digitale spiritualität. eine betriebsanleitung
>>Wenn es jedoch wirklich zum Ernstfall kommt, wenn ein Facebook-Freund stirbt oder eine öffentliche Person, kann sich auch das Netz von seiner sozialen Seite zeigen. Für den ermordeten Augsburger Polizisten Mathias Vieth wurde 2011 die Seite "Gedenkminute für Mathias Vieth" eingerichtet; für den stellvertretenden Direktor des St. Michaelisbunds und Initiator des Münchner Kirchenradios, Ulrich Harprath, der 2010 unerwartet einer Hirnblutung erlag, wurde ein digitales "Kondolenzbuch" geschaffen. Eine schöne Geste. Die dort geposteten Texte und Gebete kommen von Herzen.
Wenn man sie liest, bekommt man dennoch die Ahnung einer seltsamen Leere: "O Gott, ich hätte noch sehr gern viel von ihm gelernt. Möge er bei Dir den Frieden finden." "Ich werde im Gebet an ihn denken." "Ich werde ihn in meine Gebete einschließen." Liegt es daran, dass viele den Menschen, dessen Verlust sie beklagen, nicht gut oder gar nicht kannten? Seine Bücher zwar, Teile der Biografie, doch nicht den Menschen? Viele Einträge wirken wie gut gemeinte Nachrufe auf einen unbekannten Freund. Kann man aber mit einem unbekannten Freund posthum eine Freundschaft schließen? Vielleicht in der Weise, die dem parasozialen Kontakt mit prominenten Verstorbenen ähnelt oder mit Heiligen - so fern und doch so nah, ein wenig unpersönlich und doch vertraut. In jeder Fall überlappen sich bei derartigen sehr intimen und persönlichen Anlässen Privatsphäre und grenzenlose Offenheit der digitalen Arena. Vielleicht muten die Kommentare und Gebete an der Wand verstorbener Facebook-Nutzer deshalb so hilflos an.
Wobei verbale Hilflosigkeit sicherlich nicht die größte Sünde ist, die man im digitalen, "globalen Weltdorf" (Marshall McLuhan) begehen kann. Gerade mit Blick auf solche Facebook-Nutzer, bei denen man anhand des Stils ihrer Beiträge vermuten kann, dass sie annehmen, es gäbe nichts Wichtigeres in der Welt als ihre Einschätzung zu einem bestimmten Thema. Was in den meisten Fällen jedoch ein Irrtum ist. <<
Aus dem Band "Digitale Spiritualität. Eine Betriebsanleitung" von Stefan Meetschen. Erschienen im fe-medien Verlag. Bestellbar hier.
Wenn man sie liest, bekommt man dennoch die Ahnung einer seltsamen Leere: "O Gott, ich hätte noch sehr gern viel von ihm gelernt. Möge er bei Dir den Frieden finden." "Ich werde im Gebet an ihn denken." "Ich werde ihn in meine Gebete einschließen." Liegt es daran, dass viele den Menschen, dessen Verlust sie beklagen, nicht gut oder gar nicht kannten? Seine Bücher zwar, Teile der Biografie, doch nicht den Menschen? Viele Einträge wirken wie gut gemeinte Nachrufe auf einen unbekannten Freund. Kann man aber mit einem unbekannten Freund posthum eine Freundschaft schließen? Vielleicht in der Weise, die dem parasozialen Kontakt mit prominenten Verstorbenen ähnelt oder mit Heiligen - so fern und doch so nah, ein wenig unpersönlich und doch vertraut. In jeder Fall überlappen sich bei derartigen sehr intimen und persönlichen Anlässen Privatsphäre und grenzenlose Offenheit der digitalen Arena. Vielleicht muten die Kommentare und Gebete an der Wand verstorbener Facebook-Nutzer deshalb so hilflos an.
Wobei verbale Hilflosigkeit sicherlich nicht die größte Sünde ist, die man im digitalen, "globalen Weltdorf" (Marshall McLuhan) begehen kann. Gerade mit Blick auf solche Facebook-Nutzer, bei denen man anhand des Stils ihrer Beiträge vermuten kann, dass sie annehmen, es gäbe nichts Wichtigeres in der Welt als ihre Einschätzung zu einem bestimmten Thema. Was in den meisten Fällen jedoch ein Irrtum ist. <<
Aus dem Band "Digitale Spiritualität. Eine Betriebsanleitung" von Stefan Meetschen. Erschienen im fe-medien Verlag. Bestellbar hier.
ElsaLaska - 4. Jul, 15:34
Witzig.
Nicht nur FB-Nutzer, sondern auch Sachbuchautoren ... ;-)