Monika Gräfin Metternich: Vornehm geht die Welt zugrunde

Ehrlich gesagt habe ich selten Lust, Benimmbücher oder Stilberater zu lesen, bei diesem Buch habe ich aber eine Ausnahme gemacht, denn mir war das "Lob des Sonntags" derselben Autorin noch in guter Erinnerung. Es stand von vorneherein nicht zu erwarten, dass mir die Angehörige eines Adelshauses, als Gouvernante verkleidet, einen staubtrockenen Vortrag über rechtes Benehmen vor die Füße klatschen würde. In der Tat, wie wir es von dieser Autorin gewohnt sind, nimmt sie uns mit auf eine unterhaltsame und geistreiche Kreuzfahrt ins Reich der Herrscherin Harmonie - denn diese, so die Vermutung der Autorin, stecke hinter dem Geheimnis des guten Stils, der mit naserümpfender Vornehmheit wenig bis gar nichts zu tun haben könnte.
Vier Kardinaltugenden Prudentia (Klugheit), Iustitia (Gerechtigkeit), Temperantia (Mässigung) und Fortitudo (Tapferkeit) machten in ihrem majestätvollen Reigen das aus, was sich guter Stil nennt, so die Prämisse.
Das klingt antiquiert? Von wegen! Die Metternich stellt hochaktuelle Bezüge her, erzählt heitere Anekdoten, geht auf unvergessliche und tragische Pressemeldungen ein, verweist auf Philosophen und Literaten, parliert, zitiert, stellt Zusammenhänge her und überrascht mit geistreichen Volten. Das alles beginnt ganz harmlos und gemütlich, um dann im letzten Abschnitt über Fortitudo - die Tapferkeit - grundlegend und existentiell zu werden, am Beispiel der - erschütternden - Verhöraufzeichnungen der Angeklagten rund um das Attentat auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944 und der Passagiere des Fluges 93 vom 11. September 2001. Ein Auszug aus diesem Kapitel: "Am engsten verknüpft mit der Tapferkeit ist indes die Gerechtigkeit. Die seelische oder körperliche Verwundung oder gar Auslöschung von menschlichem Leben ist immer falsch und gegen das Gute gerichtet, ob dies das eigene Leben oder das von anderen betrifft. Die Realität dieses Schlechten zutiefst abzulehnen und deren Folgen dennoch standzuhalten selbst angesichts von Verletzung und möglichem Tod - das ist es, was das Konglomerat von "Tapferkeit" ausmacht. Sie hält am Guten fest, während sie dem Schlechten realistisch ins Auge blickt. Und diese Haltung befreit zu Mut und innerer Stärke. Sie lässt Raum für einen letzten Rest von Hoffnung und befähigt sogar zu einer gelassenen, inneren Heiterkeit, die man, wenn der Kontext nicht so unendlich traurig wäre, als unendlich stilvoll bezeichnen müsste. ... Die Tapferkeit ist eine zutiefst anzustrebende Haltung. Jeder wünscht sich wohl, im entscheidenden Moment so tapfer sein zu können wie die Passagiere des "Flug 93", die mit nur minimaler Hoffnung für ihr eigenes Leben das noch größere Gut verteidigten: Die Bewahrung des Lebens anderer Menschen, ihres bereits schwer verletzten Landes und - des Guten schlechthin. Nun saßen in diesem Flugzeug auch jene, die ebenso wussten, dass sie diesen Flug nicht überleben würden. Sie hatten ihren Tod sogar minutiös geplant: Die Selbstmordattentäter. Kann man auch sie als "tapfer" bezeichnen? Der gesunde Menschenverstand gibt die Antwort, noch bevor wir Ambrosius von Mailand konsultiert haben: "Tapferkeit ohne Gerechtigkeit ist ein Hebel des Bösen."
Und hinter allem steckt, wir erfahren es im sehr persönlich angehauchten Schlusskapitel - die Liebe. Überhaupt ist eine der großen Stärken dieser Autorin ihr authentischer, ganz persönlicher Schreibstil, ungewöhnlich für das heutzutage - im Zeitalter der Interaktivität - fast schon veraltet wirkende Medium Buch.
Ebenso wie schon beim "Lob des Sonntags" geht es um die Lebenskunst, die ars vivendi. Und darum kann man "Vornehm geht die Welt zugrunde" auch in allen Lebenslagen genussreich lesen - am Baggersee, am Meeresstrand, im Zug, zu Hause im Sessel bei einem schönen Glas Wein - und sich dabei wie nebenher von Monika Metternich entführen lassen in eine Welt, die mehr zu tun hat mit der Wirklichkeit, in der wir leben dürfen (und müssen), als wir vor Beginn der Lektüre dieses Buches noch gedacht hatten.
Monika Gräfin Metternich: Vornehm geht die Welt zugrunde. Vom Geheimnis guten Stils. Erschienen im Sankt Ulrich Verlag Augsburg.
ElsaLaska - 29. Aug, 14:26
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