Mario Scheuermann: Wein und Zeit

Der international renommierte Weinkenner und Journalist Mario Scheuermann, gebürtiger Pfälzer und Bloggerkollege, hat nun einige seiner Essays für die Wochenzeitung "Die Zeit", für "lettre international" und verschiedene Wein-Fachmagazine - aber auch unveröffentliches Material - zusammengefasst und in dem handlichen Band "Wein und Zeit. Die Kultur des Geniessens" vorgelegt.
Nach dem esoterisch anmutenden Einstieg - eine Raritätenprobe von Chateau d'Yquem-Weinen aus den letzten drei Jahrhunderten - durchwandern wir mit Mario Scheuermann neun Sphären im Mikro- und Makrokosmos des Weingenusses. Dass der Autor nicht allein über vinologischen Sachverstand verfügt, ist dabei unser Glück: Auf Streifzug mit ihm begegnen wir Hafis und Hölderlin, dem ungarischen Weinpoeten Bela Hamvas, Kometenweinen, Steinwein, sogar einem Mata-Hari-Wein. Und viel Weinprosa: Beschreibungen von Düften, Aromen, von Geschmack und Nachklang, die übergehen in Reflexion und Meditation - eine Metaphysik des Weintrinkens umreißen. Hier trinkt einer, um das letzte Geheimnis im Wein zu verstehen.
Eine neue Mathematik des Weines fordert er, ausgehend von der antiken Formel COS - color, odor, sapor - Farbe, Geruch, Geschmack als den drei seit altersher bekannten Kriterien; durch cpv möchte er sie ersetzt wissen.
c, das ist die Konstante: Der jeweilige Wein im Glas, jetzt und hier, mitsamt seiner dokumentierten Herkunft.
p, das sind die Parameter, die Einfluss genommen haben auf diesen Wein: Klima, Boden, und alles, was der Winzer danach mit dem Lesegut gemacht hat.
v schließlich sind die Variablen: "das sind alle jene scheinbar ungeordneten, nicht beschreibbaren Interaktionen kleiner und kleinster Teilchen im Wein, in uns selbst und auf subatomarer Ebene, die in der Vereinnahmung und damit Transsubstantiation[sic!] ihre Vollendung findet. Es ist die Zone des Übergangs von der Chemie zur Metaphysik." (M. S.: Wein und Zeit).
Wie die cpv-Methode konkret anzuwenden ist, kann man in "Wein und Zeit" nachlesen und dabei ganz nebenbei lernen, wie man sich einem herausragenden Wein auch als Laie annähern kann.
Das ist leicht zu lesen, kurzweilig geschrieben, aber nichts für Leute, die hippe Weine kaufen und trinken wollen, um mitreden zu können.
Daneben enthält der Band die schönste literarische Würdigung des typischen roten Pfälzer Sandsteins, die ich bis jetzt gelesen habe (in: Ein Wein nach alter Art).
Ein Anmerkungsapparat, ein ausführliches Personenregister und eine Liste weiterführender "dionysischer" Literatur sind erfreulicherweise angefügt.
Mario Scheuermann: Wein und Zeit. Die Kultur des Geniessens.
Hampp Verlag Stuttgart, September 2007
190 Seiten, Hardcover. ISBN-13:978-3-936682-21-2
Scheuermanns Weinblogs:
drinktank; planet bordeaux
ElsaLaska - 23. Aug, 05:35
hiermit: http://www.vino-piemont.de/vinosia_etikett-primitivo.jpg
oder damit:
http://www.vino-piemont.de/vinosia_etikett-negramaro.jpg