Als unsere Bischöfe noch Dichter waren
Erzbischof Hillin von Trier an Hildegard von Bingen:
Hillin, durch die Gnade Gottes demütiger Diener, Knecht und - obwohl unwürdig - Erzbischof von Trier, wünscht der geliebten Schwester Hildegard, sie möge dem Lamm, ihrem Bräutigam, folgen wohin immer es geht.
Weil es der Weisheit Gottes, die "das Schwache in der Welt erwählt, um das Starke zu beschämen" (1 Kor 1,27), gefallen hat, sich in deiner Jungfräulichkeit eine angenehme Wohnung zu erwählen, hat sie das Licht ihrer Gnade im Geist des Rates und eines umfassenden Wissens freigiebig auf dich ausgegossen. Durch diesen Erguss des Lichtes wollte sie - wie ich glaube - durch deine Vermittlung , ehrwürdige und in aufrichtiger Liebe zu umfangende Mutter, auch den Geist anderer zu besserem und dem Heil nahe kommenderem Streben anregen und erleuchten.
Es bleibt dir also, geliebte Jungfrau Christi, die Ranken des wahren Weinstocks, unter dessen Schatten du ruhst und dessen Frucht deinem Gaumen süß und willkommen ist ... weit hinein in dieses stürmische Meer auszubreiten und den süßen Geschmack des himmlischen Trankes, der dich berauscht, um Gewinn der Seelen bereitwillig überallhin zu leiten. Was du umsonst empfangen hast, gib umsonst weiter, damit du nicht etwa beschuldigt wirst, du wolltest die zum Nutzen der Nächsten entzündete Leuchte unter dem Scheffel verbergen.
So bitte ich dich, heilige Mutter, mit allen, die zum Hafen deiner Tröstung ihre Zuflucht nehmen, auf die Hoffnung gestützt, mein Verlangen überreich erfüllt zu sehen; ja ich bitte und beschwöre dein mütterliches Herz in reiner Liebe: Lass ein paar Tropfen aus jenem Weinkeller des Königs, dessen Überfülle dich schon in diesem Leben wundersam trunken macht, durch den Überbringer dieses Schreibens brieflich auf mich Sünder träufeln, sowohl um dessentwillen, der dir diese Fähigkeit verliehen hat, als auch zur Bestätigung der erfahrenen Wahrheit, die ein ungewisses Gerücht über die dir vom Himmel eingegossene Gnade gewissen Ohren zuträgt. Jener aber, der das gute Werk in dir begonnen hat, möge es im Leben der Lebenden vollenden.
Ein Auszug aus der Antwort Hildegards an Hillin:
Die Weisheit lässt sich hören und spricht: Jetzt ist eine elende Zeit weibischen Charakters. Oh, oh, Adam war ein ungewöhnliches Zeugnis für alle Gerechtigkeit und die Wurzel jeglichen Menschensamens. Danach erhob sich in seinem Geschlecht ein männlicher Geist, der sich zu drei Gruppen entwickelte, wie ein Baum, der sich in drei Äste verzweigt. Die erste Gruppe verhielt sich folgendermaßen: Die Söhne Adams wählten unter ihren Möglichkeiten. In der zweiten aber erhoben sich die Menschen zu verwegenem Menschenmord. In der dritten jedoch taten sie hinsichtlich der Götzenbilder und anderer Irrtümer, was sie wollten.
Jetzt ist dieser Baum verdorrt, sodass die Welt von vielen Gefahren heimgesucht ist. Diese Zeit betrifft nämlich den Moment, wo die erste Frau dem ersten Mann Anlass zur Verführung war. Dennoch besitzt der Mann größere Kräfte, als die Frau sie aufbringen kann. Die Frau aber ist eine Quelle der Weisheit und Ursache vollkommener Freude. Diese Anlagen bringt der Mann zur Vollendung.
Aus: Hildegard von Bingen. Werke Band VIII: Briefe. Epistolae. Herausgegeben von der Abtei St. Hildegard, Eibingen. Beuroner Kunstverlag.
