Es gibt zwischen Forlì und Florenz tatsächlich eine winzige Ortschaft mit dem Namen San Zeno. Die Strecke von Ost nach West ist der Hammer, ich bin noch nie soviele Serpentinen gefahren und man rutscht dann quasi mitten im Chianti - Gebiet der Toskana wieder raus. Vorm Fenster hockte ein Pfau, ich mag ja das Gebrüll von denen sehr, aber wenn einer hartnäckig die ganze Nacht lang alle halbe Stunde so auf Seemansart GLAST (Zwei Glas, Drei Glas!) und man vor Schreck bei jedem GLASEN fast aus dem Bett fällt, erschöpft sich der Reiz ziemlich schnell. Pfauen müssen offenbar nicht schlafen, nie. Sie GLASEN stattdessen.
Okay, Toskana kurz und gut ist natürlich der Hammer, aber a) sind die Leute nicht so freundlich und b) gibt es eindeutig zuviel Tourismus. Ich finde es nicht SO klasse, wenn ich "un caffè" bestelle dann die RÜCKFRAGE kommt: Espresso???. Lieber Himmel. Wir sind in Italien, caffè ist IMMER Espresso, bin ich bescheuert?
Florenz ist der Gipfel. Die Leute machen ja immer den Fehler, diese ganzen Riesenstädte in der Toskana abzugrasen. Das ist völlig falsch. Ich war auch nur noch mal in Florenz, weil ich unbedingt das Palazzo Medici, die San Lorenzo Kirche und die mediceische Grabkapelle sehen wollte. Außer mir waren drei Viertel der Einwohner von ganz Tokyo, die gesamten amerikanischen Südstaaten und mindestens die komplette Einwohnerschaft von ausgewachsenen zehn deutschen Universitätsstädten anwesend. Plus natürlich alle Italiener der gesamten Halbinsel. Gefühlt waren drei Milliarden Menschen in der Stadt.Und alle hatten Kinderwägen dabei. Kurz, es war glattweg nicht auszuhalten
Ich weiß nicht, wieviele Einwohner Florenz vor 500 Jahren hatte, ich tippe mal so auf 20.000. Zwischen den einzelnen monströsen Palazzi befanden sich autobahnbreite SCHNEISEN, auf denen sich maximal 20 Menschen gleichzeitig bewegten. Das muss sagenhaft gewesen sein. Ich frage mich, wieso eigentlich alles immer schlechter wird auf dieser Welt. Außerdem frage ich mich, wieso Menschen, die nach Habit, Gestus und Gebaren eigentlich auf Ballermann 6 zu Hause sind, eine Renaissancestadt okkupieren müssen. Wozu? Pizza und Cola gibt es ganz sicher auch im Hard Rock Cafè Berlin oder so.
GUT, es ist EIGENTLCH alles irgendwie besser geworden, also aus der Signoria hängen keine Leichen von Erzbischöfen am Fensterkreuz, niemand wird öffentlich verbrannt, nirgendwo werden Leichenteile durch die Straßen geschleift. (Naja, das kommt jetzt drauf an, wie man Realität definiert. Dafür suppen Myriaden von Zombies durch die Straßen, gucken stier und - naja, fragt mich jetzt nicht, was mir persönlich lieber wäre, ich weiß es ehrlich gesagt nicht, tendiere aber vielleicht doch zu den 20.000 Einwohnern auf autobahnbreiten Innenstadtstraßen und hin und wieder mal ein nackter Gehenkter dezent an der Wand statt schamhügelfreier Tokyonesinnen in der Dauerfrontalansicht, ich weiß, man kann das durchaus anders sehen... )
Glücklicherweise wohne ich völlig out of space in einem schnuckligen Dörfchen mit Wehrturm und wenn ich aus dem Fenster schaue, sieht man rein gar nichts, was nicht auch vor 500 Jahren so existiert haben könnte. Ich war sogar in VINCI, und das Beste daran ist, ich hatte nie die Absicht, dorthin zu kommen. Also Vinci ist das Vinci von Leonardo da Vinci. Sehr schmuckes Städtchen, das von der Hälfte der Erdbevölkerung ignoriert wird, die hängen nämlich alle lieber in Florenz ab.