Georges Bernanos: Tagebuch eines Landpfarrers (1)
Auszug 1 einer zusammenhängenden Passage innerhalb des Romans.
>>Unsere Geschlechter hatten das Rittertum im Blut, die Kirche brauchte es nur zu segnen. Sie waren eben Soldaten, nichts als Soldaten, Soldaten, wie sie die Welt nie wieder gesehen hat. Sie waren Beschützer des Staates und nicht dessen Diener, sie standen auf gleichem Fuß mit ihm. Die höchste Verkörperung des Soldatentums der Vergangenheit, die des Soldaten am Pflug im alten Rom, haben sie gewissermaßen gestrichen. O gewiss, aus der Geschichte waren sie nicht alle gerecht noch sittenrein. Nichtsdestoweniger verkörperten sie eine Gerechtigkeit, eine Art von Gerechtigkeit, an die sich seit Jahrhunderten das Leid der Elenden klammert und die manchmal deren Traum erfüllen. Denn schließlich ist die Gerechtigkeit in der Hand der Mächtigen nur ein Werkzeug, um zu regieren, wie irgendein anderes auch. Warum nennt man sie Gerechtigkeit? Sagen wir eher Ungerechtigkeit, aber eine berechnete, leistungsfähige Ungerechtigkeit, die gan und gar auf der schreckenerregenden Erfahrung von der Widerstandskraft des Schwachen aufgebaut ist, auf seiner Fähigkeit zu leiden, Demütigung und Unglück zu ertragen. Es ist eine genau auf jenem Spannungsgrad gehaltene Ungerechtigkeit, wie man ihn nötig hat, um das Räderwerk der riesigen, die reichen Leute herstellende Maschine in Gang zu halten, ohne dass der Kessel platzt. Und da verbreitete sich eines Tags über die ganze Christenheit das Gerücht, eine Art von Polizeitruppe des Herrn Jesus Christus sei im Entstehn begriffen … Ein bloßes Gerücht, was ist das schon, zugegeben. Aber sehn Sie: sobald man an den fabelhaften, anhaltenden Erfolg eines Buches wie Don Quijote denkt, kann man nicht umhin zu begreifen: Wenn sich die Menschheit durch Lachen für die Enttäuschung ihrer großen Hoffnung immer noch rächt, so deshalb, weil sie sie lange genug gehegt, weil sie sie tief im Herzen getragen hat. Sie haben das Unrecht wieder gutgemacht, mit ihren eisernen Fäusten haben sie es getan. Ihr könnt nun sagen, was ihr wollt: Die da schlugen mit gewaltigen schweren Hieben drein – mit den gewaltigen Hieben haben sie in unsere Gewissen eine Bresche geschlagen. Wie viele Frauen bezahlen heute noch einen hohen Preis für das Recht, die Namen jener Männer zu tragen, die armen Soldatennamen. Und die einstmals von irgendeinem ungeschickten Handwerker auf ihre Schilde gemalten kindlichen Wappenzeichen sind nun der Traum der reichen Herren von Kohlengruben, Erzhütten und Stahlwerken. Finden Sie das nicht spaßig?” <<
>>Unsere Geschlechter hatten das Rittertum im Blut, die Kirche brauchte es nur zu segnen. Sie waren eben Soldaten, nichts als Soldaten, Soldaten, wie sie die Welt nie wieder gesehen hat. Sie waren Beschützer des Staates und nicht dessen Diener, sie standen auf gleichem Fuß mit ihm. Die höchste Verkörperung des Soldatentums der Vergangenheit, die des Soldaten am Pflug im alten Rom, haben sie gewissermaßen gestrichen. O gewiss, aus der Geschichte waren sie nicht alle gerecht noch sittenrein. Nichtsdestoweniger verkörperten sie eine Gerechtigkeit, eine Art von Gerechtigkeit, an die sich seit Jahrhunderten das Leid der Elenden klammert und die manchmal deren Traum erfüllen. Denn schließlich ist die Gerechtigkeit in der Hand der Mächtigen nur ein Werkzeug, um zu regieren, wie irgendein anderes auch. Warum nennt man sie Gerechtigkeit? Sagen wir eher Ungerechtigkeit, aber eine berechnete, leistungsfähige Ungerechtigkeit, die gan und gar auf der schreckenerregenden Erfahrung von der Widerstandskraft des Schwachen aufgebaut ist, auf seiner Fähigkeit zu leiden, Demütigung und Unglück zu ertragen. Es ist eine genau auf jenem Spannungsgrad gehaltene Ungerechtigkeit, wie man ihn nötig hat, um das Räderwerk der riesigen, die reichen Leute herstellende Maschine in Gang zu halten, ohne dass der Kessel platzt. Und da verbreitete sich eines Tags über die ganze Christenheit das Gerücht, eine Art von Polizeitruppe des Herrn Jesus Christus sei im Entstehn begriffen … Ein bloßes Gerücht, was ist das schon, zugegeben. Aber sehn Sie: sobald man an den fabelhaften, anhaltenden Erfolg eines Buches wie Don Quijote denkt, kann man nicht umhin zu begreifen: Wenn sich die Menschheit durch Lachen für die Enttäuschung ihrer großen Hoffnung immer noch rächt, so deshalb, weil sie sie lange genug gehegt, weil sie sie tief im Herzen getragen hat. Sie haben das Unrecht wieder gutgemacht, mit ihren eisernen Fäusten haben sie es getan. Ihr könnt nun sagen, was ihr wollt: Die da schlugen mit gewaltigen schweren Hieben drein – mit den gewaltigen Hieben haben sie in unsere Gewissen eine Bresche geschlagen. Wie viele Frauen bezahlen heute noch einen hohen Preis für das Recht, die Namen jener Männer zu tragen, die armen Soldatennamen. Und die einstmals von irgendeinem ungeschickten Handwerker auf ihre Schilde gemalten kindlichen Wappenzeichen sind nun der Traum der reichen Herren von Kohlengruben, Erzhütten und Stahlwerken. Finden Sie das nicht spaßig?” <<
ElsaLaska - 30. Jan, 16:02
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