Ein ganz normaler Sonntag
in einem kleinen mittelitalienischen Städtchen sieht so aus: Massen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen treffen sich in der nächstlegenen Stammbar, drinnen natürlich, vor der Bar, aber auch auf dem Gehweg, auf der Straße. Sie reden, lachen, telefonieren, stehen um das neue Motorrad eines Freundes herum und bewundern es, spielen Tischfussball an einem blöden kleinen Tisch, den sich kein Mensch in einem deutschen Lokal trauen würde, aufzustellen, trinken etwas - nicht immer Alkohol, in Italien gibt es sehr viele Marken von alkoholfreien Bitters, die man anstatt eines Glas Bier oder Wein gut trinken kann, und ich habe noch nie erlebt, dass es, trotz dieser Menschenmassen, mal eine blöde Stimmung aufkäme oder einer das Komasaufen anfangen würde oder man sich gegenseitig anpöbeln würde. Alle sind einfach nur gut drauf, freuen sich über den Sonntag und das Treffen mit den vielen Bekannten und Freunden.
Gestern fiel mir das mal wieder so richtig positiv auf. Eigentlich dachte ich sogar: Wer eine solche öffentliche Kultur des Miteinanders selbstverständlich findet und intensiv pflegt, wird vermutlich weniger anfällig für die Idee sein, am Montag darauf mit der Knarre in die Schule zu gehen.
Das ist sicherlich zu kurz gedacht und nicht in einwandfreien Zusammenhängen, aber es fiel mir am Sonntag einfach noch viel mehr auf als sonst.
Gestern fiel mir das mal wieder so richtig positiv auf. Eigentlich dachte ich sogar: Wer eine solche öffentliche Kultur des Miteinanders selbstverständlich findet und intensiv pflegt, wird vermutlich weniger anfällig für die Idee sein, am Montag darauf mit der Knarre in die Schule zu gehen.
Das ist sicherlich zu kurz gedacht und nicht in einwandfreien Zusammenhängen, aber es fiel mir am Sonntag einfach noch viel mehr auf als sonst.
ElsaLaska - 16. Mär, 22:45
Mich freut wiedermal diese mit kurzen, schnellen Strichen hingeworfene Skizze, die ein sehr lebendiges Bild entstehen lässt. So, mit einem Glas Bitter-Limonade schreibt es sich besser: Der Begriff "Kultur des Miteinanders" trifft, denke ich, den Kern auch ziemlich genau. Wenn ich auch nicht sicher bin, ob man so plastisch, wie Du es tust, die italienischen Verhältnisse als besser und die deutschen als sauschlecht bezeichnen kann.
Keine Frage, Tim K. war ein Dreckschwein, der ein ganzes Land aus purem Egoismus in eine völlig unnötige, schreckliche Situation gebracht hat. Auch sein Vater hat ja jetzt mit dem Staatsanwalt zu tun, und das ist gut so. Ich hoffe sehr, dass es in dieser Ichichwestgesellschaft doch noch Reste von Miteinander gibt, Inseln der Mitmenschlichkeit, des wirklichen Interesses aneinander. Ich fürchte allerdings, dass uns die Singleisierung, die unzähligen kaputten Familien noch viel mehr solche sinnlosen Geschichten bescheren werden.
Kennst Du "mein Kind, wir waren Kinder, zwei Kinder, klein und froh?. . . ." Ich glaube, der Text ist von Heine, Zupfgeigenhansel hat es mal gesungen. Das kommt einem alles sehr weit weg vor.
Ein wesentlicher weiterer Faktor sprichst du auch an: Die Familien sind alle noch intakt. Es leben häufig noch die klassischen drei, wenn nicht sogar vier Generationen unter einem Dach, einfach weil es selbstverständlich ist und auch, die Italiener (abgesehen die aus dem ganz hohen Norden, Turin, Mailand etc.) waren immer schon deutlich ärmer als wir, und da heißt es halt auch: zusammenhalten. Das aber bedeutet auch gleichzeitig: Rentner verprügeln geht gar nicht. (Für die Städte mag es da wieder anders aussehen).
Auch hier gibt es natürlich Probleme. Fast jede Woche fährt sich einer selbst tot oder hatte sogar noch eine Freundin dabei in diesen bescheuerten Apes, selbst verschuldet oder auch nicht. Und in den Diskos wird natürlich wahrscheinlich genauso viel gesoffen und gekokst wie überall.
Türkei
mich haben ähnliche Fragen schon bedrückt. Ich kenne ja die Türkei recht gut, wo es noch sehr viel mehr Armut gibt, Kulturschock und Gewalt in vielen Familien vorkommt, der schulische Leistungsdruck enorm ist, Militär und bewaffnete Helden gefeiert werden, Waffen auf dem Schwarzmarkt verfügbar sind und vor allem die Jungs völlig auf Counterstrike & Co. abfahren (bedrückend zu erleben, einige darauf spezialisierte Internetcafes). Trotzdem habe ich noch nicht von diesen Amokläufen gehört, wie wir sie hier im wohlhabenderen, freieren, pädagogischeren, pazifistischeren, wohl aber auch individualistischeren Deutschland erlebt haben.
Natürlich hat die Türkei Probleme mit Gewaltverbrechern - aber diese spezielle Form des Amoklaufs an Schulen, wie wir sie in Deutschland und den USA jetzt mehrfach erlebt haben, kennt sie m.W. bisher nicht. Wissenschaftlich ist Kriminalforschung natürlich wirklich nicht mein Gebiet, aber die Beobachtung gibt mir zu denken.