Paolo Rodari und Andrea Tornielli: Der Papst im Gegenwind.

"Attacco a Ratzinger - Accuse e scandali, profezie e complotti" lautet der ziemlich reißerisch klingende Titel der italienischen Originalausgabe. Dankenswerterweise hat es der fe-medien Verlag übernommen, dieses Buch auch für den deutschsprachigen Bereich zugänglich zu machen. Das harmlos wirkende Coverbild zeigt den lächelnden Papst, dem ein Windstoß das zucchetto vom Kopf zu wehen droht. Der Untertitel der deutschen Ausgabe lautet: "Was in den dramatischen Monaten des deutschen Pontifikats wirklich geschah."
Jeder, der sich diesem Papst und seinem Pontifikat verbunden fühlt, hat es längst gemerkt, spätestens beim "Fall Williamson": Dieser Papst wird angegriffen. Dieses Pontifikat ist under fire.
Wie es im Vorwort heißt: "Es sind Angriffe, die immer sofort losbrechen, wenn die negativen Vorurteile über das, was der Papst sagt oder tut, bedient werden können: Sei es, indem man bestimmte Einzelheiten hochspielt, sei es in dem man internationale "Fälle" konstruiert." Dabei kommen, wie Rodari und Tornielli betonen, die Angriffe nicht nur von außen, sondern auch mitten aus der Kirche selbst.
Es ist die große Stärke des Buches, dass seine Verfasser erfahrene vaticanisti sind, was nicht "Hofberichterstatter" meint, wie manche uninformierten Zeitgenossen glauben. Mit professioneller journalistischer Akribie haben die beiden Italiener Material gesammelt und zusammengestellt, darunter Insiderinformationen aus dem Vatikan, die bisher so noch nicht vorlagen. Den Anfang macht Regensburg und das "politisch unkorrekte Zitat" des Heiligen Vaters während seiner Rede dort. Alleine für dieses Kapitel lohnt sich die Anschaffung des Buches bereits, denn der Leser erfährt interessante Details wie etwa die, dass einige den Papst begleitende Journalisten vorab das problematische Zitat in der Rede identifizierten und ihre Bedenken auch formulierten - diese aber offensichtlich nicht weitergegeben oder jedenfalls zu wenig ernst genommen wurden. Weitere Kapitel beschäftigen sich unter anderem mit dem "Fall Williamson", dem Widerstand gegen Summorum Pontificum, die "Kondomkrise" während der Afrikreise und den Missbrauchsskandalen in USA und Europa, aber auch zum Beispiel mit den marianischen Prophezeiungen Fatima und den Vorkommnissen rund um die weinende Madonnenstatue in Civitavecchia.
Sehr angenehm für den Leser ist, dass Rodari und Tornielli sich nicht in Spekulationen und sensationellen Schlussfolgerungen ergehen, sondern sich größtenteils darauf beschränken, Informationen zusammenzutragen und Hintergrund zu geben, den sie aus vatikanischen Quellen zum Thema erhalten. Dabei behalten Rodari und Tornielli immer auch das Verhältnis zwischen dem Papst und seinen Mitarbeitern kritisch im Blick. Etwa, als Benedikt seinen Brief an die Bischöfe der Welt schreibt, um seine Motivation zur Aufhebung der Exkommunikation für die FSSPX zu erläutern: "So wird zum ersten Mal eine bedeutsame Veränderung in der Haltung des Heiligen Stuhls im Vergleich zu früheren Jahren augenscheinlich. Es war immer üblich, dass sich die Mitarbeiter opferten, um den Papst zu schützen, indem sie die Verantwortung auf sich nahmen. Von diesem Moment an - und das wird auch in der Folge wieder passieren - nimmt der Papst die Verantwortung der Mitarbeiter auf sich, um sie zu schützen. Es sind nicht mehr die Mitarbeiter, die sich wie ein schützendes Schild vor den Papst stellen. Der Papst stellt sich als schützendes Schild vor sie."
Im Schlusskapitel lassen die Verfasser Kommunikationsexperten, nicht nur katholische Journalisten und Soziologen zu Wort kommen: Handelt es sich um ein Komplott? Sind die Medienpannen und Widerstände, die der Hl. Vater erfährt, eine konzertierte Aktion gegen dieses Pontifikat? Oder lässt sich das alles ganz nüchtern erklären? Die Analysen der Spezialisten sind hochinteressant und fallen teils sehr unterschiedlich aus. Insgesamt besteht die Stärke dieses Buches aber darin, nicht nur einen Überblick über "Der Papst in den Medien" zu geben, sondern auch dieses Pontifikat mitsamt den internen Abläufen besser kennen zu lernen und zu verstehen.
Auf kath.net gibt es jetzt jeden Samstag im Mai Leseproben von "Der Papst im Gegenwind". Die erste findet sich hier.
Paolo Rodari, Andrea Tornielli: Der Papst im Gegenwind. Was in den dramatischen Monaten des deutschen Pontifikats wirklich geschah. Erschienen im fe-medien Verlag, Kißlegg 2011.
Bestellbar bei Amazon oder direkt beim Verlag.
ElsaLaska - 7. Mai, 15:33
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