dem die Gegend Sabäa heißt ... Durch das Gold, das kostbarste aller Metalle, wird dabei die unsagbar kostbare Göttlichkeit symbolisiert. Der Weihrauch stellt die vollständig ergebene Seele dar, weil Weihrauch das Kennzeichen für Ehrerbietung und Gebete ist; so heißt es im Psalm: ,Meine Rede steige zu dir auf wie ein Rauchopfer.‘ Und die Myrrhe, die vor Verderben schützt, ist Sinnbild des reinen Körpers.“ (Neuübersetzung von Matthias Hackemann.)
Leider ist die detaillierte Beschaffenheit der Geschenke weitgehend unbekannt: Waren es Goldkörner, ein Barren, Münzen, vielleicht sogar eine Krone? Sicherlich befand dies sich in einer handlichen, verschließbaren Kassette, die Weihrauchbrocken und die Myrrheklumpen wohl in kostbaren Schatullen oder kleinen Amphoren. Weil für Katholiken der Alte Bund auf den Neuen Bund zuläuft, in ihm seine Erfüllung findet, könnte man, um zumindest zwei dieser Gaben plausibel herzuführen, einen Blick in das Buch Jesaja werfen, Kapitel 60, mit der Überschrift „Zions zukünftige Herrlichkeit“. Dort lesen wir folgende Worte des vielleicht größten alttestamentarischen Propheten: „Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir! Denn siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir geht auf der Herr und seine Herrlichkeit erscheint über dir. Und die Heiden werden zu deinem Lichte ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht. Hebe deine Augen auf und sieh umher: Diese alle sind versammelt und kommen zu dir. Deine Söhne werden von ferne kommen und deine Töchter auf deinem Arm hergetragen werden.“ Und weiter: „Denn die Menge der Kamele wird dich bedecken, die jungen Kamele aus Midion und Efa. Sie werden aus Saba alle kommen, Gold und Weihrauch bringen und des Herrn Lob verkündigen.“ (Jes 60, 1–4+6).
Schließlich wird Jesus, dem Bräutigam, wie in Psalm 45 beschrieben, die Braut auch goldgeschmückt entgegen gehen – somit ist das Gold auch als Verweis auf den königlichen Bräutigam zu verstehen, dessen einzig und innig Geliebte die auf ewig bräutlich geschmückte, von Heiligkeit duftende Kirche ist. Köstlich ist diese Stelle zu lesen: „Von Myrrhe, Aloe und Kassia duften all deine Gewänder, aus Elfenbeinhallen erfreut dich Saitenspiel. Königstöchter gehen dir entgegen, die Braut steht dir zur Rechten im Schmuck von Ophirgold.“ Myrrhe, obwohl zur biblischen Zeit bestens bekannt, wird allerdings gemäß der Konkordanz außerhalb des Evangeliums nur einmal erwähnt, in jenem Psalm 45. Innerhalb der Evangelien insgesamt nur dreimal: Zuerst bei Matthäus anlässlich der Geburt Jesu als Geschenk von Kaspar, Melchior und Balthasar. Markus berichtet, dass Jesus während der Kreuzigung mit Myrrhe versetzten Wein, der seine Schmerzen lindern sollte, ablehnt. Und Johannes erwähnt, dass der Leichnam Jesu mit einer großen Menge Myrrhe, vermischt mit Aloe einbalsamiert wurde. Wenn man heute in der Internet-Suchmaschine „Google“ den Begriff „Gold“ eingibt, dann erscheinen hauptsächlich Finanz- und Börsenseiten sowie Goldhändler neben dem Lexikoneintrag von Wikipedia, dass es sich bei Gold um ein chemisches Element mit der Ordnungszahl 79 handle. Was früher ein Geschenk für Könige war, ist zu einem Sinnbild für die Währungskrise geworden; die spirituelle Bedeutung von Gold scheint in diesen Zeiten perdu.
Myrrhe findet sich im heutigen Alltag meist nur noch als altmodisches Extrakt, um wundes und entzündetes Zahnfleisch zu pinseln. Einzig Weihrauch scheint sich seinen erhabenen Status bewahrt zu haben: Je weniger Anwendung er in der katholischen Messfeier findet, umso größerer Beliebtheit erfreut er sich in esoterischen Kreisen. Darüber lohnte es sich, einmal zu meditieren.
Selbst wenn wir heute sämtliche Informationen zu diesen drei Substanzen, ihre physikalisch-chemischen Eigenschaften, ihre Herkunft und Herstellungsweise leicht aus jedem Lexikon oder via Internet beziehen können – ihr mystischer Zauber ist ungebrochen, denn sie sprechen alle unsere Sinne an. Gold, mühevoll aus dem dunklen Bauch der Erde geschürft, strahlend wie das Feuer der Sonne, rar und kostbar, dabei kosmisch. Denn es kommt zusammen mit anderen Edelmetallen auf Asteroiden vor. Mehr noch: Gold entsteht, wenn ein Stern in einer Supernova stirbt. Keine geringere Gabe also könnte dem Herrscher des Universums, dem Schöpfer des Alls gefallen. Weihrauch, das ist, ebenso wie Myrrhe, zwar eine äußerst irdische Substanz, dabei aber die Brücke zum Göttlichen: Wie anders könnte es sein, dass der Duft Gottes aus dem Blute einer Pflanze gewonnen wird? Myrrhe ist nun der endgültig diesseitige Verweis auf Vergänglichkeit. Ebenfalls aus dem Harz einer Pflanze gewonnen, lindert sie Entzündungen, betäubt Schmerzen, reinigt und purifiziert das Fleisch, wie Weihrauch die Seele und die Gedanken reinigt.
Alle drei bilden das Evangelium, das Leben, die Eigenschaften und die Leiden des Herrn in nuce ab. Und sie bleiben so attraktiv und bezaubernd, wie die entschwundene und dabei auf ewig gegenwärtige Person des Gottessohnes hienieden, die von jenen faszinierenden Substanzen für immer beglänzt und beduftet wird, seit die Sterndeuter Ihn in der Fülle der Zeit an der Krippe besuchten.
ElsaLaska - 4. Jan, 22:25