Da steht - in Rosen und Ketten - Christus
Himterm Gitter des Kerkers, der mich umschließt,
das sanfte Lamm kommt in weißem Gewande
Und blickt durchs Fenster in mein Verlies.

Sein Bildnis schaut in dem schlichten Rahmen
Des blauen Himmels zu mir herein.
Den Himmel malte ein schlichter Maler,
Doch sein Antlitz und der Himmel sind eins.

Und hinter dem Einigen, Traurigen, Lichten,
Da reckt sich das Brot im Halme hinauf.
Am Hügelhange wächst Kohl, und es richten
Die Birklein und Tannen zur Schlucht ihren Lauf.

Und so nah ist alles und doch so ferne,
Dass man es nicht zu greifen vermag.
Und nie begreifst du das Blaue Auge,
eh du nicht wirst wie ein schmaler Pfad.

Eh du nicht arm wirst wie Er gewesen,
Und nicht zertreten im Abgrund lagst,
Nicht vergisst was dir lieb war und was du besessen,
Und nicht verwelkt bist wie totes Gras.

10. Oktober 1905