Hillin, durch die Gnade Gottes demütiger Diener, Knecht und - obwohl unwürdig - Erzbischof von Trier, wünscht der geliebten Schwester Hildegard, sie möge dem Lamm, ihrem Bräutigam, folgen wohin immer es geht.
Weil es der Weisheit Gottes, die "das Schwache in der Welt erwählt, um das Starke zu beschämen" (1 Kor 1,27), gefallen hat, sich in deiner Jungfräulichkeit eine angenehme Wohnung zu erwählen, hat sie das Licht ihrer Gnade im Geist des Rates und eines umfassenden Wissens freigiebig auf dich ausgegossen. Durch diesen Erguss des Lichtes wollte sie - wie ich glaube - durch deine Vermittlung , ehrwürdige und in aufrichtiger Liebe zu umfangende Mutter, auch den Geist anderer zu besserem und dem Heil nahe kommenderem Streben anregen und erleuchten.
Es bleibt dir also, geliebte Jungfrau Christi, die Ranken des wahren Weinstocks, unter dessen Schatten du ruhst und dessen Frucht deinem Gaumen süß und willkommen ist ... weit hinein in dieses stürmische Meer auszubreiten und den süßen Geschmack des himmlischen Trankes, der dich berauscht, um Gewinn der Seelen bereitwillig überallhin zu leiten. Was du umsonst empfangen hast, gib umsonst weiter, damit du nicht etwa beschuldigt wirst, du wolltest die zum Nutzen der Nächsten entzündete Leuchte unter dem Scheffel verbergen.
So bitte ich dich, heilige Mutter, mit allen, die zum Hafen deiner Tröstung ihre Zuflucht nehmen, auf die Hoffnung gestützt, mein Verlangen überreich erfüllt zu sehen; ja ich bitte und beschwöre dein mütterliches Herz in reiner Liebe: Lass ein paar Tropfen aus jenem Weinkeller des Königs, dessen Überfülle dich schon in diesem Leben wundersam trunken macht, durch den Überbringer dieses Schreibens brieflich auf mich Sünder träufeln, sowohl um dessentwillen, der dir diese Fähigkeit verliehen hat, als auch zur Bestätigung der erfahrenen Wahrheit, die ein ungewisses Gerücht über die dir vom Himmel eingegossene Gnade gewissen Ohren zuträgt. Jener aber, der das gute Werk in dir begonnen hat, möge es im Leben der Lebenden vollenden.
Ein Auszug aus der Antwort Hildegards an Hillin:
Die Weisheit lässt sich hören und spricht: Jetzt ist eine elende Zeit weibischen Charakters. Oh, oh, Adam war ein ungewöhnliches Zeugnis für alle Gerechtigkeit und die Wurzel jeglichen Menschensamens. Danach erhob sich in seinem Geschlecht ein männlicher Geist, der sich zu drei Gruppen entwickelte, wie ein Baum, der sich in drei Äste verzweigt. Die erste Gruppe verhielt sich folgendermaßen: Die Söhne Adams wählten unter ihren Möglichkeiten. In der zweiten aber erhoben sich die Menschen zu verwegenem Menschenmord. In der dritten jedoch taten sie hinsichtlich der Götzenbilder und anderer Irrtümer, was sie wollten.
Jetzt ist dieser Baum verdorrt, sodass die Welt von vielen Gefahren heimgesucht ist. Diese Zeit betrifft nämlich den Moment, wo die erste Frau dem ersten Mann Anlass zur Verführung war. Dennoch besitzt der Mann größere Kräfte, als die Frau sie aufbringen kann. Die Frau aber ist eine Quelle der Weisheit und Ursache vollkommener Freude. Diese Anlagen bringt der Mann zur Vollendung.
Aus: Hildegard von Bingen. Werke Band VIII: Briefe. Epistolae. Herausgegeben von der Abtei St. Hildegard, Eibingen. Beuroner Kunstverlag.
ElsaLaska - 3. Jul, 14:06
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