Die Regensburger Rede
Ein Gastbeitrag von Olaf Tannenberg
Der byzantinische Kaiser Manuel II. Palaiologos war ein gelehrter Mann. Er herrschte über Byzanz zu einer Zeit, während der das einstige Riesenreich nur noch als ein Schatten seiner vormaligen Größe bestand, eine aus drei kleinen Teilgebieten zusammengesetzte Enklave unter osmanischer Oberhoheit. Vermutlich 1391 im Winterlager zu Ankara führte der griechisch-orthodoxe Kaiser ein Gespräch mit einem gebildeten Perser über das Christentum und den Islam, beider Wahrheit und den Zusammenhang von Religion und Vernunft. In einer Schärfe, die heute an der politischen Korrektheit kläglich scheitern würde, konfrontierte der christliche Kaiser den muslimischen Gelehrten mit der Aussage:
»Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten«.
Damals blieb diese Aussage folgenlos.
Auch Papst Benedikt XVI. ist ein großer Gelehrter und gilt zurecht als der wohl brillanteste Theologe unserer Tage. Keinesfalls war er der prunkvolle Barock-Papst, wie heute gerne kolportiert wird, sondern ein bescheidener, beinahe schüchterner »Arbeiter im Weinberg des Herrn«, unermüdlich die Theologie verfeinernd und stets darauf bedacht, seine Worte und Zitate mit Umsicht auszuwählen und ihre mögliche Wirkung abzuwägen. Papst Benedikt war sich der Macht seines Wortes durchaus bewusst und ließ gerade deshalb eine ganz besondere Sorgfalt walten.
Auch die nach dem Ort seines Vortrags am 12. September 2006, der Magna Aula der Universität Regensburg, benannte Regensburger Rede war das Ergebnis höchstmöglicher Gelehrtheit und sorgsamster Abwägung. Was später als Beleidigung des Islam interpretiert wurde, war eine ausgezeichnete Rede, mit der Papst Benedikt sich an die Wissenschaftler wandte. Es ging, schlicht gesagt, um die sanfte Gewalt des Wortes, des Arguments und um die Autorität des Logos, der von Gott kommenden Vernunft. Die Wissenschaft, so Benedikts eindringlicher Appell, möge sich nicht lossprechen vom Wort Gottes, sondern nach der Einheit von Logos und Logik streben und die Grenzen der menschlichen Vernunft beachten, die am Logos gemessen stets unvollkommen bleiben müsse.
Bei den anwesenden Wissenschaftlern kamen die päpstlichen Ausführungen intellektuell an.
Zumindest wurden sie verstanden.
Nun ist nicht jeder Mensch mit einem Hochschulabschluss gleich ein Gelehrter. Sonst wäre nämlich der Welt vieles erspart geblieben. Denn kaum war der Applaus verhallt, fanden sich in den Medien erste Schlagzeilen, wie »Deutscher Papst beleidigt den Islam« oder »Papst unterstellt Muslimen Gewaltbereitschaft«. Dass Papst Benedikt lediglich Kaiser Manuel II. zitiert hatte, spielte keine Rolle mehr.
›Wir‹ waren plötzlich nicht mehr Papst, ›wir‹ wollten nicht mehr Papst sein.
Während in Deutschland der Papst von einer Anzahl Medienmacher als islamophob abgestempelt wurde, kam es in der islamischen Welt nicht nur zu verbalen Angriffen. Es gab Unruhen, Christen wurden bedroht und angegriffen; Kirchen wurden beschädigt, in Afghanistan, im Iran, in den Palästinensergebieten und anderswo. Wie bereits wegen der Mohammed-Karikaturen setzten auch diese Ausschreitungen zeitverzögert ein. Der angebliche ›gerechte Zorn der Rechtgläubigen‹ musste nämlich zuerst von den Hasspredigern geschürt werden und da nicht jedes muslimische Dorf über eine eigene Fahnenmanufaktur verfügt, musste auch eine gewisse logistische Vorbereitung getroffen werden.
Jedenfalls schienen mancherorts gewaltbereite Muslime den Beweis für die Worte Kaiser Manuels erbringen zu wollen. Mit unsäglicher Gewalt und großem Hass ging man auf die christlichen Nachbarn los, prügelte, vergewaltigte, brannte, mordete.
Demnächst wird von der italienischen Ordensschwester Leonella Sgorbati berichtet, deren gewaltsamer Tod im Zusammenhang mit den Ausschreitungen nach der Regensburger Rede vermutet wird.
Wenn wir heute nach Syrien oder Ägypten blicken, stehen wir auch einer Welle der Gewalt gegenüber. In weiten Teilen der westlichen Welt herrscht heute großes Unverständnis hinsichtlich der Geschehnisse in der arabischen Welt. Vom ›Arabischen Frühling‹ redet kaum noch jemand. Niemand unter den Verantwortlichen in Europa hat auch nur irgendeinen Rat, geschweige denn einen richtigen. So werden in Ägypten Entwicklungshilfeprojekte gestoppt, diplomatische Beziehungen überprüft, einseitig die Übergangsregierung kritisiert. Gewaltverzicht und Dialog werden eingefordert.
Doch die übliche Anwendung europäischer Maßstäbe, die Forderung nach Gespräch und Versöhnung, ist im gegenwärtigen Moment zwar theoretisch nicht gänzlich verfehlt, praktisch jedoch völlig illusorisch: Es ist zu spät, denn die Eskalation fand bereits statt, und es ist zu früh, denn der Hass aufeinander ist derzeit weitaus größer als der Einigungswille.
Fehl am Platz ist indes eine Positionierung auf der Seite der Muslimbrüder. Die Unterstützung dieser Gruppierung, oft verharmlost als eine Art konservativ-islamische Partei, ist abenteuerlich. Damit würde dem Radikalislamismus erneut das Schwert in die Hand gegeben, ein Schwert, das sich gegen die Minderheiten richtet, vor allem aber gegen die Kopten und andere Christen.
Da ist sie plötzlich wieder aktuell, die hoch bewunderte und viel geschmähte Regensburger Rede Papst Benedikts. Ich möchte meinen Beitrag mit einigen Worten beenden, die Manuel II. ausgesprochen und Benedikt XVI. zitiert hat: »Gott hat kein Gefallen am Blut.« Und damit dürfte alles gesagt sein.
Der Herr segne den Erdkreis und behüte seine Kinder.
Die komplette Rede zum Nachlesen:
http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/speeches/2006/september/documents/hf_ben-xvi_spe_20060912_university-regensburg_ge.html
Das Foto findet sich auf den Seiten von www.domradio.de
ElsaLaska - 24. Aug, 16:02
Lieben Dank dafür!